Anja Harteros: Die Stimme des Himmels in Berlin

Richard Wagner, Lohengrin, Klaus Florian Vogt, Anja Harteros,  Deutsche Oper Berlin

Foto: klassik-begeistert.de-Autor Yehya Alazem und Anja Harteros

Richard Wagner, Lohengrin
Deutsche Oper Berlin,
17. Dezember 2017
Steffen Aarfing
, Bühne/Kostüme
Claudia Gotta, Spielleitung
Klaus Florian Vogt, Lohengrin
Anja Harteros, Elsa
Petra Lang, Ortrud
Friedrich von Telramund, Simon Neal
Ain Anger, Heinrich der Vogler
Axel Kober, Dirigent

von Yehya Alazem

Zwei Engel kamen vom Himmel, um die Berliner zu bezaubern und sie dreieinhalb Stunden in Schönheit baden zu lassen. So einen himmlischen Gesang vermag sonst fast niemand auf dieser Erde zu bieten. Klaus Florian Vogt und Anja Harteros stehen im Moment auf der Spitze ihrer musikalischen Schaffenskraft. Können sie überhaupt noch besser werden?

Die beiden hatten im Mai dieses Jahres an der Bayerischen Staatsoper einen riesigen Erfolg in Richard Wagners „Tannhäuser“. Am Sonntagabend waren sie an der Deutschen Oper Berlin für den „Lohengrin“.

Als der Tenor Klaus Florian Vogt sich der Opernwelt als Wagnertenor präsentierte, war er höchst umstritten, und die Zweifel waren groß. Heute kann niemand den Lohengrin besser singen als er. Seine Stimme strahlt wie die Sonne. Die Klarheit, die Helligkeit und die Leichtigkeit in seinem Timbre schweben über dem Orchester und verzaubern den Saal. Diese Stimme ist einfach surrealistisch. Wie kann sie so mystisch und wunderschön klingen?

Vogts Stimme ist nun nicht nur schön, sie hat in der letzten Zeit mehr an dramatischer Kraft gewonnen (auch Dank der Rolle des Tannhäusers?). Der Schleswig-Holsteiner klingt nicht mehr so „knabig“, wie es manche am Anfang seiner Karriere empfanden. Nun überzeugt er im „Lohengrin“ in allen Szenen! Klaus Florian Vogt ist der Lohengrin unserer Zeit.

Und wer konnte eine bessere Elsa für Klaus Florian Vogt sein als Anja Harteros? Die Stimme des Himmels. Wie sie die Seele berührt, wie sie die Unschuldigkeit und Reinheit verkörpert, wie ihr in allen Lagen facettenreicher, brillanter Klang bezaubert und wie ihre Wärme die Temperatur im Saal erhöht, ist unfassbar. Das ist fast unmenschlich. Das ist göttlich.

Anja Harteros verkörpert eine emotionale, leidenschaftliche Elsa, die ihrem Erlöser alles gibt. Wenn sie „Elsas Traum“ singt, fragt der Zuhörer sich, ob er selbst träume. Wer eine Karte für den Bayreuther „Lohengrin“ nächstes Jahr hat, soll sich glücklich schätzen, weil Anja Harteros ihr Bayreuth-Debut gibt. Das kann nur großartig werden.

Petra Lang stellt eine überzeugende Ortrud dar, vor allem aus dramatischer Sicht. Sie verkörpert eine böse Figur, die von ihren schwarzen Künsten angetrieben wird. Gesanglich hat sie eigentlich eine passende Stimme für die schwere, dramatische Rolle, aber es fehlt ihr die Höhe. Da klingt sie zu angestrengt und fängt immer wieder an zwischen den Tönen zu schwanken.

Simon Neal überzeugt in seiner Darstellung des Telramunds. Er singt entschieden und kompromisslos und hat eine hervorragende Ausdruckskraft. Auch ihm fehlt die Höhe. Wenn er sich der oberen Grenze seiner Tessitur nähert, klingt er atemlos und unsicher.

Ain Anger gibt mit seinem hellen Bass einen wunderbaren König Heinrich und überzeugt mit eleganter Technik und langem Atem.

Von einem Dirigenten, der Wagner an großen Opernhäusern, sogar in Bayreuth, dirigiert hat, erwartet man viel mehr als das, was Axel Kober aus dem Orchester der Deutschen Oper hervorbringt. Im Vorspiel hat er noch Kontrolle über die Streicher, die wunderschön und kompakt klingen, aber wenn die Blechbläser hervortreten, klingt es zu bombastisch. Es gibt viele schöne Momente, aber oft fällt das Ganze auseinander. Der Chor der Deutschen Oper Berlin gefällt die ganze Vorstellung hindurch und sorgt für viele Gänsehautmomente; er übertönt sogar  das laute Orchester.

Dieser Abend wird den Zuschauern trotz einiger Enttäuschungen für immer in Erinnerung bleiben, denn die Gesangsleistungen von Klaus Florian Vogt und Anja Harteros waren nicht von dieser Welt.

Yehya Alazem, 19. Dezember 2017, für
klassik-begeistert.de

2 Gedanken zu „Richard Wagner, Lohengrin, Klaus Florian Vogt, Anja Harteros,
Deutsche Oper Berlin“

  1. Hi,
    ich stimme dieser Einschätzung zu. Nur leider vergessen Sie den Heerufer von Thomas Lehmann, diesem tollen Ensemblesänger, der derzeit einen tollen Grafen Almaviva in der „Hochzeit des Figaro“ von Wolfgang Amadeus Mozart singt.
    Uwe Mohrmann

  2. Dem Lohengrin in Bayreuth sehe ich mit größter Skepsis entgegen. Weder der eine noch der andere „derzeit beste Lohengrin“ stehen auf der Bühne, sondern ein Debutant, Roberto Alagna, dem ich bei aller sonstigen Wertschätzung den Lohengrin auf Bayreuth-Niveau nicht zutraue. Wäre schön, man würde eines Besseren belehrt…
    Waltraud Becker

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