Anaëlle Tourret © Jewgeni Roppel
Reinhold Gliére (1875 – 1956)
Konzert für Harfe und Orchester Es-Dur op. 74
Entstehung: 1938 | Uraufführung: Moskau, 23. November 1938 | Dauer: ca. 25 Min.
Sergej Prokofjew (1891 – 1953)
Sinfonie Nr. 7 cis-Moll op. 131
Entstehung: 1951–52 | Uraufführung: Moskau, 11. Oktober 1952 | Dauer: ca. 30 Min.
Vasily Petrenko, Dirigent
Anaëlle Tourret, Harfe
NDR Elbphilharmonie Orchester
Elbphilharmonie, 10. März 2024
von Harald Nicolas Stazol
Himmlisch, es bleibt kein anderes Wort, die Virtuosin Anaëlle Tourret an ihrer sie um einen guten Meter überragenden, goldenen Harfe, deren Klänge den Saal überströmen, beim Harfenkonzert des Reinhold Glière, sodass uns nichts anderes übrig bleibt, als nach dem 1. Satz schon zu applaudieren, was in diesem Fall richtig am Platze – allein optisch ist man von der zierlich-zerbrechlichen Harfenistin vor dem Hintergrunde des NDR Elbphilharmonie Orchesters schon auf das Äußerste beseelt – und im vollen Ernste gehört dieses Konzert nun in mein Repertoire der allerliebsten Werke.
In dieser Sekunde höre ich eine Aufnahme des Moskauer Staatsorchesters, das aber kein Gran abweicht von der Qualität, die man an diesem sonnig-kalten März-Morgen auf Knien dankend hören darf, nein, man lauscht!
Woran das liegt? Denn „Niiiceeee“ schreibt mein bester Freund, als ich ihm stecke, dass heute Vasily Petrenko am Pult steht, der ganz ruhig und gelassen und sparsam im Gestus dirigiert, kaum autoritär, und überraschenderweise der jungen Tourret füglichst und sensibel vollends die Initiative überlässt an ihrer Himmelsharfe…
Wer aber ist Reinhold Glière? Da muss man etwas zurückgreifen: Ein Kind des Zarenreiches, wird er doch dann ob seiner äußerst „konservativen Musiksprache“, die genau auf der Höhe des Stalinistischen Regimes, mit Orden und Anerkennung mit Orden und Ehren überhäuft, während Prokofjew fast Berufsverbot hat, dessen 7. ja auch noch folgen wird, in dem Programm „Klassik Kompakt“ des NDR, das nun eine Stunde auf das Intensivste und Erfreulichste in das nachrevolutionäre Russland, bzw. die UDSSR entführt, zu Freude und Genuss vom Feinsten!
Er erhielt „den Leninorden und einmal den Orden des Roten Banners der Arbeit. Er war Volkskünstler der UdSSR und ihrer Sowjetrepubliken Russland, Aserbaidschan und Usbekistan. Auch erhielt er dreimal den Stalinpreis (1946, 1948, 1950) und wurde 1941 zum Doktor der Kulturwissenschaften ernannt.“ Und womit? Zu Recht!
Denn die romantischen Klänge, die die Prinzessin der Harfe, zum Glück bei uns mit 25 Jahren schon verpflichtet ist, und die dem zuckersüßen Werk in drei Sätzen einen Glanz verleiht, der nur mit den Sonnenstrahlen draußen konkurriert. „War das nicht toll“, wende ich mich um zu zwei Fräuleins hinter mir – man kam sich näher, weil die Platzierung nicht ganz eindeutig war, ich hatte mich vor Vorfreude eine Reihe zu früh begeben, denn nun kommt ohne Pause die Siebte von Sergej.
Irgendwie sammle ich jetzt dessen Sinfonien, habe ich doch gerade erst seine 5. gehört, noch am Dienstag, von der ich ja auch auf diesen Seiten zur Entzückung der Dirigentin berichtet habe – sei es, wie es sei, nun also Petrenko, der heute zur High-Tea-Zeit den Vergleich mit Gergiev nicht scheuen muss und dem Orchester des Marinsky – und dessen Vorstellung ohne jeglichsten Manierismus, vorantreibend doch und eben streng-präzise auch.
Und das genau eben verlangt die 7. des Spätrussen, es ist die letzte des von mir so Bewunderten – „last, but not least“, doch lesen wir doch einmal nach: „In ihr kehrt der Komponist zu der instrumentalen Durchsichtigkeit und der harmonischen Einfachheit der Ersten Sinfonie zurück, obwohl sich das Werk durch seinen märchenhaft-orientalischen Charakter eher an Rimski-Korsakow als an Haydn anlehnt. Der betont melodisch-lyrische Gesamteindruck des Werks und dessen zugängliche Sprache resultieren auch aus der ursprünglichen Erwägung des Komponisten, diese Sinfonie spezifisch für Jugendorchester zu schreiben. Die Sinfonie wurde von Dmitri Schostakowitsch hoch gelobt und 1957 mit dem Leninpreis ausgezeichnet. Das Werk besteht aus vier Sätzen generell freundlich-verträumten bis heiteren Charakters.“
Denn zu unendlichen Zartheiten wirft sich diese Sinfonie auf, es ist ein wenig, als hätte der oft so schroffe Komponist eine Altersmilde entwickelt, die einen so lyrischen Charakter hat, dass das Orchester des NDR gar nicht viel machen muss, außer jenen auszuführen, was wunderbar gelingt! Denn wirklich, da wogt es und wabert es und wiegt es so sehr, dass man sich seine Stimmungsaufheller sparen kann!
Tobende Ovationen, und womit? MIT RECHT!
Harald Nicolas Stazol, 11. März 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at