München: Die überzeugende stimmliche Präsenz aller Solisten macht Reimanns „Lear“ zum Ereignis

Bayerische Staatsoper, München, 30. Mai 2021
Fotos: W. Hösl

„Lear“ von Aribert Reimann

von Frank Heublein

Nach der Uraufführung 1978 in der Staatsoper kehrt Aribert Reimanns Oper „Lear“ an das Münchner Opernhaus zurück. Der Rahmen der aktuellen Inszenierung von Christoph Marthaler ist ein Naturkundemuseum. Aufgespießte Insekten in einem der Kästen, sie faszinieren Lear. Weitere handelnde Protagonisten des Stücks sind ausgestellt, viele davon in weiteren Kästen. Ein Museumsführer führt eine Gruppe Besucher von Kasten zu Kasten.

Was würde ich als Museumsführer zu den Besuchern sagen? Lear hat – meint er – eine Wahnsinnsidee. Endlich die Last des Regierens abwerfen. Das Alter genießen. Es ist eine wahnsinnige Idee. Das werde ich – und Sie! – sehen und hören. „Lear von Aribert Reimann
Bayerische Staatsoper, München, 30. Mai 2021“
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München macht's möglich: Heiß ersehnt, dramatisch erfüllt und bejubelt – endlich wieder Oper vor Live-Publikum!

Bayerische Staatsoper, München, Live-Stream, 13. Mai 2021
Rezension des Videostreams: Die Walküre (1. Aufzug) von Richard Wagner

Foto: Jonas Kaufmann, © Gregor Hohenberg / Sony Classical

von Frank Heublein

Die Stimmung, die ich empfange, ist augenblicklich anders als in den 20 bisherigen Montagsstücken seit November, die ich vor dem Bildschirm erlebt habe. Ein merklich emotional ergriffener Nikolaus Bachler, Intendant der Münchner Staatsoper, begrüßt das Publikum. Es ist da. Ich spüre es. Doch entfernt. Ein kleiner Stich durchzuckt mich, da ich kein unmittelbarer Teil desselben bin. Ich sitze „nur“ vor dem Bildschirm.

Richard Wagner. Die Walküre. Die enge Verbindung von Haus und Stück, so sagt Herr Bachler, ist des „beinah historischen“ Moments angemessen: es ist die erste Aufführung vor Live-Publikum im deutschsprachigen Raum seit Herbst des vergangenen Jahres. In der Tat ein großer Moment, auf den mit mir so viele Menschen gewartet haben. „Die Walküre (1. Aufzug) von Richard Wagner
Bayerische Staatsoper, München, Live-Stream, 13. Mai 2021“
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Kurzkritik: „Wie schön ist die Musik“ – WAGNERS WALKÜRE berauscht aus München

Foto: Bayerische Staatsoper © Felix Löchner

Nationaltheater (Bayerische Staatsoper)
Richard Wagner, Die Walküre, 1. Aufzug, 13. Mai 2021, Livestream

von Dr. Ralf Wegner

Irgendwie war es wie eine Erlösung aus langer Trauer. Wir konnten am kurzen Glück der Wotanskinder teilnehmen und uns der Hoffnung hingeben, dass bald auch die anderen Opernhäuser wieder öffnen dürfen. Mir erschienen Parkett und Ränge im Münchner Nationaltheater recht gut gefüllt. „Richard Wagner, Die Walküre, 1. Aufzug, 13. Mai 2021, Livestream
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Ein Abend der Sonderklasse: „Die Walküre aus München“ – drei Mal Bravo für die Sänger!

