Hugo Wolfs „Italienisches Liederbuch“
mit Jonas Kaufmann und Diana Damrau,
Salzburger Festspiele, Großes Festspielhaus, 3. August 2018
von Peter Dusek (Online-Merker.com)
Hugo Wolf könnte man als „missing link“ zwischen Romantik und der 2.Wiener Klassik (mit Alban Berg und Arnold Schönberg) bezeichnen. Er scheute die Melodien-Seligkeit eines Franz Schubert (obwohl sein persönliches Schicksal ähnlich tragisch verlief); er hasste die konservative, selbstgefällige Pose von Johannes Brahms und nahm eine Entwicklung vorweg, die bis heute nur von Minderheiten geschätzt wird. Kurzum: mit dem Niedergang der Kultur der Liederabende ist Hugo Wolf drauf und dran, vergessen zu werden. Umso wichtiger, dass sich zwei Weltstars wie Jonas Kaufmann und Diana Damrau – zusammen mit dem kongenialen Partner am Klavier – mit Helmut Deutsch – dazu entschlossen haben, Gegen-Aktionen zu entwickeln.
Im Februar 2018 starteten die beiden Super-Stars in Baden-Baden einen Abend mit einem seiner Hauptwerke, dem „Italienischen Liederbuch“. Insgesamt 12 Musik-Metropolen haben dieses Programm angeboten. Und wie in Salzburg hat die Tafel „Ausverkauft“ wohl an der Abendkassa geprangt!
Helmut Deutsch, Jonas Kaufmann, Diana Damrau. Copyright: Marco Borrelli/ Salzburger Festspiele
Nun also zum Konzert im Großen Festspielhaus am Freitag, den 3. August 2018, das bei so brütender Hitze stattfand, dass man vermeinte, die Klimaanlage sei ausgefallen. Das „italienische Liederbuch“ entstand in den Jahren 1891 – 1896. Hugo Wolf war damals 30 bzw. 36 Jahre alt. Ein Jahr später brach jene Geisteskrankheit aus, die auf eine Syphilis-Infektion in den Jugend-Jahren zurückging und seinen frühen Tod mit 43 Jahren in Wien zur Folge hatte. Das „Italienische Liederbuch“ mit 24 Texten von vergessen Liedern (gesammelt von Paul Heyse) gehört also zu den Hauptwerken von Hugo Wolf und eröffnet einen geradezu unpathetischen Blick in die Welt der Liebe: mit allen Höhen und Tiefen. Heißes Begehren, Streit, Versöhnung und Zwist. Die Mühen der Ebene trifft auch jene, die im Kampf ums nackte Überleben nicht bis ins Hochgebirge gelangen sondern mit den Voralpen vorlieb nehmen müssen. Das ironische Motto wird übrigens im 1.Lied ausgegeben:
„ Auch kleine Dinge können uns entzücken,
Gesegnet sei durch den die Welt entstund,
Gesegnet sei das Grün,
ihr sei die Allerschönste“.
Das „Italienische Liederbuch“ liefert zweifellos ein Psychogramm von Hugo Wolf, der sein kurzes Leben wohl als permanenten Kampf um die nackte Existenz ebenso erlebte wie als eine Kette von amourösen Beziehungen – darunter unter anderem mit der Frau eines Mäzen und Freundes. Richard Wagner war offenbar sein Idol in jeder Hinsicht.
Die Tournee-Fassung mit Jonas Kaufmann und Diana Damrau könnte man fast als halbszenische Fassung bezeichnen. Der Dialog der Liebenden, der gegen Schluss immer öfter ins Melancholische umkippt, wird immer wieder von Körpersprache unterstützt. Dazu kommt, dass Jonas Kaufmann seine Nuancen Vielfalt einsetzen kann, während Diana Damrau von der Koloratur-Sängerin zur jungdramatischen Sopranistin herangereift ist. Perfekt werden die beiden deutschen Sänger vom Wiener Pianisten Helmut Deutsch „getragen“. Er führt durch den Abend und nützt die Chance, die Genialität von Hugo Wolf in Erinnerung zu rufen. Großer Jubel, Blumen und nur 1 Zugabe (ein Duett von Felix Mendelssohn-Bartholdy). Irgendwo musste die Überhitze ihren Tribut zollen.
Peter Dusek