Attila Gálfi, Péter Sárik und Tibor Fonay. Quelle: https://petersarik.com/galeria/
Vor langer Zeit wurde Jacques Loussier mit „Play Bach“ bekannt und beliebt. Péter Sárik dachte sich, dass Ähnliches auch mit Bartók möglich sein muss. Sein erfolgreiches Trio zeigt auch in Wien wieder, dass er recht hatte!
Play Bartók!
Péter Sárik Trio
Péter Sárik: Klavier
Tibor Fonay: Kontrabass
Attila Gálfi: Schlagzeug
Collegium Hungaricum Wien, 23. Jänner 2025
von Dr. Rudi Frühwirth
Seit 1989 wird in Ungarn am 22. Januar der Tag der ungarischen Kultur gefeiert. Das war der Anlass, das in Ungarn sehr bekannte Péter Sárik Trio nach Wien in das Collegium Hungaricum einzuladen. Das Jazztrio des Pianisten Péter Sárik hat in den letzten Jahren zahlreiche Werke von Béla Bartók neu interpretiert.
Das unausgesprochene Vorbild ist vermutlich Jaques Loussier, der in den frühen Sechzigerjahren des letzten Jahrhunderts mit Jazz-Bearbeitungen von Werken Johann Sebastian Bachs Furore machte. Und so wie die klassische Musik sich von Bach bis Bartók grundlegend verändert hat, ist auch im Jazz die Zeit nicht stehengeblieben.
Die Besetzung des Péter Sárik Trio ist, wie bei Loussier, die typische Trinitas von Klavier, Kontrabass und Schlagzeug. Seine musikalische Sprache ist jedoch deutlich moderner. Sie orientiert sich am Modern Jazz und Hardbop, geht aber dank Bartóks erfindungsreicher und unkonventioneller Harmonik noch um Einiges darüber hinaus.
Viele Stücke des Komponisten sind geprägt von stark hervortretenden, häufig synkopierten oder irregulären Rhythmen. Dieser musikalische Aspekt prädestiniert sie geradezu zur „Verjazzung“ und gibt den Interpretationen des Trio einen unwiderstehlichen „Drive“. Sáriks Klavierspiel ist, auch wenn ich Einflüsse von Horace Silver, Bill Evans und Dave Brubeck zu hören glaube, höchst individuell und fasziniert durch improvisatorischen Einfallsreichtum und stupende Technik.
Das Konzert im Collegium Hungaricum zu Wien brachte eine bunte Mischung aus dem Werk Bartóks, unter anderem Bearbeitungen von Volkstänzen oder Chören, Klavierstücke aus Bartóks Mikrokosmos (Sz. 107), einen Auszug aus der Suite (Sz. 62) oder einen Satz aus der Sonatine (Sz. 55).
Ich möchte die Arbeitsweise des Trios an zwei Beispielen demonstrieren. Das Ostinato aus dem sechsten Band des Mikrokosmos ist, wie sein Name andeutet, stark rhythmisch betont; der Rhythmus wird aber keineswegs einförmig wiederholt, sondern ist mit zahlreichen Synkopen und Unregelmäßigkeiten durchsetzt. Die Version des Trios folgt dem Notentext getreu bis Takt 103, wobei der Klavierpart vom Bass und vom Schlagzeug begleitet und rhythmisch noch verstärkt wird.
Es folgt ein Solo des fabelhaften Tibor Fonay am Kontrabass, anschließend ein rasantes Solo des Pianisten. Wieviel das Material der beiden Soli der Vorlage verdankt, lässt sich wohl nur bei oftmaligem Hören entschlüsseln. Das Klaviersolo geht schließlich wieder in Bartóks Originaltext über und folgt ihm ab Takt 104 bis zum abrupten Schluss.
Der Chor Leánynéző/Werbung ist offensichtlich eine für Frauen- oder Mädchenchor gesetzte Version eines Lieds, das Bartók im Rahmen seiner umfangreichen Forschungsarbeit in der ungarischen und rumänischen Volksmusik gefunden hat. Das Original dauert kaum mehr als eine Minute. Die Version des Trios beginnt mit der einfachen Melodie, unterlegt mit den charakteristischen Akkordharmonien des Modern Jazz. Die folgenden Soli von Bass und Klavier sind von Motiven aus der Vorlage durchzogen, rhythmisch vorwärtsgetrieben von Attila Gálfi am Schlagzeug. In der abschließenden Coda wird das schlichte Thema wiederaufgenommen und zum sanften Ende geführt.
Die Stücke, die Péter Sárik mit seinem Trio an dem Abend brachte, können auch ohne intime Kenntnis der Vorlage genossen werden, als feiner Jazz moderner Richtung, harmonisch wie melodisch einfallsreich und brillant gespielt. Das Publikum im übervollen Saal des Collegium Hungaricum zeigte sich jedenfalls begeistert und entlockte dem Trio noch eine Zugabe, die ebenfalls lautstark beklatscht wurde.
Dr. Rudi Frühwirth, 28. Jänner 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Programm
Stick dance/Bot tánc aus Rumänische Volkstänze, Sz. 56
Dance from Bucsum/Bucsumí tánc aus Rumänische Volkstänze, Sz. 56
Ostinato aus Mikrokosmos, Sz. 107, Band 6
Stars, stars, brightly shine aus Kinderalbum, Sz. 42, Band 2, Nr. 33
Perpetuum mobile aus Mikrokosmos, Sz. 107, Band 5
Courting/Leánynéző aus Siebenundzwanzig Chöre, Sz. 103
Suite, Sz. 62, 3. Satz, Allegro molto
Sonatine, Sz. 55, 3. Satz, Allegro vivace
In one spot/Topogó aus Rumänische Volkstänze, Sz. 56
Evening in Transylvania/Este a székelyeknél aus Zehn leichte Stücke für Klavier solo, Sz 39
Alle Stücke sind in YouTube verfügbar.