Nach einem krönenden Klavierkonzert den Abend mit Swing-Feeling ausklingen lassen... Kann man das nicht immer so machen? 

Münchner Philharmoniker, Rafael Payare, Dirigent, Kyōhei Sorita, Jano Lisboa, Michael Hell  Isarphilharmonie München, 22. März 2023

Fotos: KONZERTFOTOS RAFAEL PAYARE, KYOHEI SORITA, MICHAEL HELL, JANO LISBOA © Tobias Hase / mphil

Es grenzt jedes Mal an ein Wunder, wenn ein Pianist aus diesem eigentlich flach klingenden Instrument so ein farbenfrohes Klangspektrum holt. Wenn lang gezogene Melodien, breiter als die unendliche Leere des russischen Hinterlandes, auf ein sprungvolles Finale stoßen. Und am laufenden Meter gebrochene Arpeggio-Akkorde wie akrobatisch geführte Harfenglissandi über die Tastatur auf und ab schweben. Diesen kräftigen Klassik-Abend dann mit Weill und Gershwin ausklingen lassen… Kann man das nicht immer so machen?

Isarphilharmonie München, 22. März 2023

Münchner Philharmoniker
Rafael Payare, Dirigent

Kyōhei Sorita, Klavier
Jano Lisboa, Viola
Michael Hell, Violoncello

Werke von Sofia Gubaidulina, Sergej Rachmaninow und Richard Strauss

Im Anschluss: Nach(t)Klang mit dem Ensemble »MPhil Jazz«

von Johannes Karl Fischer

Pianist Kyōhei Soritas pianistische Klaviermagie ist die Sternstunde des Abends. Seine Tasten klingen wie ein zweites Orchester, viel bunter und differenzierter als viele Dirigenten aus einem Komplex an fünfzig verschiedenen Instrumenten rausholen. Wie ein Engelchor schwebt sein Flügel über dem Bühne. Aus den dunklen Tiefen der Rachmaninow’schen Schaffenskrise hinaus in die große weite Weltkarriere: Man spürt in jedem Moment die innerlichsten Emotionen des großen russischen Komponisten. Ein feuriger Applaus krönt den jungen Japaner zum Sieger des Abends.

Wäre es ein Klavierabend und dieser Applaus das donnernde Finale, ich würde diesen Stunden sofort die höchste aller Auszeichnungen geben. Doch leider können die Münchner Philharmoniker, eigentlich die Hauptspeise des Abendmahls, da nicht ganz mithalten.

Schon Sofia Gubaidulinas musikalisches Märchenpoem gelingt dem Bayerische Spitzenorchester eher oberflächlich und nicht sehr erzählerisch. Die tatarische Ausnahmekomponistin hat hier ein wunderbares Tongedicht geschaffen… nur gehören zur Poesie eben nicht nur Worte und zu dieser Musik nicht nur Noten. Rafael Payares leicht hektisches Dirigat scheint das märchenhaft Mysteriöse eher fortzutreiben als herbeizuzaubern.

Doch dann, nach der Pause, schaffen diese gut 100 MusikerInnen eine Wende um mindestens hundertachtzig Grad. Don Quixote von Richard Strauss, einer der herausforderndsten Werke der Orchesterliteratur. Der große Held kämpft gegen die Windmühlen, hier getragen von saftigen Streichern und feingeschliffenen Bläserklängen. Triumphale Trompeten füllen den Saal.

Dirigent: Rafael Payare © Tobias Hase / mphil

Und plötzlich findet auch der Chef am Pult seine Flamme in dieser Musik. Aus hektisch wird humorvoll, mit neuer Energie begeistert er das Publikum für dieses zeitlose Meisterwerke. Richard Strauss soll dem Schaum auf den Bierkrug komponiert haben können. Hier wird, wie in einer feinen Hofzuckerbäckerei, das köstliche Klangkunstwerk einer genussvollen Geburtstagstorte herbeigezaubert. Ein Klang so süß wie am himmlischen Ende des Rosenkavaliers steht in der Isarphilharmonie.

Und Don Quixote wäre nicht Don Quixote ohne die beiden Hammer-Solopartien. Jano Lisboas Bratschensolo jongliert den Humor des charaktervollen Werkes so spielvoll, als wäre es eine Oper. Alles natürlich in bester Strauss’scher Manier, mit a’ bisserl wienerischem Feingespür. Dem setzten die tiefen, dunklen Klänge von Michael Hells Cello-Solo einen kraftvollen Kontrapunkt entgegen. Auch die kämpferische Seite des Helden darf nicht fehlen.

Violoncello: Michael Hell © Tobias Hase / mphil

Doch mit diesem fulminanten Strauss ist der Abend noch nicht zu Ende. Im industriell geprägten Foyer der Isarphilharmonie beschallen einige Philharmoniker die Ohren der zur U-Bahn rennenden Konzertgäste. Nach dem Konzert ist vor dem Konzert. Das zweite ist übrigens kostenfrei.

Münchner Philharmoniker – mphil, Isarphilharmonie / München, 22.03.2023 © Tobias Hase / mphil

Knapp eine Stunde dauert die zweite Musikveranstaltung des Abends – Nach(t)Klang genannt. Gespielt wird – Jazz! Was für ein perfekter Ausklang nach einem so kräftigem Klassik-Abend! Noch nie habe ich ein Strauss-Publikum dermaßen entspannt Musik hören sehen. Mitschwingen, mitwippen, den Groove eines Gershwins oder Weills einsaugen. Concerttime, and the livin’ is easy… Kann man das nicht nach jedem Konzert machen? Ein bisschen Swing-Feeling nach einem wundervoll erschlagenden Mahler-Abend… nur Mal so als Idee.

Johannes Karl Fischer, 25. März 2023 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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