„Oper auf diesem Niveau kann man leider nicht alle Tage haben.“

Livestream aus dem Nationaltheater, 13. Mai 2021
Richard Wagner, Die Walküre
Konzertanter 1. Aufzug mit Jonas Kaufmann, Lise Davidsen und Georg Zeppenfeld in der Bayerischen Staatsoper, München

Jonas Kaufmann      Siegmund
Lise Davidsen           Sieglinde (Foto ©)
Georg Zeppenfeld   Hunding
Asher Fisch               Dirigent

von Peter Sommeregger

Für das erste Konzert während der Pandemie vor reduziertem Publikum wählte die Bayerische Staatsoper den ersten Akt der „Walküre“ von Richard Wagner, der nicht selten in dieser Form separat aufgeführt wird. Es ist wohl der genialste Opernakt der gesamten Tetralogie. Das Zusammenspiel der drei Protagonisten kann – wie an diesem Abend – ein ungeheures Spannungsfeld erzeugen. Das Haus hatte dafür eine Traumbesetzung aufgeboten, die auch hielt, was die Papierform versprach. Schon der Auftrittsapplaus für Orchester und Solisten ließ erahnen, wie sehr das Publikum ausgehungert nach Live-Musik war.

Alle drei Sänger verfügen über reiche stimmliche Mittel, der Abend hätte also durchaus zu einer sehr lauten Veranstaltung werden können. Der Dirigent Asher Fisch und die Sänger wählten aber einen ganz anderen Weg: Man ließ die Spannung sich langsam entwickeln, das Zwiegespräch des Zwillingspaares war anfangs noch von Scheu und Zurückhaltung geprägt, was große Steigerungsmomente ermöglichte. Offenbar hatte man sich zu einer sehr lyrischen Version verabredet, was dem Stück die oft vermisste Intimität bewahrte. „Richard Wagner, Die Walküre Konzertanter 1. Aufzug mit Jonas Kaufmann, Lise Davidsen und Georg Zeppenfeld in der Bayerischen Staatsoper, München
Livestream aus dem Nationaltheater, 13. Mai 2021“
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München: Die Dekonstruktion des Musiktheaters verfehlt ihre Wirkung

Yoel Gamzou leitet unaufdringlich das sehr gut disponierte Bayerische Staatsorchester. Wie gemacht für die beiden exzellent singenden Darsteller. Das Gesamte verraucht in mir ohne emotionale Verfestigung. Immerhin, den musikalischen Schwung, den nehme ich mit in meinen Abend.

Bayerische Staatsoper, München, Livestream vom 26. April 2021
Rezension des Videostreams: Montagsstück XIX: Il segreto di Susanna

Foto: Montagsstück XIX: Il segreto di Susanna: Heiko Pinkowski (Sante), Michael Nagy (Conte Gil), Selene Zanetti (Susanna), © W. Hösl

von Frank Heublein

1909 wurde das„ Intermezzo in einem Bild“, wie Ermanno Wolf-Ferrari „Il segreto di Susanna“ unterschrieb, im Münchner Hof- und Nationaltheater uraufgeführt. Zu diesem Zeitpunkt war er Direktor des Liceo Musicale in seiner Geburtsstadt Venedig. Erst später zog er nach München. Das Stück ist einer seiner drei größten Erfolge, die alle in München uraufgeführt wurden. 2021 erlebt dieses Stück also eine Wiederauferstehung am (wiederaufgebauten) Ort der allerersten Aufführung. „Montagsstück XIX: Il segreto di Susanna
Bayerische Staatsoper, München, Livestream vom 26. April 2021“
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Genussvolle Auszeit mit dem „Rosenkavalier“ – ein Lehrstück für alle Opernhäuser, was auch in Stream-Zeiten machbar ist

Premierenkritik Der Rosenkavalier von Richard Strauss
Bayerische Staatsoper, 21. März 2021

Es wurde Zeit. Am 21. März 2021 präsentierte die Bayerische Staatsoper die lang ersehnte Neuinszenierung von Richard Strauss’ Rosenkavalier. In der Online-Premiere glänzte die Besetzung unter der Leitung des jüngst berufenen Generalmusikdirektors Vladimir Jurowski. Die Inszenierung von Regisseur Barrie Kosky ist eine zeitlose Hommage an die Vergänglichkeit.

von Friederike Walch-Nasseri

Das Licht ist gedimmt. Es kann losgehen. Das Einzige, was fehlt, ist ein quietschendes Bettgestell.

