Szenenapplaus gleich an mehreren Stellen: Das Gärtnerplatztheater feiert eine neue Zauberflöte... eine lautstarke Ansage im Münchner Mozart-Derby!

Wolfgang Amadeus Mozart, Die Zauberflöte  Staatstheater am Gärtnerplatz, 22. Oktober 2023

Alina Wunderlin (Königin der Nacht), Matteo Ivan RAŠIĆ (Prinz Tamino) © Markus Tordik

Eine kraftvolle Königin der Nacht, ein allmächtig herrschender Sarastro und ein feines  Orchester: Musikalisch ist die neue Gärtnerplatztheater-Zauberflöte mehr als eine Ansage in der umkämpften Münchner Mozart-Szene. Das Publikum feiert auch Josef Köpplingers spaßige Inszenierung, ein voller Erfolg für die Gattung Singspiel! Hätte er mal Schikaneders Dichtkunst-Dialoge stehengelassen…

Die Zauberflöte
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart
Libretto von Emanuel Schikaneder

Staatstheater am Gärtnerplatz, 22. Oktober 2023

von Johannes Karl Fischer

Kraftvoll wie eine Kaiserin brilliert Alina Wunderlin in den himmlischen Höhen der Königin der Nacht, die Wut der Rachegötter lässt sie auf der Bühne kochen. Mit brennender Passion reißt sie Prinz Tamino unter ihren Schleier, während sie leidenschaftlich die Koloraturen auf und absegelt. Als würde sie die Triolen und Oktavarpeggi mit links am Klavier greifen!

Dass man eine Gesangsrolle auch singen können muss, hatte Mozart wohl vergessen. Doch dieser Sopranistin scheint die hammerschwerste aller Sopran-Partien regelrecht Spaß zu machen. Solche Stimmen sind an allen Ecken der Opernwelt eklatanten Mangelware! Dazu ihre drei in perfekter Harmonie singenden Damen, als würde eine einzige Solo-Sopranistin ihre Stimme in drei aufteilen!

Mit René Pape stand der nächtigen Königin ein allmächtiger Sonnenkreis-Konkurrent gegenüber. Ganz ehrlich: Ich hatte bedenken. Erst vor zwei Wochen hatte dieser Weltstar-Bass als Ramfis die allein schon räumlich um einiges größere Berliner Staatsoper ziemlich in Grund und Boden gesungen. Kann das auch am Gärtnerplatztheater gut gehen? Ja, und wie! Von Überrumplung keine Spur, wie ein Priester auf einem Altar herrscht er über seine Eingeweihten.

René Pape (Sarastro), Sophie Mitterhuber (Pamina), Chor des Staatstheaters am Gärtnerplatz © Markus Tordik

So war das auch zu Mozarts Zeiten, da mussten die Sänger ihre Brillanz in allen Räumen – groß, klein eckig, rund – entfalten! Seine Stimme trägt die Musik wie in einer Sänfte. Er braucht nicht zu röhren, nicht zu brüllen, er singt einfach. Vor den Pforten seines Tempels wirkte der stimmstarke Alexander Grassauer auch stimmlich wie ein Sprechrohr des Tyrannen und wurde seiner Rolle als Sprecher Sarastros mehr als gerecht.

Alexander Grassauer (Sprecher), Sophie Mitterhuber (Pamina), Matteo Ivan Rašić (Prinz Tamino), Eduard Wildner (Priester) © Markus Tordik

Bestens fand sich auch Daniel Gutmann in seiner Rolle als Papageno zurecht. Mit bunten Vogelfedern und spaßiger Stimme zog er über die Bühne, schmiss dabei wie ein Straßenclown Bonbons unter die Leute. Klingt ein bisschen abartig, aber das war ein Schikaneder-Vogelfänger par excellence! Und mit Julia Sturzlbaum stand ihm am Ende auch eine gesanglich mindestens ebenbürtige Papagena gegenüber.

Daniel Gutmann (Papageno) © Markus Tordik

Da konnte Lucian Krasznecs Tamino nicht ganz mithalten… leider.  Die Noten hat er blitzeblank sauber getroffen, auch an der Aussprache fehlte nix. Nur leider klang das alles etwas bemüht und dafür ein bisschen zu sehr ins Leere gelaufen… als würde er es den Wächtern vor Sarastros Tempel übermäßig leicht machen wollen. Einen Hauch von Müh’ ohne Zweck, vielleicht nicht ganz sein Fach. Gleiches galt für Sophie Mitterhubers Pamina: Musikalisch an sich makellos, aber so richtig konnte sie in die emotionalen Tiefen dieser Rolle nicht eintauchen. Sehr schön gesungen, nicht mehr und nicht weniger.

Für eine richtig dicke Überraschung sorgte allerdings das Gärtnerplatztheater-Orchester unter der Leitung von Rubén Dubrovsky. Flotte und federleichte Klänge tanzten durch den Graben, die Hörner rund, die Streicher fein. Süße Verzierungen schmückten die seidensanften Melodien, als würde der Komponist selbst am Flügel sitzen und seine geniale Improvisationskunst zu Kunde bringen. Ein musikalisch intimer Kammerklang, wie die Schlagsahne zu einer deftigen Sachertorte! Selten hat jemand so viel Mozart in der Zauberflöte gelassen.

Mit spaßigen Einfällen sorgte auch Josef Köpplingers Regie für viel Freude und Gelächter. Papageno kam auf einem mit Federn beschmückten Fluggerät über die Bühne gesegelt, die drei Knaben mussten ihres erst noch bauen. Szenenapplaus gleich an mehreren Stellen, das ist die höchste Krönung für eine Singspiel-Inszenierung! Die Diskussion um Taminos Tugend tönte aus allen Ecken des Saals, da musste Sarastro auf der Bühne mehrmals für Ordnung sorgen. Das Gärtnerplatztheater wird zum Forum Bavarium!

Leider ist die klassisch visuelle Regie nur die halbe Zauberflöten-Miete. Die andere Hälfte gehört den Dialogen. Was der Regie scheinbar egal war. Denn statt Schikaneders genial gedichteten Sprechtext auf die Bühne zu bringen, durfte die herausragende Besetzung – wenn überhaupt – nur eine stark zu Gunsten der modernen Umgangssprache umgedichteten Wortwiedergabe des Inhalts rezitieren. Klassische Papageno-Floskeln wie „Von Essen und Trinken, wie alle Menschen“ suchte man vergeblich, auch die zweiten und dritten Strophen einiger Arien schienen für die Regie verzichtbar. So nach dem Motto: „Mozarts Melodie ist komplett, des langt.“

Lieber Herr Köpplinger, es geht hier nicht um Inhalte, es geht um Schikaneder’sche Poeterei. Um Kunst. Bitte verachten Sie mir den Meister Schikaneder nicht! Und ehren Sie mir seine Kunst. Oder wollen Sie beim nächsten Mal auch den Ring umdichten? Weg mit „Wagalaweia!“? Bitte nicht!

Johannes Karl Fischer, 23. Oktober 2023 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Die Zauberflöte, Musik von Wolfgang Amadeus Mozart Staatsoper Hamburg, 16. Dezember 2022

Die Zauberflöte Wolfgang Amadeus Mozart Semperoper Dresden, ab 29. Oktober 2022

Wolfgang Amadeus Mozart, Die Zauberflöte Wiener Staatsoper, 7. September 2022

Die Zauberflöte, Wolfgang Amadeus Mozart Haus für Mozart, Salzburg, 30. Juli 2022

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