Bayerische Staatsoper Motto Spielzeit 2024/25: „Aus dem Leben durch die Liebe“

Spielzeitpräsentation der Bayerischen Staatsoper für die Spielzeit 2024/25 mit Serge Dorny, Vladimir Jurowski und Laurent Hilaire  Bayerische Staatsoper, München, 16. März 2024

Bayerische Staatsoper – Nationaltheater © Wilfried Hösl

Bayerische Staatsoper
, München, 16. März 2024

Spielzeitpräsentation der Bayerischen Staatsoper für die Spielzeit 2024/25 mit Serge Dorny, Vladimir Jurowski und Laurent Hilaire

von Frank Heublein

Die inhaltliche Vorstellung der nächsten Spielzeit wird umrahmt von – im Spitzenrestaurant würde ich von l’Amuse-Gueule sprechen, dem „Gruß aus der Küche“. So startet die Präsentation an diesem Vormittag. Der „Chefkoch“ persönlich, also Generalmusikdirektor Jurowski begleitet Sopranistin Seonwoo Lee und Bariton Vitor Bispo aus dem hiesigen Opernstudio beim Duett “Là ci darem la mano” aus „Don Giovanni“ am Klavier. Diese Oper ist eine der 9 Opernpremieren der folgenden Spielzeit und zugleich die letzte der drei Opern des Mozart-Da Ponte Zyklus.

Intendant Serge Dorny stellt das Motto „Aus dem Leben durch die Liebe“ der kommenden Spielzeit vor. Inspiriert ist es von L’inferno, Canto V, v. 103-106 aus Dantes „Divina Commedia“ (Die göttliche Komödie). Die Menschheit und unterschiedliche Mythen stehen im Fokus der Spielzeit 2024/25.

Spielzeitpräsentation 2024/2025 der Bayerischen Staatsoper München © W. Hoesl

Gestartet wird die Spielzeit mit dem gleichzeitigen Startschuss eines neuen Rings. Richard Wagners Vorabend „Das Rheingold“ dirigiert Vladimir Jurowski ab Ende Oktober 2024. Er setzt die sehr gute Zusammenarbeit mit Regisseur Tobias Kratzer fort, deren erste Frucht ich mit „Die Passagierin“ erst kürzlich Anfang März 2024 gesehen und darüber hier im Blog geschrieben habe. Geplant ist, den gesamten „Ring“ in dieser Dirigenten-Regisseur Kombination am Nationaltheater auf die Münchner Staatsopern-Bühne zu heben. Für das „Rheingold“ wird mit jungen Sängerinnen und Sängern geplant. Bassbariton Nicholas Brownlee bezeichnet Jurowski als „Wotan der Stunde“.

Den zweiten bereits angesprochenen Zyklus begleitet Vladimir Jurowski weiter. Er wird „Don Giovanni“ die erste Opernfestspielpremiere 2025 Ende Juni dirigieren. David Hermann übernimmt die Regie. Ich freue mich auf Vera-Lotte Boecker in der Rolle der Donna Anna. Sie überzeugte mich in „Bluthaus“ hier in München. Ansonsten wird die Tradition des Mozart-Ensembles fortgesetzt. Mit Konstantin Krimmel als Don Giovanni und Avery Aimerau als Zerlina werden die Hauptrollen mit zwei hervorragenden Stimmen besetzt, die auch in den beiden anderen Mozart–Da Ponte Opern in den vorherigen Spielzeiten Hauptrollen gesungen haben und an diesem Opernhaus angestellt sind. Meine Eindrücke dazu lesen sie hier nach: „Così fan tutte“ und „Le nozze di Figaro“.

Jurowski spricht es aktiv an. Was in der kommenden Spielzeit fehlt: es gibt keine neuen politischen Stücke wie etwa „Die Passagierin“ in dieser Spielzeit. Schade. Gerade die angesprochene Produktion „Die Passagierin“ zeigt, wie fesselnd und zugleich gesellschaftlich relevant solche Themen auf die Bühne der Münchner Staatsoper gebracht werden.

