CD-Besprechung:
Alina Błońska „Noche oscura“
DUX Recording Producers
von Jolanta Łada-Zielke
Mit Freude habe ich die Veröffentlichung des neuesten Albums von Alina Błońska „Noche oscura“ von DUX Recording Producers begrüßt. Die polnische Komponistin ist unseren Lesern bereits bekannt und in meinem Interview vom letzten Jahr kündigte sie das Erscheinen der CD bereits an.
„Noche oscura“ entstand dank internationaler Zusammenarbeit; das polnisch-spanische Musikensemble führte Alinas Werke auf, und der Ort der Aufnahme war die Kirche der deutschsprachigen Gemeinde in Madrid. Die polnische Komponistin lässt sich von der polnischen, spanischen und deutschen Kultur inspirieren.
„Noche oscura“ heißt „dunkle Nacht“, was auch das Wesen dieser Musik widerspiegelt. Sie ist kontemplativ, gekennzeichnet durch ein Minimum an Mitteln und ihrer Ausdruckstiefe.
Das erste Stück „Hacia la verdad como Quijotes“ (Zur Wahrheit, wie Quijotes) komponierte Alina zu dem Text des polnischen Dichters Cyprian Kamil Norwid „Epos nasza“ (Unser Epos) aus dem Jahr 1848. Das Gedicht wurde ins Spanische übersetzt und wir hören es in dieser Sprache deklamiert. Don Quijote ist hier das Alter Ego des Dichters selbst und Dulcinea – seine verlorene Heimat Polen.
Selbst der Anfang des Stücks klingt mysteriös. Die Klaviertöne fallen subtil wie Regentropfen. Die Cello-Partie steht im Gegensatz dazu, es gibt dort unruhige oder sogar stürmische Schwingungen und Glissandi, besonders an den Stellen, wo der Text vom Heldentum, Enthusiasmus und der Hingabe Don Quijotes erzählt.
Das Xylophon rundet das Ganze ab. Musikalische Stellen sind in dem auf Spanisch rezitierten Text eingewoben, jedoch sehr unregelmäßig, manchmal sogar inmitten eines Verses. Der Rezitator Enrique Sanchez-Ramos lässt perfekt die Emotionen spüren, die in Norwids Gedicht enthalten sind: Freude und Leidenschaft, Schmerz und Wut.
In diesem Stück gibt es ein „militärisches“ Fragment, in dem das Schlagzeug das Getrappel von Pferdehufen imitiert. In ähnlicher Weise illustriert die Komponistin den fünften Teil ihrer Kantate „Christ ist erstanden“ – „Ein feste Burg ist unser Gott“. Wir hören das Pizzicato des Cellos und der Viola da Gamba, dazu die sehr rhythmisch gesungene Partie des Baritons, und sogar die Orgel spielt sehr punktuell.
Ich habe die CD einer Chor-Mitsängerin gegeben, die Übersetzerin und Dolmetscherin aus dem Spanischen ist. Ihrer Meinung nach klingt das erste Stück wie ein Hörspiel, der Rezitator hat eine sehr angenehme Stimme und spricht schönes Hoch-Spanisch ohne erkennbaren regionalen Einschlag.
Dann kommt das Titelstück: „Noche oscura“ als die Vertonung des Gedichts des spanischen Mystikers und Dichters San Juan de la Cruz aus dem 16. Jahrhundert. Ich empfinde den Text als eine Zusammenfassung des biblischen Hoheslieds. Es erzählt von der Vereinigung der Seele mit Gott, welche nachts stattfindet. Die Nacht symbolisiert hier die Schwierigkeiten, die die Seele überwinden muss, um das Licht zu erreichen. Wer sich lieber mit einer rein literarischen Interpretation zufrieden gibt, mag den Text als nächtliches Treffen eines Liebespaares verstehen, für die hier die Dunkelheit ein Verbündeter ist.
