Foto: Katharina Konradi, Sopranistin, Portrait; Köln 2020, © Sonja
Auch 2025 hinterlässt der Auftakt der Italienischen Opernwochen am Gänsemarkt einen sehr gemischten Eindruck. Ungeachtet der durchweg halbherzigen Applausstimmung beflügelt ein herausragendes Gesangsensemble um Gilda-Debütantin Katharina Konradi und Dauer-Rigoletto Amartuvshin Enkhbat das Hamburger Publikum mit einem musikalisch brillantem Verdi-Abend!
Rigoletto
Musik von Giuseppe Verdi
Libretto von Francesco Maria Piave nach Victor Hugo
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Musikalische Leitung: Henrik Nánási
Inszenierung: Andreas Homoki
Bühnenbild und Kostüme: Wolfgang Gussmann
Staatsoper Hamburg, 18. März 2025
von Johannes Karl Fischer
Während man sich in Wien und Mailand ganz wie vor der Pandemieflaute tagtäglich um Stehplatzkarten buhlt, blieben am Gänsemarkt trotz ebenso exzellenter Gesangsbesetzung heute wieder mal einige Hundert Plätze leer.
Amartuvshin Enkhbats mächtiger, wutentbrannt kämpferischer Bariton erhob die Rolle des Hofnarren in neue Höhen, während Katharina Konradi die brennende Liebeseifer ihrer Gilda in die Herzen des Publikums strahlen ließ. Die Belohnung? Ein bisschen freundlicher Applaus mit ein paar dazwischen tönenden Bravo-Rufen hier und dort. So also die Brillanz der Hamburger Vorzeigefestspiele namens Italienische Opernwochen…

Sorry, bei all der souveränen musikalischen Darbietung, dieser Abend wollte einfach nicht in Stimmung kommen. Viele quasi-einkomponierten Applausstellen, welche anderswo gerade mit dieser Gesangsleistung für minutenlangen Jubel gesorgt hätten, mündeten am Gänsemarkt in schweigende Stille. An der musikalischen Leistung hats nicht gelegen, insbesondere Herr Enkhbats Rigoletto klang nicht weniger souverän als zum Jahreswechsel in Wien. Ob das Hamburger Publikum ihr Haus unter Herrn Delnons Direktion vielleicht schon ganz aufgegeben hat?

Egal, kommen wir zu einer ehrlichen Beurteilung der Musik. Denn diese war, wie bereits mehrfach erwähnt, einfach Spitzenklasse. In der Titelpartei verteidigte Herr Enkhbat mit kämpferischem Einsatz seinen verdienten Stand als einer der weltmächtigsten Verdi-Baritone. Voller Emotionen entbrannt schmetterte er einen rachesüchtigen Rigoletto über die Bühne und stemmte die voluminösen Spitzentöne seinem Herrscher entgegen, als würde er diesen ganz ohne Sparafucile eigenhändig beseitigen wollen.
Doch kaum hatte er mit seinem Einstiegsmonolog „Quel vecchio maledivami!“ den Eindruck seiner schlagkräftigen Stimme im Dammtorhaus festgestempelt, öffnete sich die Tür zur eigentlichen Sensation des Abends: Katharina Konradis strahlende, von Liebe zerrissene und entfesselte Gilda. Schon mit dem ersten Ton weckte ihr voll Lebensfreude leuchtender Sopran die innere Sonne des Publikums und ließ einen all ihr Liebesglück in tiefster musikalischer Seele spüren. Ihre schwebend emotionale Stimme führte einen mühelos in den siebten musikalischen Himmel ihrer Arien und in Tränen zerührt wieder auf die Erde, als Gilda sich voll Liebe gefesselt und emotional zerstört wortwörtlich opfert.
Auch Piero Pretti sang den Duca di Mantova solide, ließ die Schlagerarien blitzsauber und souverän stimmig durch den Saal singen. Ein bisschen fehlte ihm der Eifer seiner auf haushohem Niveau musizierenden Konkurrenz, dennoch erfüllte er auch mit überaus deutlicher Diktion alle Erwartungen an einen kompetenten Verdi-Tenor.
Hubert Kowalczyk hinterließ einen mehr denn soliden Ensemble-Eindruck als Auftragsmörder Sparafucile, sein Bass brillierte souverän durch die skrupellose Nebenrolle und erledigte eiskalt seine Tat. Einzig Jana Kurucová gestaltete die Rolle seiner Schwester, Maddalena, ein wenig flach, da habe ich sicherlich schon deutlich passioniertere Darbietungen dieser zweiten Affäre des Duca di Mantova gehört.

Auch das Orchester unter der Leitung von Henrik Nánási lieferte eine mehr denn akzeptable Leistung zur Begleitung der zahlreichen Weltklasse-Stimmen. Zwar schien mir der spürbare Enthusiasmus die Bühne stellenweise ein wenig zu übertönen, unterm Strich kam aber ein freudestrahlend stimmiger, emotional wandelbarer Verdi-Klang aus dem Graben.
Auch der Chor erledigte seine Aufgabe mit souveräner Routine, musikalisch zwar ein wenig unauffällig, aber Rigoletto ist jetzt auch nicht die weltwichtigste Chor-Oper dieser Erde…
Leider spielte ihnen die leblose Inszenierung von Andreas Homoki auch nicht gerade in die Hände. Vor einem überaus vereinfachten, leicht lächerlichem Bühnenbild war in der Regie von den tiefen Emotionen dieser Handlung wenig zu spüren; die feurigen Ballszenen ebenso wie eigentlich das halbe Werk lässt diese Inszenierung völlig auf die Strecke liegen. Vielleicht sollte Herr Kratzer dieser einfallslose Rigoletto-Regie an die Spitze der Streichliste aufnehmen…
Der musikalisch grandiose Abend schien an diesem Haus leider auf wenig Resonanz beim Publikum zu stoßen. Hatte der Gesang die Häuser in Mailand, Berlin und Wien im Visier, so entsprach die Applausstimmung maximal einem Repertoireabend an einem mittelmäßigen Landestheater.
Die Frage ist, wie lange sich Sänger dieser Klasse das noch gefallen lassen werden…
Johannes Karl Fischer, 19. März 2025 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Blu-ray Rezension: Giuseppe Verdi, Rigoletto, Royal Opera House Covent Garden klassik-begeistert.e