Richard Strauss’ verarbeitet in seiner vorletzten Oper „Die Liebe der Danae“ einen Entwurf eines Operettenlibrettos Hugo von Hofmannsthals. Die „heitere Mythologie“ nimmt Versatzstücke aus der griechischen Mythologie auf. Regie führt Claus Guth, er hat in München „Bluthaus“ und „Semele“ erfolgreich inszeniert. Am Dirigentenpult steht der ehemalige Generalmusikdirektor der Oper Frankfurt Sebastian Weigle, der mehrfach mit Guth zusammengearbeitet hat. Ab Februar 2025 steht das Stück auf dem Spielplan.

Kurz vor Weihnachten 2024 wird Gaetano Donizettis „La Fille du régiment“ (Die Regimentstochter) ins Bühnenlicht der Staatsoper treten. Zusammen mit „Lucia di Lammermoor“ zählt diese Oper zu Donizetti großen Erfolgen in Paris. Das Regieteam um Damiano Michieletto sorgt für die Umsetzung. Am Pult steht Stefano Montanari, der in der Spielzeit 2023/24 die Premiere von Mozarts „Le nozze di Figaro“ musikalisch verantwortete.

Im März 2025 hat Leoš Janáčeks Oper „Kát’a Kabanová“ Premiere. Wie schon 2022 in Salzburg wird Corinne Winters die Titelpartie singen. Ich wünsche ihr und mir, dass sie diese Rolle ebenso furios wie 2022 ausprägen kann. Mit Krzysztof Warlikowski führt ein Dauergast im Münchner Nationaltheater Regie. In der aktuellen Spielzeit wird er in den Opernfestspielen 2024 „Le Grand Macabre“ für das Haus inszenieren. Am Dirigentenpult freue ich mich auf die litauische Dirigentin Mirga Gražinytė-Tyla, die mich bereits bei Janáčeks „Das schlaue Füchslein“ Anfang 2022 hier in München überzeugt hat.

Als reguläre Spielzeitpremiere im Mai 2025 werden „Cavalleria rusticana“ von Pietro Mascagni und „Pagliacci“ von Ruggero Leoncavallo herausgebracht. Die Opern werden häufig in dieser Kombination seit 1895 so gezeigt. Dazumal und erstmals waren die beiden Stücke so an der New Yorker Met zu sehen. Beide Stücke stehen für die Opernerneuerung Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts. Die neue dramatische Dimension liegt im inhaltlichen Fokus auf einen Ausschnitt aus dem „echten und normalen Leben“. Das Regieteam um Francesco Micheli hat für die beiden Opern eine gemeinsame Klammer gefunden. Ich bin gespannt auf die Umsetzung. Daniele Rustioni steht am Pult. Für die Produktion konnten unter anderem Jonas Kaufmann und Wolfgang Koch gewonnen werden.

Spielzeitpräsentation 2024/2025 der Bayerischen Staatsoper München, Staatsopernintendant Serge Dorny © W. Hoesl

Das Ja, Mai Festival wird in der kommenden Spielzeit durch das Opernstudio getragen. Zeitgenössische Oper wird interpretiert durch dieses hochqualitative junge Ensemble. Gute Aussichten aus meiner Perspektive. Das Festival soll nun aller zwei Jahre stattfinden. Mit den gewählten Spielorten UTOPIA-Halle und Cuvilliéstheater sind die Rahmen eher für kleine musikalische Ensembles geeignet. Bedauerlich, dass das Budget nur für jedes zweite Jahr reicht. Positiv gewendet ist ein ausgesprochener Schwerpunkt für zeitgenössische Oper an einem A-Haus eine Rarität in unserer Republik.

