Currentzis überreicht ein strahlendes Weihnachtsgeschenk

SWR Symphonieorchester / Avdeeva / Currentzis  Wiener Konzerthaus, 19. Dezember 2022

Foto: Yulianna Avdeeva © Sammy Hart, Wr. Konzerthaus 2022

Der massive Jubel am Schluss kam völlig gerechtfertigt; man kann sich nur freuen, das SWR-Orchester mit Currentzis am 16. Jänner 2023 wieder im Konzerthaus zu erleben. Das Publikum kann sich jetzt schon darauf freuen!

Sergeij Prokofjew:
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 in g-moll op. 16

Igor Strawinski:
Le Sacre du Printemps (Bilder aus dem heidnischen Russland)

Maurice Ravel:
Bolero

Yulianna Avdeeva, Klavier
SWR Symphonieorchester
Teodor Currentzis, Dirigent

Wiener Konzerthaus, 19. Dezember 2022

von Herbert Hiess

Dieses Konzert macht bitter bewusst, wie schlecht es um die „Dirigentenszene“ bei den jüngeren und nicht mehr so jungen Nachwuchshoffnungen bestellt ist.

Dies gilt nicht für Teodor Currentzis, dem oftmals der Ruf, exaltiert zu sein, vorauseilte und vorauseilt; er ist ein veritabler Könner mit sehr viel Charisma. Das bewies er bei seinem neuen Projekt mit dem Orchester „Utopia“ und jetzt auch wieder mit dem SWR-Orchester aus Stuttgart. Unheimlich, wie gekonnt er diese Orchester einstudiert und drillt.

Auch das SWR-Orchester, das so bekannte Pultgrößen wie Michael Gielen und Sir Roger Norrington als Chefs hatte, wird unter Currentzis Leitung zu Höhenflügen motiviert und angestachelt.

Schon bei Prokofjews Klavierkonzert bewiesen Currentzis und die Musiker, dass sie weit mehr sind als eine bloße Begleitung. Mit der großartigen russischen Pianistin Yulianna Avdeeva (die übrigens auf ihrer Homepage doch ihre Herkunft verschweigt) rauschten die Musiker durch die vier Sätze des unheimlich komplizierten Werkes. Das Orchester ließ sein ganzes Spektrum hören – vom zartesten Pianissimo bis zum grandiosen Fortissimo hörte man Prokofjews (übrigens ein Ukrainer!) unheimlich schwieriges Werk. Er schenkt den Solisten absolut nichts; irre Läufe und Akkorde machen das Werk zu einer technischen Herausforderung. Und Frau Avdeeva hielt da perfekt mit und fand immer ausreichend Zeit, um zu musizieren. Mit ihrem im Pianissimo zarten Anschlag und ihren hämmernden Forteakkorden bewies sie, dass sie heute zu den führenden Könnern am Klavier zählt.

Als Zugabe zelebrierte sie die wunderschöne und verhaltene, an Chopin sehr erinnernde Ballade des ukrainischen Komponisten Valentin Silvestrov.

Nach der Pause ging es dann mit den „Bildern aus dem heidnischen Russland“ weiter. Auch hier präsentierten die Stuttgarter unter Currentzis die volle klangliche Bandbreite ihres Könnens. Von zartesten Pianissimo über berührende Kantilenen bis hin zum brutalsten (aber nie schmerzhaften) Fortissimo wurde dieses Ballett so serviert, dass man sich kaum auf den Sitzen halten konnte. Der Maestro hat das Werk nicht nur perfekt einstudiert; er beherrscht diesen dirigentischen Prüfstein bis zum letzten Takt.

Es ist fast unmöglich, vom Orchester die Solisten hervorzuheben; stellvertretend für alle soll das phantastische Fagottsolo der Einleitung beweisen, dass das Orchester vom Können her Weltrang hat. Ganz begeisterungswürdig das Schlagwerk; endlich ein Paukist, der sich traute, bei der „Verherrlichung der Auserwählten“ mit markanten Akzenten begeisterte. Das war eine der besten Live-„Sacre“, die man je hören konnte.

Und dann als Zugabe im offiziellen Programmteil noch Ravels „Bolero“. Auch hier bewiesen die Musiker, dass das Werk des französischen Komponisten weit mehr als eine Zugabe ist.

Ravel bewies hier frappant sein Können der Instrumentation. Mit einer enormen Orchesterbesetzung mit seltenen Instrumenten (z.B. Sopraninosaxophon, Tenorsaxophon) und dem ständigen Rhythmus der kleinen Trommeln (hier drei Spieler) machte Currentzis ein Erlebnis aus der Musik. Da hörte man Phrasierungen und Abstufungen der zwei Themen, die man sonst nie so hören konnte.

Der massive Jubel am Schluss kam völlig gerechtfertigt; man kann sich nur freuen, das SWR-Orchester mit Currentzis am 25. Jänner 2023 wieder im Konzerthaus zu erleben. Das Publikum kann sich jetzt schon darauf freuen!

Herbert Hiess, 20. Dezember 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Schubert, Schumann, Brahms, Alexandra Dovgan, Klavier Wiener Konzerthaus, Mozartsaal,

Oslo Philharmonic, Klaus Mäkelä, Dirigent, Sol Gabetta, Cello Wiener Konzerthaus, Großer Saal, 20. November 2022

Klavierabend Leif Ove Andsnes, Klavier Wiener Konzerthaus, Großer Saal, 11. November 2022

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