„Das Spitzentuch der Königin“ begeistert mit einer fulminanten, spritzigen, farbenfrohen Aufführung

Johann Strauss, Das Spitzentuch der Königin  Musiktheater an der Wien, 28. Januar 2025

Das Spitzentuch der Königin: Beate Ritter (Donna Irene), Tänzer*innen © Werner Kmetitsch

Hand aufs Herz – von Johann Strauss weiß jeder, von seiner Operette „Spitzentuch der Königin“ die Allerwenigsten… ist es doch ein großartiges Werk. Da schüttet der Wiener Großmeister des Walzers ein Füllhorn seiner besten Melodien über uns aus!

Rechtzeitig zur Wiener Ballsaison, aber vor allem zum 200 Jahr Jubiläum der Geburt des Walzerkönigs, eröffnet das Musiktheater an der Wien nach jahrelanger Schließung wegen gründlicher Renovierung (und technischen Problemen, die vorerst eine Beschränkung auf konzertante Aufführungen notwendig machten) erstmals wieder mit einer szenischen Aufführung die wunderbare historische Spielstätte am Naschmarkt.

 Johann Strauss
 Das Spitzentuch der Königin  

Operette in drei Akten
Libretto von Heinrich Bohrmann, Richard Genée, Julius Rosen und O. F. Berg

Musiktheater an der Wien, 28. Januar 2025

von Dr. Charles E. Ritterband

Und dies mit einem wahren szenischen Feuerwerk, einer fulminanten, spritzigen, farbenfrohen Aufführung wie man sie selbst in Wien nicht allzu oft zu sehen kriegt: als Kulisse ein raumfüllendes „Ringelspiel“ wie man hier das Karussell nennt, dessen buntes Dach sich gegen Ende in die Flügel einer riesigen Windmühle verwandelt – Cervantes zuliebe, dem in der Handlung die Schlüsselwörter zukommen.

Kein Zufall (und definitiv ein großer Wurf), dass das „Spitzentuch“ für die Wiedereröffnung des TAW gewählt wurde – war es doch just dieses Werk, das bereits 1880 nach fünfmonatiger Renovierung zur Aufführung gelangt war!

Das Spitzentuch der Königin: Beate Ritter (Donna Irene), Tänzer*innen, Arnold Schoenberg Chor © Werner Kmetitsch

Grotesk und in jeder Beziehung bunt geht es in dieser Operette mit ihrer pseudo-historischen Handlung und ihren überdeutlichen witzigen Anspielungen auf die so prekäre politische Situation in Österreich zu!

Der verfressene junge König interessiert sich weder für seine Gattin noch fürs Regieren, sondern konzentriert sich auf die köstlichen Trüffelpasteten. Der aus Spanien nach Portugal (wo dieses Stück spielt) geflüchtete Dichter Cervantes ist der Verkünder der Wahrheit und siegt am Ende über den korrupten Premierminister.

Das Spitzentuch der Königin: Diana Haller (Der König), Arnold Schoenberg Chor © Werner Kmetitsch

In Österreich, wo man mit Bangen die Machtübernahme durch einen rechtsextremen Kanzler Kickl und seine angekündigten Maßnahmen gegen die kritischen Medien erwartet, ist das höchst aktuell: wissende Lacher im Publikum…

Es soll hier auch Anspielungen auf den liberal-rebellischen Kronprinzen Rudolf gegeben haben, dessen Selbstmord die Monarchie in ihren Grundfesten erschütterte – deshalb würde damals das Stück abgesetzt und verschwand von den Spielplänen. Manche wollen in der szenischen Darstellung auch den historischen Tiergarten Schönbrunn erkennen – das Karussell als zentraler Pavillon und die Tänzer in ihren fantastischen Tiermasken als Menagerie, in der sich Kaiser Franz Joseph so gerne aufgehalten hätte.

Das Spitzentuch der Königin: Maximilian Mayer (Cervantes), Tänzer*innen© Werner Kmetitsch

Das Wiener Kammerorchester, trotz seines Namens groß angelegt wie etwa bei Verdi-Opern, unter der Stabführung von Martynas Stakionis brillierte mit den herrlichen Strauss-Walzern, vor allem den berühmten „Rosen aus dem Süden“, dem in diesem prachtvollen Walzer-Reigen die prominenteste Position zugefallen ist: die Melodie zieht sich mehrfach durch dieses Stück und liegt vor allem dem wunderschönen Terzett von König, Königin und Irene zugrunde, das einst gestrichen wurde und hier verdienstvollerweise wieder zelebriert wird – vielleicht gar der musikalische Höhepunkt,  das „Highlight“ dieser Aufführung…

Der Arnold Schoenberg Chor (Haus-Chor) unübertroffen – musikalisch und präzise wie eh und je.

Das Spitzentuch der Königin: Diana Haller (Der König), Elissa Huber (Die Königin), Beate Ritter (Donna Irene), Arnold Schoenberg Chor, Ensemble © Werner Kmetitsch

Sängerisch begeistern vor allem „der“ König von Portugal (Diana Haller mit klarer, höchst melodiöser Stimme) und Donna Irene (wunderbar geschliffen Beate Ritter).

Dr. Charles E. Ritterband, 29. Jänner 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Sommereggers Klassikwelt 267: Johann Strauss klassik-begeistert.de, 1. Januar 2025

Buchbesprechung: Die Strauss- Dynastie  Band 1 klassik-begeistert.de, 9. November 2024

Werke von Robert Schumann Theater an der Wien und Musikverein Wien, 14./15. November 2024

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