Das Motto der dritten Ausgabe des Ja, Mai Festivals ist „Illusionen“, die mehrdeutige Wahrnehmung von Wirklichkeit. Im Zentrum stehen die beiden Opern „Das Jagdgewehr“ von Thomas Larcher (2018) und ‚Matsukaze“ von Toshio Hosokawa (2011). Das für„ Matsukaze“ veranwortliche Regieduo Lotte van den Berg und Tobias Staab bewegt sich zwischen Tanz, Theater und Film. Die musikalische Leitung übernimmt Alexandre Bloch. Die Regisseurin Ulrike Schwab erarbeitet „Das Jagdgewehr“. Hier wird Francesco Angelico am Pult stehen. Diese Produktionen werden Ende April und Anfang Mai 2025 das Licht der Bühnenbretter erblicken.

Eine Art Ausgrabung ist „Penelope“ von Gabriel Fauré. Das Werk, seine einzige Oper, wurde 1913 in Monte Carlo uraufgeführt und wird zum ersten Mal ab Juli 2025 an der Bayerischen Staatsoper in München zu sehen sein. Regisseurin Andrea Breth debütiert damit am Haus. Genauso so wie die finnische Dirigentin Susanna Mälkki, die langjährige Chefdirigentin des Philharmonischen Orchesters Helsinki. In der titelgebenden Hauptrolle wird Mezzosopranistin Victoria Karkacheva zu sehen und zu hören sein. Sie ist an der bayerischen Staatsoper angestellt und hat mich in der „Pique Dame“ in der aktuellen Spielzeit als Polina tief angerührt.

Die Akademiekonzerte folgen in der kommenden Spielzeit alle demselben Prinzip. Klassischen Werken, überwiegend aus dem 19. Jahrhundert, werden modernere Werke des 20. Jahrhunderts gegenübergestellt. So steht unter anderem Bruckners 6. Sinfonie auf dem Programm. Jurowski will mit dem Orchester der Bayerischen Staatsoper alle neun Bruckner Sinfonien aufführen. Dies wird die dritte sein, die gemeinsam erarbeitet wird.

„Nachwuchs und Zukunft, nicht nur Nostalgie“ will er im Auge behalten. So sagt es Serge Dorny. Die Aktivitäten des Septemberfestes und der Oper für Alle sind Aspekte, Oper und Ballett für neue junge Zielgruppen zugänglich zu machen. Sein Aufruf: im September Familie mitbringen und mitmachen. Sehr schön!

Das wunderschönste Amuse-Gueule des Tages kommt vom Ballett. Ein Ausschnitt aus der eindrucksvollen Produktion „Schmetterling“, über die Sie an dieser Stelle in diesem Blog meine Eindrücke nachlesen können. Mir kribbelt es sehr angenehm im Rücken, selbst in diesem kurzen Ausschnitt.

Spielzeitpräsentation 2024/2025 der Bayerischen Staatsoper München, Laurent Hilaire, Direktor des Bayerischen Staatsballetts © W. Hoesl

Ballettdirektor Laurent Hilaire kündigt drei Premieren an. Im November wird damit eine der ältesten erhaltenen Ballette überhaupt in der Fassung von Pierre Lacotte getanzt, die er 1972 an der Pariser Oper uraufführte.

Das Konzept der Ballettfestwoche ist neu. Im April 2025 wird es eine einmalige Aufführungsserie von „Wings of Memory“ geben. Drei Stücke sind darin enthalten: „Bella Figura“ von Jiří Kylián, „Faun“ von Sidi Larbi Cherkaoui und die legendäre „Le Sacre du Printemps“-Interpretation von Pina Bausch. Einmalig unterbrochen wird die Aufführungsserie durch das Gastspiel des Lucía Lacarra-Ballets, das die ehemalige erste Solistin mit ihrem Abend „Lost Letters“ zurück ins Nationaltheater bringt.

Im Rahmen der Münchner Opernfestspiele ist eine neue Folge in der Reihe Sphären im Prinzregententheater zu erleben. Im Juni 2025 wird das Programm „Sphären.03“ vom Choreographen-Duo Sol León und Paul Lightfoot kuratiert.

