Intermezzo © Monika Rittershaus
Tobias Kratzers Regie von Richard Strauss’ Intermezzo zeigt, wie kurzweilig die selten gespielte Strauss-Oper sein kann. Sänger, Dirigent und Orchester veredeln den Abend.
Richard Strauss
Intermezzo (1924)
Musikalische Leitung: Donald Runnicles
Inszenierung: Tobias Kratzer
Ausstattung: Rainer Sellmaier
Video: Jonas Dahl, Janic Bebi
Deutsche Oper Berlin, 13. März 2025
von Arthur Bertelsmann
Als Richard Strauss seine absolut mystische und kaum entschlüsselbare Frau ohne Schatten fertiggestellt hatte, schwebte ihm schon ein neues, völlig gegensätzliches Stück vor.
Eine „völlig realistische Charakterkomödie“ sollte es sein, doch Haus-Librettist Hofmannsthal lehnte ab und so schrieb Strauss das Seifenopern-Stück kurzerhand selbst.
Es ist eine Schlüsseloper: Das Drama um das Ehepaar Storch ist offenbar eine Parallele zur Beziehung des Komponisten und zu seiner Frau.
Nur wenige Opernhäuser haben Intermezzo im Repertoire – ein großes Versäumnis.
Denn Libretto und Partitur sind mit wunderbar spitzer Feder geschrieben. Ironisch übertrieben schäumt Strauss mit riesigem Orchester die Schmierenkomödie auf und setzt eine Spitze nach der anderen auf seine Frau und die gesamte Musikindustrie.
Dass die Oper so selten gespielt wird, ist erklärbar – sie hat inszenatorische Probleme.
Zum einen sind da die zwölf (!) Zwischenspiele dieser Oper, für die das Libretto überhaupt keine Regieanweisungen bereit hält. Zum anderen die unsägliche Schlussszene, in der sich das Storchpaar gefühlt dreimal trennt und viermal verträgt. Wie soll man das bitte auf die Bühne bringen?

Regisseur Tobias Kratzer weiß weiter – und wie:
Kratzer-typisch wird das Stück in die Gegenwart übertragen: Storch ist ein bejubelter Dirigent, der an der Deutschen Oper gastiert mit – natürlich! – Intermezzo.
Ehefrau Christine – ein unerträgliches Heimchen – langweilt sich derzeit zuhause.
Die Übertragung auf die Klassikszene erlaubt es Kratzer, in den Zwischensequenzen einfach eine Leinwand herunterzulassen und eine Liveaufnahme des Orchestergrabens zu zeigen. Klingt simpel, wertet jedoch die vor Leitmotiven wimmelnde Musik auf, plötzlich bekommt das brodelnde Chaos Struktur, wird verständlich.
Das liegt natürlich nicht nur an Kratzers Einfall, sondern auch an Donald Runnicles und seinem Orchester. Zu Beginn stolpern beide noch etwas durchs Stück, finden aber im Laufe des Abends mehr und mehr zusammen und sind spätestens im zweiten Akt in ausgezeichneter Form. Funkelnd und verzaubernd in den Zwischenspielen, polternd und brutal beim Gewitter im Wiener Prater.
Bereits zu Beginn stark hingegen die Sänger:
Robert Storch ist eine heikle Partie, da der arrogante Strauss dafür sorgte, dass er in Intermezzo noch am besten wegkommt, nur wenige Witze gehen auf seine Kosten.
Sänger Philipp Jekal durchschaut die Posse jedoch, sein Storch ist keineswegs nur ein schussliger, mit einer unerträglichen Frau gestrafter Künstler, sondern ein eitler und herablassender Patriarch, nie gibt es ein Gespräch auf Augenhöhe, weiß er doch um seine ihm nachgesagte Genialität.

Auch Maria Bengtsson gerät nicht in die Strauss’sche Falle und fügt der neureichen Nervensäge noch eine weitere, tragische Ebene hinzu. Anstatt die Rolle lediglich naiv und eitel anzulegen, packt Bengtsson eine authentische Schippe Melancholie drauf. Diese Christine Storch macht deutlich, dass sie neben Künstlergatten und Reichtum keine Freunde besitzt, keine Hobbys hat, ja selbst ihr eigener Sohn (Elliott Woodruff) liebt nur den Kapellmeister Storch. So ist es dann auch nur verständlich, dass Christine ein Auge auf den jungen Baron Lummer wirft. Doch dieser von Thomas Blondelle fabelhaft tumb gespielte und gesungene Lummer entpuppt sich als Windei und Schnorrer erster Güte. Christine bleibt nichts anderes übrig, als wieder zu ihrem Storch zu gehen.
Konsequenterweise tragisch endet dann auch dieses Intermezzo: Vater und Sohn Storch dirigieren das im Graben spielende Orchester, dazwischen Christine, wieder einmal alleine.
Arthur Bertelsmann, 14. März 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Besetzung:
Hofkapellmeister Robert Storch: Philipp Jekal
Christine Storch: Maria Bengtsson
Franzl, ihr kleiner Sohn: Elliot Woodruff
Anna, die Kammerjungfer: Anna Schoeck
Baron Lummer: Thomas Blondelle
Kapellmeister Stroh: Clemens Bieber
Richard Strauss, Arabella (1933) Deutsche Oper Berlin, 7. März 2025
Richard Strauss, Die Frau ohne Schatten Deutsche Oper Berlin, 30. Januar 2025