Musik lebt von Beziehungen

CD-Rezension: Eva Zalenga und Doriana Tchakarova, In Relations  klassik-begeistert.de, 27. Januar 2024

Foto © Laura Zalenga

CD-Rezension:

„In Relations“
von Eva Zalenga und Doriana Tchakarova

Erschienen bei hänssler CLASSIC, Januar 2024

von Lorenz Kerscher

Vor wenigen Tagen habe ich die deutsche Sopranistin Eva Zalenga als Rising Star vorgestellt, deren Beziehung zum Gesang schon in Kindheitstagen entstanden ist. Wie gut sie auch versteht, mit dem Publikum in Kontakt zu treten, hat sie schon in einigen großen Opernrollen gezeigt und im vergangenen Jahr mit dem von den Zuhörern vergebenen Emmerich-Smola-Förderpreis nachgewiesen. Nun verdient ihr soeben erschienenes Debütalbum „In Relations“ noch eine eingehende Würdigung.

Neben ihrer Tätigkeit an der Oper, u.a. im Engagement am Theater Regensburg, widmete sie sich in den letzten Jahren intensiv dem klassischen Lied. Für ihre Entwicklung in diesem Genre fand sie in Doriana Tchakarova die bestmögliche Unterstützung. Kaum jemand fördert junge Talente mit so viel Elan und Erfahrung, wie diese exzellente Pianistin, die auch beruflich als Dozentin für Liedgestaltung tätig ist. Sie kennt genau richtigen Weg, um das Ideal der musikalischen Verschmelzung von Stimme und Klavierpart zu erreichen. Und nach den Aufnahmen für ihre CD waren sich beide sicher, dass ihnen das gelungen ist, und wollten das auch im Cover zum Ausdruck bringen. Es geht dem Titel nach um in Liedern besungene Liebesbeziehungen, doch das Ergebnis zeigt, dass auch Sängerin und Pianistin eine sehr fruchtbare künstlerische Beziehung eingegangen sind.

Eingespielt wurden deutschsprachige Lieder der Romantik, darunter auch seltener aufgeführte Juwelen. So ist beispielsweise wenig bekannt, dass der als Pionier der französischen Grand Opéra geltende Giacomo Meyerbeer aus Deutschland stammte, wo er zunächst auch wirkte. Am Beginn des Albums steht nun seine Vertonung von Heinrich Heines Gedicht vom schönen Fischermädchen, die im Vergleich zu Schuberts bekannter Version mit drei zusätzlichen Strophen überrascht und eher auf ein heiteres Liebesabenteuer hindeutet. Auch zwei weitere schwärmerische Lieder dieses Komponisten kommen ohne den Ballast romantischer Schwermut aus und leben vom Zauber feiner Detailzeichnung in lichter Klarheit, den Eva Zalengas Gesangskunst wachzurufen versteht.

Doch auch die Seelennot von Gretchen am Spinnrad und die Stimmungswechsel der verliebten, ihr Temperament kaum noch zügelnden Schäferin bringt sie in den Vertonungen von Carl Loewe sehr überzeugend zum Ausdruck. Und spätestens bei dem folgenden wilden Hexenlied, einem Bravourstück Mendelssohns, wird angesichts des fulminanten Tempos klar, dass sie in Doriana Tchakarova eine hochkarätige Klavierpartnerin hat, die immer präzise mitgeht und mitgestaltet. So gelingt die vielbeschworene Verschmelzung von Gesangs- und Klavierpart wie in einer symbiotischen Beziehung.

© Laura Zalenga

Zwei folgenden Liedern der Suleika hat Mendelssohn einen sehr unterschiedlichen Charakter gegeben, zunächst freudige Erwartung, in der die Stimme in charmanten Melodiebögen schweben kann, dann das schwermütige Leid der Trennung, wenigstens noch mit hoffnungsvollem Abschluss. Es folgt noch von demselben Komponisten „Die Nonne“, die nur im Tod Erfüllung ihrer Liebessehnsucht finden kann. Den volksliedhaften Charakter herauszustellen, ist hier eine gute Lösung, um das düstere Lied auch mit hellem Timbre überzeugend darbieten zu können.

Die Gegenüberstellung von ebenfalls vier Liedern des zur gleichen Zeit wirkenden Robert Schumann lässt einen Tonschöpfer von ganz anderem, eher versonnenem und verträumtem Wesen in Erscheinung treten. Bei ihm drückte der Gesang feinfühlig aus, was der Text sagt, und der überaus eigenständige Klavierpart setzt ergänzende Impulse. Nun kommt das bereichernde Miteinander von Sängerin und Pianistin ganz besonders zum Tragen. Sehr detailreich zeichnen beide gemeinsam die unterschiedlichen Stimmungen, etwa die fröhliche Haltung in „Aufträge“ und die Schwermut in „Die letzten Blumen starben“. Darauf folgend werden zwei einfacher gehaltene Lieder von Emilie Mayer mit Grazie dargeboten.

Immer mehr wächst die Freude darüber, wie die romantischen Lieder in ihren wechselnden Stimmungen dank präziser Artikulation, sauberer Intonation und textgerechter Phrasierung klare Konturen annehmen. Carl Loewes „Schneeflocke“ bietet nun der Sängerin die Möglichkeit, ihre schwerelosen Koloraturen zur Klangmalerei zu nutzen, während die Pianistin die Gesangslinien zart und geläufig umspielt.

Ebenso überzeugend gelingt in „Ihr Spaziergang“ die Verbindung der volksliedhaften Gesangslinie mit der Klangmalerei des Klavierparts. Mit Frances Allitsen (1848-1912) wird dann in drei Liedern nach Heinrich Heine eine wenig bekannte englische Komponistin vorgestellt. Diese Kompositionen sind auf Kontrast angelegt, so dass sie Eva Zalenga Möglichkeiten zum dramatischen Auftrumpfen geben und damit daran erinnern, dass sie auch auf der Opernbühne zu Hause ist.

Mit den abschließenden Liedern „Ich sende einen Gruß wie Duft der Rosen“ und „Singet nicht in Trauertönen“ von Robert Schumann wendet sich das Programm wieder hin zur Heiterkeit des Anfangs. Der letzte Eindruck bleibt bestehen, sagt man, und neben Beherrschung aller Facetten der Liedgestaltung teilt sich die Freude am Gesang mit, die sich die Sängerin seit Kindheitstagen bewahrt hat. Ebenso ist die Pianistin bei all ihrer Erfahrung und Kompetenz, all ihrer Kenntnis und Professionalität spürbar mit ganzem Herzen dabei und schafft die Atmosphäre, in der Liedkunst in ihrem besten Sinne gedeiht. So bietet dieses Album ein faszinierendes Kaleidoskop einer oft unterschätzten musikalischen Form, die hier in Vollendung präsentiert wird.

Dr. Lorenz Kerscher, 27. Januar 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Weiterführende Info

Produktionstrailer

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Eva Zalenga in Wikipedia

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