Foto: Arno Declair (c)
Die Zauberflöte, Wolfgang Amadeus Mozart
Hamburgische Staatsoper, 10. Mai 2018
von Sarah Schnoor
Die Zauberflöte – Mozarts wohl berühmtestes Werk und die weltweit meistgespielte Oper. Kindheitserinnerungen kommen auf und trotz des verwirrenden Librettos bleibt es eine Oper zum Träumen, ein Märchen mit vielen Ideen und wunderschöner Musik.
Gezaubert wurde jedoch wenig an diesem Abend. Bereits die ersten Orchestereinsätze sind nicht zusammen und unsauber. Solistisch spielen viele Instrumentalisten (Oboe und Flöte) wirklich gut, zusammen scheint es nicht zu funktionieren. Auch die kammermusikalischen Momente sind sowohl im Holz als auch in den Streichern von Intonationsproblemen bestimmt. Naganos Tempi sind fast immer zu langsam und stellenweise plötzlich zu schnell, sodass auch viele Sänger verwirrt scheinen. Er findet keinen richtigen Spannungsbogen, was besonders durch das Ausbleiben von Zwischenapplaus deutlich wird.
Mozarts Musik kleckert so dahin. Besonders die Drei Damen bekommen kaum Anleitung und singen immer versetzt zum Orchester. Eine Sängerin fällt nicht zum ersten Mal trotz kleiner Rolle sehr auf. Der Mezzosopran von Nadezhda Karyazina (zweite Dame) strahlt mit großer Kraft in den Raum, und auch wenn sie sich gut mit den anderen Damen (Iulia Maria Dan, Ruzana Grigorian) mischt, will man sie gern mehr solistisch und in größeren Partien hören.
Auch das Trio im zweiten Akt von Pamina, Sarastro und Tamino bricht völlig auseinander. Zum Glück bekommen die drei Knaben ein sehr deutliches Dirigat und haben sich auch im Vergleich zu 2016 (es sind noch dieselben drei) sängerisch sehr gesteigert.
Zak Kariithi, der an diesem Abend der einzig wirkliche Schauspieler auf der Bühne ist, unterhält das Publikum mit einem durch und durch gut gesungenen, lustigen Papageno. Seine Sprache ist verständlich, sein Bariton offen und angenehm. Gekonnt musiziert er mit dem Orchester und witzelt mit den Frauen im Publikum, bis er seine Papagena (Narea Son) findet.
Die Besetzung besteht größtenteils aus ehemaligen oder jetzigen Ensemble- oder Opernstudiomitgliedern. Die junge Ukrainerin Olga Kulchynska stieß recht kurzfristig zu dieser Produktion und sang eine wunderbare Pamina. Ihre jugendliche und doch sehr große, schimmernde Stimme füllte den Raum. Nur ihre höchsten Töne sind noch etwas wenig offen und rund. Mit dieser großen und trotzdem beweglichen Stimme kann die noch junge Sängerin noch weit kommen.
Dagegen hört man bereits nach den ersten Tönen, dass die Königin der Nacht nicht die Paraderolle der australische Sopranistin Jessica Pratt ist. Sie wirkt unsicher und die Stimme unkontrolliert. Manchmal macht sie auf, und dann hört man eine sehr große Sopranistin. Die meiste Zeit aber bleibt sie leider unsauber und hinter dem Orchester versteckt. Der ausdrucksstarke Abschluss ihrer zweiten Arie „Hört, Rachegötter, hört der Mutter Schwur!“ lässt jedoch Gänsehaut aufkommen, und man ahnt, was sie in anderen Rollen leisten könnte.
Die Konstante der Inszenierung ist der darstellerisch eher wenig bewegliche Dovlet Nurgeldiyev. Er hat einen sehr schönen, immer mehr ins legato gehenden Tenor. Die Stimme ist etwas zu klein für einen Tamino, aber äußerst galant und wohlklingend. Auch Wilhelm Schwinghammer ist nicht die ideale Besetzung für einen Sarastro, der inszenierungsbedingt vom Graben aus singen muss. Er hat eine unglaublich schöne Stimme – warm, rund und mit leichtem Vibrato, aber ihr fehlt die durchschlagende Tiefe, das Sonore. „In diesen heil‘gen Hallen“ habe ich trotzdem nie zuvor in einem solch fließenden Legato gehört.
Viele der Sänger an diesem Abend haben schöne Stimmen, scheinen mir allerdings fehlbesetzt. Dies gilt auch für die Theaterregisseurin Jette Steckel. Die Inszenierung hat wenig spezifische Aussagekraft und erzeugt durchaus dramaturgische Probleme. Allerdings schafft Jette Steckel es durch das Lichtspiel, die Musik mit verschiedenen Atmosphären zu untermalen. Sehr gegen die Musik und die Oper an sich arbeitet sie hingegen, indem sie die Königin der Nacht und Sarastro vom Graben aus singen lässt. Zwar sieht man Umrisse der Sänger über Videoprojektionen auf der Bühne, aber die vollen Stimmen werden dadurch matter und vom Orchester verschluckt.
Nach mehrfachem Schauen dieser Inszenierung bleibt es amüsant, dass Besucher immer noch glauben, der zur Ouvertüre von Tamino gespielte Herzinfarkt sei echt. Die Idee des Lebensrückblicks ist allerdings wenig fruchtbar und das erneute Erscheinen des Tamino im Publikum am Schluss der Oper ergibt wenig Sinn, schließlich ging er zuvor mit seiner Pamina in das helle Licht, das Ende ihres Lebens.
Musikalisch wird der Wunsch nach einem besser zusammenspielenden Orchester mit einer passenderen Leitung in einer so großen und kulturreichen Stadt wie Hamburg mit jeder besuchten Opernvorstellung immer stärker. Aus allen Beteiligten hätte viel mehr herausgeholt werden können. Das Publikum ist jedoch größtenteils zufrieden und bejubelt besonders Jessica Pratt (Königin der Nacht), Olga Kulchynska (Pamina) und Kent Nagano mit dem Philharmonischen Staatsorchester Hamburg. Man merkt, Mozarts großartige Musik wirkt auch bei einer solchen Aufführung.
Sarah Schnoor, 11. Mai 2018,
für klassik-begeistert.de
Musikalische Leitung, Kent Nagano
Inszenierung, Jette Steckel
Tamino, Dovlet Nurgeldiyev
Pamina, Olga Kulchynska
Königin der Nacht, Jessica Pratt
Papageno, Zak Kariithi
Sarastro, Wilhelm Schwinghammer
Monostatos, Peter Galliard
Sprecher, Alin Anca
Priester, Sergei Ababkin
Erste Dame, Iulia Maria Dan
Zweite Dame, Nadezhda Karyazina
Dritte Dame, Ruzana Grigorian
Papagena, Narea Son
Zweiter Geharnischter, Denis Velev
Erster Geharnischter, Jürgen Sacher
Drei Knaben: Solisten des Knabenchores Chorakademie Dortmund
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Chor der Hamburgischen Staatsoper