Wagner meisterhaft in der Elbphilharmonie

Richard Wagner, Die Walküre, Götterdämmerung, Christian Thielemann, Sächsische Staatskapelle Dresden, Anja Kampe, Stephen Gould, Georg Zeppenfeld,  Elbphilharmonie Hamburg

Foto: Claudia Höhne (c)
Richard Wagner, Die Walküre, Götterdämmerung (Auszüge)
Christian Thielemann, Sächsische Staatskapelle Dresden
Anja Kampe, Sopran
Stephen Gould, Tenor
Georg Zeppenfeld, Bass

von Ricarda Ott

Knapp einen Monat hat es gedauert – nun ist der große Saal der Elbphilharmonie auch mit einem Hauptprogramm „Wagner-geweiht“. Und wer wäre für diese Aufgabe besser geeignet als Christian Thielemann himself, derzeit wohl einer der besten Wagner-Spezialisten weltweit und Musikdirektor der Bayreuther Festspiele. Selbstverständlich lässt dieser sich nicht zweimal bitten – und so wartet er der Elbphilharmonie elbabwärts mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden auf, einem deutschen Orchester der internationalen Superlative!

Dass es nun von Anfang bis Ende ein Wagner-Abend werden würde, war zunächst so nicht geplant. Eigentlich sollte die Auftragskomposition von Sofia Gubaidulina, Der Zorn Gottes für großes Orchester, die erste Konzerthälfte bestücken. Krankheitsbedingt verzögerte sich die Fertigstellung und so entschied man sich dann kurzerhand für ein reines Wagner-Programm. Die Paraderolle schlechthin für den Dirigenten und seine Musiker, von denen auch einige jährlich im Sommer das Bayreuther Festspielorchester bereichern.

Aber – und das muss man den Veranstaltern hoch anrechnen – wurde da kein „Gala-Abend“ à la Vorspiel hierzu, Vorspiel dazu und zum Schluss noch ein Vorspiel präsentiert. Vor der Pause sangen die Starsolisten Anja Kampe, Stephen Gould und Georg Zeppenfeld konzertant den 1. Aufzug aus der „Walküre“; nach der Pause standen die instrumentalen Leckerbissen der Götterdämmerung auf dem Programm plus „Brünnhildes Schlussgesang“.

Das Resultat: ein gigantisches Konzert, musikalische Höchstleistung von allen Beteiligten und ein wahrer Genuss für alle Gäste im ausverkauften Saal. An dieser Aufführung hätte vermutlich noch nicht mal der kauzige Wagner etwas auszusetzen gehabt!

Zunächst allerdings begann das Konzert für klassik-begeistert nicht ganz optimal. Vielfach ist nun über den Großen Saal und die außergewöhnliche und umwerfende Akustik gesprochen worden. Zurecht, denn auf 70 Prozent der Plätze steht einem großartigen Konzerterlebnis auch nichts im Wege. Sitzt man allerdings in einem Konzert mit Sängerbeteiligung im 16. Rang hinter dem Orchester, etwa im Breich X, entgeht den eigenen Ohren das Wichtigste der Sängerstimmen. Wie hinter einer Glaswand sitzend, verlieren die Stimmen deutlich an Kraft, an Textverständlichkeit und Transparenz. Eine große Enttäuschung!

Trotzdem konnte klassik-begeistert.de schon vor der Pause sehen und hören, dass dort unten nicht nur ganz besondere Musiker spielten, sondern vor allem großartige Sänger standen. Anja Kampe präsentierte von Beginn an ihren frischen Sopran und eine große stimmliche Präsenz. Ihr Text allerdings war nur phasenweise zu verstehen von den schlechten Sitzplätzen. Stephen Gould, der den Siegmund sang, überzeugte mit Wohlklang und beeindruckendem Volumen: sekundenlang hielt er in vollstem Klang die Töne. Das war eindeutig seine Stärke, denn an Spritzigkeit und Frische fehlte es seiner Stimme ab und zu. Und dann der Dritte im Bunde: Georg Zeppenfeld, der gefeierte Gurnemanz im Bayreuther Parsifal 2016. Das ist eine grandiose Stimme, ein Bass von Flexibilität und Wärme geführt. Und selbst der Text war bei ihm problemlos in den hinteren Rängen zu verstehen.

Das Orchester ist von Anfang an die tragende Kraft. Die Solisten rauben dem Publikum teilweise den Atem: der schmelzende Nougat-Ton des Solo-Cellisten, butterweiche Klänge der Solo-Klarinette und Solo-Oboe: Das ist das Paradies für Klassik-Begeisterte.

Die letzten Töne waren noch nicht angestrichen, da brandete schon der erste Applaus auf. Viele Bravi-Rufe und stürmischer Applaus für die Solisten. klassik-begeistert.de nutzte die Pause erfolgreich und ergatterte einen der freigebliebenen Sitzplätze in den unteren Rängen. Was für ein Unterschied!

Ja, und diese zweite Hälfte war dann ein einziger Rausch. Schon beim „Tagesgrauen“ das erste wohlige Erschaudern, wenn das Blech klar und strahlend wie die Sonne durch den Morgennebel emporsteigt; wenn das ganze Orchester plätschert und strudelt und Siegfried mit seinem Kahn über den Rhein schippert. Diese Musik kreiert Bilder und Assoziationen, die tief berühren. Schöner können die Leitmotive nicht gespielt werden – jenes Musikmaterial nämlich, mit dem Wagner einen alle vier Werke überspannenden, dicht gewebten Teppich aus vertonter Symbolik und Emotion kreiert: Siegfrieds strahlendes Horn-Motiv, der Feuerzauber, das Liebes-Motiv. Als das ergreifende, feierliche Wallhall-Motiv erklang, blickte sich ein Paar im Publikum strahlend an und fasste sich bei den Händen. Da jagte ein Gänsehaut-Schauer den nächsten.

Siegfrieds Trauermarsch: da gibt wirklich jeder im Orchester alles, da sitzt jeder Einsatz, jeder bis ins Mark dringende Paukenschlag und Beckenknall. Schöner, reiner und sinnlicher kann diese stimulierende Musik kaum erklingen.

Zum Abschluss dann das große, monumentale Finale der Ring-Tetralogie: Anja Kampe als Brünnhilde, die, sich selbst opfernd, den Weltenbrand stiftet und somit das Ende der Götter begründet und der Welt ihre ursprüngliche Ordnung zurückgibt. Krachend und mit niederschmetternder Wucht stürzen die Götterhallen Walhall ein – Kampe sang diesen langen Monolog wirklich überzeugend. Voller Leidenschaft transportierte sie die unterschiedlichen Emotionen, die Brünnhilde an dieser zentralen Stelle durchdringen, bis man jenes Leid, jene Freude und Hoffnung am eigenen Körper spürte.

Da kann sich wahrlich ein jeder freuen, der bei den Osterfestspielen 2017 in Salzburg das Vergnügen hat, Kampe bei ihrem Debüt als Brünnhilde in „Die Walküre“ unter der Leitung von Christian Thielemann zu erleben. Da bekommt die Protagonistin dann auch den gebührenden Bühnenraum, denn konzertant ist das alles wunderbar, aber erst szenisch würde es, wie Wagner es nennen würde, zum „vollkommenen Gesamtkunstwerk“ werden.

Eine Paraderolle also für Thielemann und sein grandioses Orchester aus Dresden, dem Thielemann seit 2012 als Chefdirigent vorsteht. Und Thielemann bewies souverän und wie zu erwarten: Er kann es einfach. Er hat Wagners Musik durchschaut, er hat sie verinnerlicht und mit diesem Orchester bedeutet das: meisterliche Wagnerklänge!

Richarda Ott, 7. Februar 2017, für
für klassik-begeistert.de

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