In der musikalischen Ebene ist „Noche oscura“ ein Mezzosopran-Cello-Duo. Trotz der asketischen Besetzung vibriert das Cello unter dem Bogen von Mikolaj Konopelski in der tiefen Lage, was interessanterweise mit der dunklen Farbe der Stimme der Solistin Beatriz Oleaga korrespondiert. Ihre Stimme scheint aus der Dunkelheit aufzutauchen und dann in der Ferne zu verschwinden. Beim Hören dieses Werkes musste ich an Tristan und Isolde denken, weil die düstere Stimmung zu dieser Legende aus dem 7. Jahrhundert passt, obwohl St. Johannes vom Kreuz sein Gedicht tausend Jahre später verfasste.
Das nächste Stück ist die aus sieben Teilen bestehende Kantate „Christ ist erstanden“, komponiert zum 500. Jahrestag der Reformation und 2017 in Madrid zum ersten Mal aufgeführt. Ich bin von dem Satz „Christus wird unser Trost sein“ stark beeindruckt. Dies ist ein großartiges Duo von Sopran (Agnieszka Grzywacz) und Bariton (Enrique Sanchez-Ramos), ein melodisches Rezitativ aufführen. Die Baritonstimme ist dynamischer, die Sopranistin milder und sie bewegt sich in sehr hoher Lage. Das Werk ist wie ein Gespräch zwischen einem einfachen Sterblichen und einem Engel.
Am wenigsten gefällt mir „Auf Gott will hoffen ich“. Zwar nimmt die Sopranistin mit Leichtigkeit die hohen Töne und schattiert subtil die Stimme, die auch aus der Ferne zu kommen scheint. Allerdings gibt es zu viel wackeliges Vibrato darin, was die mystische Stimmung etwas trübt. Hier eignet sich, meiner Meinung nach, eine lineare Führung der Gesangsmelodie viel besser. Ein heftiges Vibrato klingt auf einem Barockcello oder der Viola Da Gamba interessant, aber nicht unbedingt bei der menschlichen Stimme.
Zum Abschluss erwartet uns noch etwas Besonderes, nämlich die Klavierminiatur „Dla Almy“ (Für Alma), die Alina vor der Geburt ihrer Tochter komponiert hat. Es ist eine Art impressionistisches Wiegenlied. Das Leitmotiv in den Halbtonpassagen wird auf und abwärts gespielt. Das Stück hat eine große Spannweite. Hohe Töne ähneln ebenso hier den Regentropfen. Die Pianistin Joanna Wielec lässt sie ganz ausklingen. Ein interessantes Verfahren ist das Wiederholen des gleichen Tons, als ob man sich fragt, wohin man die Melodie weiterführen soll.
Ich sehe hier eine gewisse Affinität zu Arvo Pärts „Für Alina“ (was für eine Übereinstimmung von Vornamen!). Er lässt die Töne auch ausklingen, aber sein Stück klingt gleichförmiger. Zwischen den Passagen gibt es einige sekundenlang Pausen.
Das neuste Album von Alina Błońska kann man sich nicht bei starkem Licht anhören. Man sollte eine richtige Stimmung erzeugen, sich beruhigen, bequem in einen Sessel fallen und sich auf 53 Minuten interessante ästhetische Erlebnisse einstellen. Wenn jemand gleichzeitig den Texten folgt, könnten sehr suggestive Bilder vor seinen Augen in der Fantasie vorbeiziehen. Die dunkle Jahreszeit dauert noch, vor allem im Norden Deutschlands, etwa zwei Monate, sodass uns das Album „Noche oscura“ bis zum Frühlingsanfang begleiten kann. Es ist keine leichte Musik zum Entspannen, aber sicherlich inspirierend.
Jolanta Łada-Zielke, 25. Januar 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.de
Hier finden Sie das Interview mit der Komponistin:
Frauenklang 3, Interview mit der polnischen Komponistin Alina Błońska klassik-begeistert.de
Frauenklang 6: Joana Mallwitz – kompetent und voller Elan am Dirigentenpult