Im persönlichen Gespräch erkennt Laurent Hilaire eine Entwicklung in „seinem“ Ballett. Der moderne Tanz wirke auf das klassische Ballett, Klassisches lerne vom Modernen. Er vertritt entschieden die Ansicht, klassisches Ballett aufzuführen. Eben so gestaltet, dass es in der Gegenwart Relevanz erzeugt. Persönlich wichtig für mich: er gibt mir den Glauben, dass meine Präferenz des modernen Tanzes mich zum klassischen Ballett führen werde. Er freut sich auf das Kommende und ich mit ihm.

Informationen zu den Produktionen der Spielzeit 2024/25 sind auf https://www.staatsoper.de/ online über die Suchfunktion verfügbar.

In München wird auf tönernen Füßen geplant, denn die Verträge von Intendant, Generalmusikdirektor und Ballettdirektor laufen 2026 aus. Ihre Verträge wurden im Gegensatz zu denen vom Residenztheaterintendanten und Gärtnerplatztheaterintendanten noch nicht von der bayerischen Staatsregierung verlängert. Die Planungshorizonte einer Oper wie der Bayerischen Staatsoper in München sind drei bis vier Spielzeiten in die Zukunft. Dorny hat bestätigt, sich in Salzburg auf die Intendanz der Festspiele, die derzeit Markus Hinterhäuser ausfüllt, beworben zu haben. Steckt da ein Plan dahinter, Kunstminister Markus Blume, oder ist das ein Sie überraschendes Problem?

Diese vierte Spielzeit dieser Leitung empfinde ich im Vergleich zu den vorhergehenden drei Spielzeiten als deutlich weniger mutig. Auf meine Klage, dass ich seit Jahren mehr Barock fordere, antwortet mir Serge Dorny im Gespräch, dass eine neue „Alcina“ geplant sei. Ich zähle an den Fingern ab: also frühestens 2025 ab Herbst. Ich mag seinen Enthusiasmus, geschickt lullt er mich damit ein. Doch meine Forderung bleibt bestehen: mehr alte Musik gehört gehört im Haus am Max-Joseph-Platz.

Frank Heublein, 16. März 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

 

3 Gedanken zu „Spielzeitpräsentation der Bayerischen Staatsoper für die Spielzeit 2024/25 mit Serge Dorny, Vladimir Jurowski und Laurent Hilaire
Bayerische Staatsoper, München, 16. März 2024“

    1. Liebe Frau Becker,

      in der Veranstaltung fanden die Liederabende keine Erwähnung und daher auch nicht in meinem Bericht über die Veranstaltung.
      Sie haben recht, Veranstaltung zur und der umfänglichere Plan der neuen Spielzeit sind zwei verschiedene Dinge. Letzteres hätte ich in den Blick nehmen können. Und werde das hier nachträglich tun: für Sie und alle Leserinnen und Leser des Blogs.

      Nachzuliefern ist also zum Thema der Liederabende (ich nutze dazu Inhalte der Pressemappe):

      LIEDERABENDE
      Christian Gerhaher wird in der Spielzeit 2024-25 gleich zweimal zu erleben sein, einmal mit der Sopranistin Julia Kleiter an seiner Seite, beide Male mit Gerold Huber am Klavier. Zwei weitere Baritone gestalten jeweils ein Programm im Prinzregententheater: Gerald Finley und das Ensemblemitglied Konstantin Krimmel. Zwei Tenöre werden Lieder präsentieren: Piotr Beczała und Jonas Kaufmann. Außerdem bereichern die über die Spielzeit verteilten Porträtkonzerte des Opernstudios das Lied-Angebot an der Bayerischen Staatsoper.

      Frank Heublein

  1. Vielen Dank.
    Das Weglassen durch den Staatsintendanten (stolzer Titel!) spricht für sich.

    Für den 28. April ist als Saisonpräsentation der Wiener Staatsoper von einer 2-stündigen Veranstaltung die Rede…

    Waltraud Becker

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert