Der Besuch der aktuellen Serie von Puccinis Il Trittico an der Hamburgischen Staatsoper ist wegen der gelungenen Inszenierung und der musikalischen Güte der Aufführung unbedingt zu empfehlen

Giacomo Puccini: Il Trittico  Staatsoper Hamburg, 26. Januar 2024

Elbenita Kajtazi (Lauretta, Un’amante, Suor Genovieffa), Katja Pieweck (Zita, Frugola, La Zia Principessa), Lucas Meachem (Gianni Schicchi, Michele), Selene Zanetti (Giorgetta, Suor Angelica, „Chiara de Tanti“), Alexander Joel (musikalische Leitung), Stefano La Colla (Luigi) (Foto RW)

Das Publikum war von der Aufführung begeistert und bejubelte vor allem Selene Zanetti, Lucas Meachem und Elbenita Kajtazi, aber ebenso die anderen Beteiligten. Dazu zählte auch eine fabelhafte Leistung der Musiker des Philharmonischen Staatsorchesters unter der Leitung des Puccini-versierten Dirigenten Alexander Joel.

Ein Besuch dieser Aufführungsserie ist unbedingt zu empfehlen und es gibt noch genügend Karten für Dienstag, den 30. Januar sowie für Donnerstag, den 1. Februar.

Giacomo Puccini: Il Trittico

Gianni Schicchi, Il Tabarro, Suor Angelica

Inszenierung: Axel Ranisch
Bühne, Video und Projektionen: Falko Herold; Kostüme: Alfred Mayerhofer

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg,
musikalische Leitung: Alexander Joel

Staatsoper Hamburg, 26. Januar 2024

von Dr. Ralf Wegner

Il Trittico, übersetzt mit Das Triptychon, lockt vom Titel her eigentlich kaum ins Haus. Das ist bei Opern wie Carmen, Tosca oder Aida natürlich anders. Von daher ist es unter den gegebenen Umständen eines immer noch nicht angezogenen Opernbesuchs schon erstaunlich, wie viele Zuschauer das Haus an der Dammtorstraße füllten. Und viel junges Publikum war zugegen, was ja durchaus erfreulich ist.

Ich hatte die Inszenierung von Axel Ranisch bereits vor zehn Monaten kurz nach der Premiere gesehen und hier besprochen. Nach wie vor überzeugten Bühnenbilder und Inszenierung, während die vor und zwischen den Stücken eingespielten Videoschnipsel ob ihrer Länge von insgesamt gefühlt 30 Minuten bereits nervten (mit RTL-ähnlichen Kommentaren mehr oder weniger prominenter Künstlerinnen und Künstler zum Tode einer gewissen Chiara de Tanti). Abgesehen davon war die szenische Umsetzung der Puccini-Einakter auf der Bühne mustergültig.

Es beginnt mit Gianni Schicchi, einer Erbschleicherkomödie, geht ohne Pause (sofern man von den Videoeinspielungen absieht) in Il Tabarro, einem Eifersuchtsdrama auf einem Pariser Lastkan, über und endete nach der Pause mit der anrührenden Geschichte der Nonne Angelica, die von ihrer fürstlichen Tante erfährt, dass der ihr vorenthaltene (uneheliche) Sohn bereits verstorben sei, und die sich anschließend suizidiert.

Das Inszenierungsteam hatte sich dazu eine passende Rahmenhandlung ausgedacht: Mit Puccinis Triptychon werden bedeutende Ausschnitte aus dem Leben der fiktiven Schauspielerin Chiara de Tanti, die den Tod ihres 16-jährigen Sohnes nicht verarbeitete und sich mit Mitte 40 das Leben nahm, gezeigt. Die drei Einakter werden in einem fiktiven Filmstudio nachgestellt, begleitet von einem Kamerateam.

Gianni Schicchi passt nicht ganz in dieses Schema, denn das Stück bietet keine Rolle für eine lyrisch-dramatische Sopranistin wie Selene Zanetti. Immerhin sah man die Sängerin oberhalb der Wohnräume des verstorbenen Buoso Donati an einem Schminktisch sitzen. Während der mit den genannten Videoeinspielungen überbrückten Pause fuhr das sehr realistische Bühnenbild nach unten und gab einer impressionistisch, wie von Monet gemalten Pariser Hafenlandschaft mit nur zu erahnendem großen Kran und einem Wohngebäude im Hintergrund Platz, dominiert von einer eher kleinen roten, im Laufe des Stücks untergehenden Sonne, allerdings nicht farbig wie bei Monet, sondern mehr grau in grau, der Stimmung des Puccini-Dramas entsprechend.

Claude Monet, Sonnenaufgang, 1872, Öl auf Leinwand, 48 x 63 cm, Museum Marmottan Monet, Paris (gemeinfreies Foto)

Suor Angelica spielt im Filmstudio. Gezeigt wird anfangs eine Probe des Stücks. Vor dem Erscheinen der Fürstin senkte sich ein Vorhang mit projiziertem Studioeingang und gibt danach Raum für einen Friedhof mit dem kaum noch erkennbaren Hintergrundbild aus Il Tabarro. Angelica nimmt Gift und kann endlich mit ihrem verstorbenen sechsjährigen Sohn kommunizieren; zudem verwandelt sie sich in Chiara, die ihren 16jährigen Sohn in die Arme nehmen darf.

Axel Ranisch führt hier beide Rollen zusammen, jene von Suor Angelica und jene der fiktiven Chiara de Tanti. Während Angelicas Schlussmonolog zieht das gesamte bisher aufgetretene Ensemble, schwarz gekleidet, an das Grab von Chiara und legt dort weiße Rosen nieder. Ein beeindruckendes und emotional ergreifendes Ende eines zudem hervorragend gespielten und gesungenen Puccinischen Dreiakters.

Il Trittico, Hamburgische Staatsoper: Oben links Gianni Schicchi (Foto: Brinkhoff/Mögenburg), rechts oben und links Mitte Il Tabarro (Videostills YouTube), rechts Mitte und unten Suor Angelica (Videstills YouTube)

Selene Zanetti, die hier bereits im März 2023 als Amelia in Verdis Simon Boccanegra einen großen Erfolg feiern konnte, sang die in ihrer Ehe unglückliche Giorgetta (Il Tabarro) und Suor Angelica. Das noch Ariose von Verdi tritt bei diesen Puccini-Rollen allerdings zurück und lässt nur zeitweise lyrischen, vor allem aber dramatischen Gesang bei opulentem, schallstarken Orchesterklang zu. Zanetti lag mit ihrer Stimme immer voll über dem Orchester und gestaltete ihre Rollen intensiv.

Ihr Partner, der Lastkahneigner Michele, war Lucas Meachem, der schon als Gianni Schicchi mit seinem prächtigen, schallstarken Bariton für sich eingenommen hatte. Der Tenor Stefano La Colla, der vor zwei Tagen noch als Pinkerton einsprang, bot ihm stimmlich Paroli, ließ sich aber als Luigi leider ohne wirkliche Gegenwehr von Michele erdrosseln. Warum Giorgetta seinen Tod so auf die leichte Schulter nahm und mit ihrem bereits gepackten Bündel Michele verließ, blieb unklar. Es war wohl nur die Angst, ihrem eifersüchtigen Mann selbst  unter die Hände zu fallen.

Lauretta war mit Elbenita Kajtazi besetzt, weiterhin sang sie den kurzen Sopranpart Un’Amante in Il Tabarro sowie Suor Genovieffa in Suor Angelica. Ich hätte sie gern stattdessen als Suor Angelica gehört und eine unglaubliche, auch stimmlich sensible Interpretation dieser Rolle erwartet. Die dramatischen Anforderungen an diese Partie sind aber wahrscheinlich so hoch, dass Kajtazis Stimme derzeit daran Schaden nehmen könnte.

Jedenfalls machte sie aus der kleinen Arie der Lauretta (O mio babbino caro) ein kleines Wunder, nicht des akademischen Schöngesangs, sondern der gesanglichen Interpretation einer Tochter, die weiß, wie sie ihren Vater (und das Publikum) um den Finger wickeln kann. Als ihr Liebhaber Rinuccio sprang für Oleksiy Palchykov der junge mexikanische Tenor Eleazar Rodríguez ein, dessen allgemein gelobte Schönheit der Stimme ich wegen der nicht sehr großen Rolle in Gianni Schicchi noch nicht zu bewerten wage.

Eine tragende Rolle oblag Katja Pieweck, die als Zita, Frugola und Zia Principessa besetzt war. Die spielfreudige, von der Ausstrahlung her sofort für sich einnehmende, erst kürzlich als herausragende Eboli in Verdis Don Carlos aufgetretene Mezzosopranistin hatte einen großen Auftritt als nach Außen gefühlloses fürstliches Familienoberhaupt. In der Interpretation von Pieweck war sie wohl von dem Leid ihrer Nichte berührt, ließ sich aber nicht von ihr berühren. Hellen Kwon zeigte als Nella in Gianni Schicchi sowie als Schwester Eiferin in Suor Angelica ihr schauspielerisches Talent und eine Stimmqualität, die einen dankbar an ihre großen Rollen von Blonde bis Cio-Cio-San zurückdenken ließ. Von den vielen weiteren Mitwirkenden sei nur noch beispielhaft Tigran Martirossian erwähnt, der in Gianni Schicchi den ehemaligen Bürgermeister Simone und in Il Tabarro den Talpa sang.

Das Publikum war von der Aufführung begeistert und bejubelte vor allem Selene Zanetti, Lucas Meachem und Elbenita Kajtazi, aber auch die anderen Beteiligten. Dazu zählte eine fabelhafte Leistung der Musiker des Philharmonischen Staatsorchesters unter der Leitung des Puccini-versierten Dirigenten Alexander Joel.

Ein Besuch dieser Aufführungsserie ist unbedingt zu empfehlen und es gibt noch genügend Karten für Dienstag, den 30. Januar sowie für Donnerstag, den 1. Februar.

Dr. Ralf Wegner, 27. Januar 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Giacomo Puccini, Il Trittico Deutsche Oper Berlin, 14. Dezember 2023

Giacomo Puccini, Il Trittico, Wiener Staatsoper, 4. Oktober 2023, Premiere

Italienische Opernwochen 2023, Giacomo Puccini „Il trittico“ Staatsoper Hamburg, 31. März 2023

Giacomo Puccini, Il trittico, Premiere Staatsoper Hamburg, 15. März 2023 PREMIERE

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