„Zwei Takte gibt es, die ich besonders liebe“, sagt Maestro Jakob Hrůša in seiner kurzen Einführungsrede, und nun gilt es, sie zu erhören

Bamberger Symphoniker, Dirigent Jakub Hrůša  Elbphilharmonie, 25. Januar 2024

Jakub Hrůša © Marian Lenhard

Bamberger Symphoniker
Dirigent Jakub Hrůša

Ludwig van Beethoven
Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 »Eroica«

– Pause –

Richard Strauss
Ein Heldenleben / Tondichtung für großes Orchester op. 40

Elbphilharmonie, 25. Januar 2024

von Harald Nicolas Stazol

Lieber Herr Hrůša, selten habe ich mir um den Blutdruck eines Dirigenten solche Sorgen gemacht, denn schon bei der Eroica – die sie ja aus der Partitur in der Größe eines Schulheftes bemeistern – sind Sie so hochroten Gesichtes, dass man wirklich um einen Schlaganfall fürchtet, während Sie über Ihr Top-Orchester rudern, ja rudern, dass es klanglich höchste Freude!

Und wie verletzt Sie nach oben sehen, als im zweiten Satz der Eroica jemand hustet, bei einer der leis-fragilsten Passagen, zu denen Ihre Bamberger Symphoniker in einem Maße fähig, dass auch die schwebend-hingehauchten Takte so tiefvoll-beeindruckend sind, dass ich sie – und wir sind noch nicht einmal zu Richard Strauss gekommen – da ja wieder! – nur rückhaltlos bewundern kann!

Und ich will Ihnen hiermit meine tiefempfundene Achtung schenken, und Ihrem Orchester auch, das mir nun seit 35 Jahren bekannt, und mich, seitdem ich ein Pennäler am Christoph-Scheiner-Gymnasium im Konzertverein zu Ingolstadt, begleitet hat.

Denn die 7 Mark Taschengeld waren immer drin, auch um die Bamberger im Festsaal des Ingolstädter Stadttheaters (man nennt es auch die Tankstelle, finanziert ja von den Raffinerien ebendort) zu hören, und so finde ich mich heute Abend in der Elbphilharmonie mit der älteren Lady im grünen Samtkleid überein, die mich in der Pause anlächelt, und mir erzählt, sie sei schon als Pfadfinderin „in Bamberg beim Bamberger Reiter“ gewesen, und sie haben es vermocht, uns alle mit einem Glücksgefühl gerade zu überströmen, AfD oder nicht, Gaza oder nicht, Trumps Vorwahlen, oder nicht…

Nun aber,  so wie das 1946 in Bamberg von tschechischen und deutschen Emigranten, alle kriegsvertrieben, gegründete Orchester gerade klassisches Vorbild wird, um nun leibhaftig vor einem in Hamburg spielt, und dessen Gäste aus der ganzen, noch demokratischen Republik zusammengekommen sind, wie das ältere Paar aus Aachen, „nun, den Beethoven kennen wir ja, aber den Strauss?“ – „Nun heute werden Sie ihn lieben lernen! Und viel Vergnügen dabei“, und nun streben wir alle erwartungsvoll zu unseren Plätzen, in einem fast, und zu Unrecht nur fast, ausverkauften Haus.

„Zwei Takte gibt es, die ich besonders liebe“, sagt Maestro Jakob Hrůša in seiner kurzen Einführungsrede, und nun gilt es, sie zu erhören, aber ich glaube, Meister, Sie haben ein Spässchen mit uns gemacht?

Dass Ludwig van Beethoven seine Widmung an Bonaparte herausriss – nun, es hat dem Werk keinen Abbruch getan, und die Bamberger lassen – die Feinheit, welche Feinheit!!! – alles Politische zurück, und entführen in einen LvB, der, wie darf man es sagen, vor allem im Vierten, dem ja so triumphalen Satze, sich derart beweist, dass dem Schreiber dieser Zeilen nur im Sinne des Wortes schlichte Faszination bleibt.

Das ist der Auftakt zu des Straussens „Heldenleben“? Da ist Louis mit seiner jungen Freundin Antonia, sie studiert Psychologie, er ist im Bauwesen, beide keine 25, beide aus Bremen, „Jetzt habt Ihr hier eine Bauruine stehen!“ sagt der Ranke, „Aber habt Ihr Spaß“ frage ich, und „Ahnt Ihr, was Ihr gerade hört???“

Das sage ich eigentlich allen. Man ist auch aus Gütersloh angereist – ausgerechnet – „Wir haben die Führung auch mitgemacht“ – „Es wird noch besser!“ sage ich, und nun, Schönstes meiner, behalte ich recht.

Denn nun hat sich das Orchester aufgeblasen, wie ein Guppy-Fisch, und nun ist jeder Quadratmillimeter von einem phantastischen Musikerkünstler besetzt, und schon jetzt bange ich wieder um den Blutdruck des Maestros.

„Ein Heldenleben“ von Richard Strauss, 1898 uraufgeführt, und ich erinnere mich an die Mutter meiner besten Freundin Ulrike 1986 in Ingolstadt, die sagte: „Was für wunderschöne Musik er geschrieben hat.“

Und ja, das hat er.

Allem voran: Die Solovioline: Ilian Garnetz (alles auswendig, im Sitzen), dessen tragende Rolle im Meer von seinen ob jeder Note überzeugenden Mitmusikanten – die Partitur des Dirigenten hat nun DIN A4 Format, mit deutlich abgegriffenen Eselsohren – gegenüber des zuweilen im semper fortissimo so essentiellen Grund- und Gegentons, schluchzend, einsam und doch triumphierend sich ergeht, und man fragt sich, ob Richard Strauss dieser Geige ein ganzes symphonisches Werk zugeschrieben hat, oder der Geigende das gesamte symphonische Poème in volltollen Tönen hält…

Bamberger Symphoniker © Sebastian Madej

Aber vor diesem Orchester aus Bamberg und Bamberg herum gehen mir die Adjektive aus.

Wenn sie auf den Schlag des Dirigenten am Pulte, purpurn ist er jetzt fast, zur Sekunde aus vollem Laufe stoppen, vom Höchsten ins Nichts, dann bemerkt man, dass der hohe Dom der Philharmonie einen Nachhall hat, ja, ein Echo.

Von 2,4 Sekunden.

Genauer 2,43.

Harald Nicolas Stazol, 25. Januar 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Bamberger Symphoniker, Jakub Hrůša Joseph-Keilberth-Saal, Bamberg, 19. Januar 2024

Gustav Mahler, Symphonie Nr. 7 e-Moll, Bamberger Symphoniker, Andris Nelsons Bamberg, Konzerthalle, 21. Dezember 2022

CD Rezension: Hans Rott Symphonie Nr.1, Bamberger Symphoniker, Jakub Hrůša klassik-begeistert.de 13. November 2022

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