„Così“ an der Royal Opera –
Blackout und Stimmenzauber

Wolfgang Amadeus Mozart, Così Fan Tutte,  The Royal Opera Covent Garden, 4. März 2019

Foto: Royal Opera House ©
The Royal Opera Covent Garden
, 4. März 2019
Wolfgang Amadeus Mozart, Così Fan Tutte ossia La Scuola degli Amanti

von Charles E. Ritterband

So hat man die „Così“ eher selten gesehen: Während der Ouvertüre – präzise, einfühlsam und nie dominant das Hausorchester unter Stefano Montanari – traten die sechs Protagonistinnen und Protagonisten in perfekter barocker Gewandung, gepudert und mit Perücken vor den Vorhang. Sie verbeugten sich, artiger Applaus des Publikums – und die sechs verschwanden hinter dem Vorhang.

© 2019 ROH. Photograph by Stephen Cummiskey

Dann kamen sie wieder, verbeugten sich nochmals – Gemurmel im Publikum. Dann das Ganze nochmals: Netter Regieeinfall, doch eigentlich eher störend. Denn jetzt machten sich zwei Paare in der Parterreloge auffällig bemerkbar, kletterten alsbald über die Brüstung und nahmen die Bühne, auf der sich inzwischen der Vorhang geöffnet hatte, in Beschlag: Sie waren, wie jetzt klar wurde, in modernen Anzügen und Kleidern, die eigentlichen Sänger und Akteure – das barocke Personal hatte sich zurückgezogen (und ward nie mehr gesehen).

So weit so originell. Nun konnte die Handlung ihren (gewohnten) Lauf nehmen und rasch wurde deutlich: Mit durchwegs außergewöhnlichen sängerischen Leistungen. Doch just während des ersten, äußerst anspruchsvollen Duetts „Ah guarda Sorella“ der beiden Schwestern, Firodiligi und Dorabella, geschah’s: Ein lauter, ja fast ohrenbetäubender Knall – und der gesamte Orchestergraben und der Großteil der Bühne lagen im Dunkeln. Tapfer sangen die beiden Damen auf der Bühne weiter ihr Duett, unbeirrt spielte das Orchester weiter, in völliger Dunkelheit – bis der Dirigent dann doch abklopfte. Ratlosigkeit und leichtes Amüsement bei den beiden Damen auf der Bühne, Verwirrung, Geflüster, dann Gelächter im Publikum. Man mochte bis jetzt an einen weiteren originellen Regieeinfall gedacht haben, bis auf der Bühne der schwarz gekleidete, mit allen technischen Paraphernalia seines Berufs behängte Chef der Bühnentechnik erschien und erklärte, das Problem sei beträchtlich und noch keineswegs erkannt. Man versuche, alle noch funktionierenden Scheinwerfer auf den Orchestergraben zu richten. Was irgendwie dann doch nicht gelang, und so wurde dem Publikum eine halbstündige Zwangspause verordnet, während der (ebenfalls ergebnislos) fieberhaft versucht wurde, den Schaden zu beheben.

Da die spärlich beleuchtete barocke Kulisse des 1. Akts ohne Strom nicht mehr vom Fleck kam, wurde entschieden, die Aufführung halb-szenisch weiterzuführen, was trotz aller Improvisation hinter den Kulissen so hervorragend gelang, als ob dies immer so konzipiert gewesen wäre. Hier ist noch ein Wort über das englische Publikum zu erwähnen, das dieses Fiasko mit viel Humor und Sportlichkeit, ja sympathischem Applaus statt mit Unwillen und Buhrufen (wie dies zweifellos in anderen Ländern der Fall gewesen wäre) quittierte. Ein Zuschauer aus dem Publikum rief dem Stage Manager spontan zu: „You are doing a great job!“

Was dann auf der Bühne konzertant gezeigt wurde, war stimmlich fast durchwegs brillant und zugleich humorvoll. Überragend die in Tiflis geborene Sopranistin Salome Jicia, bewährte Mozart-Interpretin und mehrfache internationale Preisträgerin. Ihre jugendliche Stimme trägt sie mit traumtänzerischer Leichtigkeit bis hin zu ihrer großen, überaus anspruchsvollen Arie „per pietà, ben mio“ im 2. Akt, deren sehnsuchtsvoll-schmachtenden Charakter sie ebenso einfühlsam wiedergab, wie sie die subtilen Crescendi, die zahlreichen Übergänge von pianissimo zu forte präzise, trittsicher und mit kaum zu übertreffendem Wohlklang meisterte.

Ihr Gegenstück, der in Palermo geborene Tenor Paolo Fanale (Ferrando), war dieser hervorragenden Sopranistin als Partner mit seinem geradezu typisch südländischen Schmelz völlig ebenbürtig – eine cremige und zugleich variationenreiche Stimme zum Verlieben (was Fiordiligi, von ihrem Ex naheliegenderweise als „Fordidiavolo“ beschimpft, denn prompt auch widerfuhr). Die Harmonie dieser beiden wunderbaren Stimmen erreichte erwartungsgemäß ihren glanzvollen Höhepunkt im berühmtesten Duett der „Così“, „Idol mio“ („Fra gli amplessi in pochi istanti“) aus dem 2. Akt, das mit einer Feinfühligkeit vorgetragen wurde, wie ich sie kaum zuvor auf einer Opernbühne vernehmen durfte. Sicher half auch, paradoxerweise, die Blackout-Panne: So konnten sich die Sänger unbeirrt auf das Gesangliche konzentrieren und das Schauspielerische entsprechend fast völlig beiseite lassen.

Das Pendant zu diesem überragenden Duett war der nicht weniger berückende Zweiklang zwischen dem transsylvanisch-ungarischen Bariton Gyula Orendt und der italienischen Mezzosopranistin Serena Malfi, der seinen absoluten Höhepunkt im wunderbaren Duett „Il coro vi dono“ ebenfalls aus dem 2. Akt fand – dessen gesangliche Subtilität in nichts dem erwähnten Duett des (neuen) Paares Fiordiligi-Ferrando nahestand.

Die auch aus Italien stammende Sopranistin Serena Gamberoni gab ihrer Despina all das augenzwinkernde Temperament, das man von dieser Figur erwartete. Mit ihrer maliziösen Schalkhaftigkeit setzte sie den Kontrapunkt zum Sentiment der beiden Liebespaare; ihre Arie „Una donna a quindici anni“ kam in genau der tänzerischen Leichtigkeit daher, die sich Mozart vermutlich gewünscht hätte.

Der Engländer Thomas Allen war zweifellos beim Publikum der Royal Opera der bekannteste Sänger dieser Produktion und einer der gefeierten Baritone Großbritanniens – eine Rückkehr auf diese Bühne erstmals knapp 50 Jahre nach seinem Debut in Covent Garden. Als „parlando“ Bariton konnte er allerdings stimmlich weit weniger glänzen als das übrige Personal auf der Bühne. Dafür leistete er sich im zwangsläufig verdunkelten Bühnenbild einen kleinen, Witz, der vom humor-affinen englischen Publikum mit einem hörbaren Schmunzeln und von den Sängerkollegen mit einem nur mühsam unterdrückten Lachanfall quittiert wurde: Er kam, sinnvollerweise, mit einer brennenden Taschenlampe aus der Kulisse. Die Engländer sind eben ein durch und durch pragmatisches Volk – und das kam bei dieser konzertant umdisponierten Aufführung sehr gut zum Ausdruck. Ob das im weiteren Drama um den Brexit ebenfalls so gut klappt, bleibt abzuwarten.

Charles E. Ritterband, 6. März 2019, für
klassik-begeistert.de

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