Vilde Frang © Marco Borggreve, Wiener Konzerthaus
Das SWR-Orchester hatte immer interessante Chefdirigenten wie Celibidache, Marriner, Norrington, Prêtre usw. Teodor Currentzis setzt diese Reihe nahtlos fort und man kann dem Orchester nur wünschen, dass der Maestro noch lange mit den Musikern arbeiten wird!
Alban Berg: Violinkonzert „Dem Andenken eines Engels“
Dmitri Schostakowitsch: Symphonie Nr. 8 in c-moll op. 65
Vilde Frang, Violine
SWR Symphonieorchester
Teodor Currentzis, Dirigent
Wiener Konzerthaus, 25. Jänner 2023
von Herbert Hiess
Wenn Maestro Teodor Currentzis einen Auftritt in Wien hat, sorgt er für volle Häuser und es befinden sich im Publikum sehr viele Prominente aus der Kulturszene. Der griechisch-russische Maestro ist nicht nur neugierig im positivsten Sinn; er taucht vielmehr völlig in die Musik ein und schafft es, bei akribischen Probearbeiten seine Vorstellungen an die Musiker weiterzugeben, was man dann auch hören, fühlen und erleben kann.
So auch an diesem Abend mit einem recht schwierigen Programm. Zuerst Alban Bergs Violinkonzert, das der Komponist als musikalisches Denkmal anlässlich des Todes der Tochter von Alma Mahler-Werfel kreierte. Hier wollte der Komponist die Wesenszüge des mit 18 Jahren viel zu früh verstorbenen Mädchens in Klänge tauchen.
Das Werk ist noch im spätromantischen Gewande geschaffen, wobei Alban Berg immer häufiger aus den musikalischen Strukturen, also aus der Tonalität ausbricht. Man hört da im ersten Satz einen Kärntner Landler und Zitate aus einem Wiener Walzer.
Innerhalb einer 12-Ton-Reihe hat Berg im zweiten Satz auch einen Choral aus Bachs Kantate „O Ewigkeit, du Donnerwort“ eingebaut, der kunstvoll für die Holzbläser gesetzt wurde. Der Kreis schließt sich dann wieder mit Zitaten aus dem Landler usw.
Großartigst gespielt von der norwegischen Geigerin Vilde Frang, die neben einem wunderschönen Klang auch ihre Virtuosität demonstrieren konnte. Phantastisch, mit welcher Leichtigkeit sie die schwierigsten Doppelgriffe spielte und zeitweise gleichzeitig mit dem Bogenstrich noch die Pizzicati.
Currentzis machte aus dem Orchestersatz ein akustisches Erlebnis; hier bekam das Orchester direkt eine Hauptrolle. Wunderbar die äußerst wirkungsvollen Temporückungen.
Traurig der Anlass – aber aufgrund des russisch-ukrainischen Krieges fühlte man sich bei Schostakowitschs 8. Symphonie direkt in diese grausige Szene reinversetzt. Der russische Komponist hatte immer wieder mit dem Stalin-Regime zu kämpfen und schaffte es genial, in diesem fürchterlichen Umfeld auch künstlerisch zu überleben.
Diese viersätzige Symphonie, deren elegischer erster Satz schon fast eine halbe Stunde dauert, endet ebenso sehr elegisch – nämlich mit einem sanften Pianissimo in C-Dur. Diese Sätze rahmen zwei rasche Sätze ein, wo das Grauen des Krieges mitreißend vertont wurde.
Man kann sagen, dass Teodor Currentzis heute (neben Valery Gergiev) führend bei der Interpretation von Werken Schostakowitschs ist. Gemeinsam mit dem Orchester aus Stuttgart wurde demonstriert, was musikalisch alles möglich ist. Es wäre ungerecht, einzelne Musiker hervorzuheben; stellvertretend bestätigt das phantastische Englischhorn-Solo das Niveau des ganzen Ensembles.
Das SWR-Orchester hatte immer interessante Chefdirigenten wie Celibidache, Marriner, Norrington, Prêtre usw. Teodor Currentzis setzt diese Reihe nahtlos fort und man kann dem Orchester nur wünschen, dass der Maestro noch lange mit den Musikern arbeiten wird!
Herbert Hiess, 26. Januar 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin, Vilde Frang, Robin Ticciati, Elbphilharmonie Hamburg
NDR Elbphilharmonie Orchester, Vilde Frang, Antonio Méndez, Elbphilharmonie