Fanfaren der Blechbläser, überschwängliche Streicher, die sich begleitet vom Trillern der Flöten in die Höhe schrauben – die Ouvertüre des Rosenkavaliers ist ein auskomponierter Liebesakt. Die Erwartungen sind dementsprechend explizit. Ein Liebespaar auf samtweichen Laken, frivoles Kichern, vielleicht eine spielerische Kissenschlacht? Weit gefehlt. Alles was Regisseur Barrie Kosky braucht, ist eine überdimensionale Standuhr. Die steht mitten auf der Bühne und schlägt Sechs (sic!). Im Takt der kreisenden Musik beginnt sich auch das Ziffernblatt wild durch den Raum zu drehen und erreicht – ganz pünktlich, gemeinsam mit den kreischenden Hörnern – den Höhepunkt. „Premierenkritik Der Rosenkavalier von Richard Strauss,
Bayerische Staatsoper, 21. März 2021“
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„Der Schneesturm“ in München: eine echte und tolle Teamleistung!

Bayerische Staatsoper, München, Livestream, 17. April 2021
Rezension des Videolivestreams: Der Schneesturm, Ballett

von Frank Heublein

Gestern hatte das Handlungsballett „Der Schneesturm“ nach einer kurzen Erzählung Alexander Puschkins im Nationaltheater München seine Premiere.

Worum geht es?

Marja lebt in einem Haus mit ihren Eltern, Zofe und Knecht. Sie tut sich schwer, in dieses Leben zu fügen. Sinnbildlich dafür ist eine übergroße Schneekugel. Diese präsentabel zu halten gelingt ihr im Verlauf des ersten Aktes immer weniger. Ihr Geliebter Vladimir wird von den Eltern abgelehnt. Marja wiederum wird belastet von Menschen, die mit ihr im Haus wohnen. Die zeigt sich in einer nächtlichen Albtraumszene.

Marja und Vladimir beschließen heimlich zu heiraten. In der vereinbarten Nacht tobt ein Schneesturm. Es bleibt unklar, ob Vladimir es überhaupt schafft zur Kirche. Ein anderer, ein Soldat namens Burmin hingegen sucht dort Schutz. Im ersten Akt bleibt es im Dunkeln was in dieser Nacht in der Kirche passiert ist. Doch Vladimir ist verzweifelt, meldet sich zum Militär und zieht in den Krieg. Darüber erleidet Marja einen wütenden Zusammenbruch. Der erste Akt endet mit der Nachricht, dass Vladimir auf dem Schlachtfeld umgekommen ist. „Der Schneesturm, Ballett, Bayerische Staatsoper, München, Livestream, 17. April 2021“ weiterlesen

Bayerische Staatsoper: Doch die Sonne, die scheint so toll! Ein musikalischer Zoobesuch

Eine tolle Idee, dieser musikalische Zooausflug! Er macht mir Spaß und gute Laune. Er zeigt mir die Vielfalt der Gefühle auf, die ich haben kann und wie sie über die Musik in mich hineingesungen werden.

Bayerische Staatsoper, München, Stream, 05. April 2021
Rezension des Videostreams: Montagsstück für Kinder: TÖRÖÖÖÖ

von Frank Heublein

Es dauert nicht lange, bis selbst die Erwachsenen herausbekommen, was eine wirklich gute Entscheidung ist. Im Opernhaus, da ist gerade nichts los. „Zu Hilfe! Zu Hilfe! Sonst bin ich verloren“ singt normalerweise Tamino in Mozarts Zauberflöte. Hier singen es gemeinsam Mirjam, Yajie, Milan und Michael. Sie sind Sänger und Sängerinnen in der Oper in München und schieben echten Frust im derzeit trüben leeren Opernhaus. Es ist niemand da, für den sie singen dürfen. Da hat Milan die trotzige Idee, dass im Zoo bestimmt was los ist!

Im Tierpark Hellabrunn angekommen, geht es zuerst zu den Vögeln. Die Vorfreude auf das Erlebnis, den Zoo, den Frühling wird mit „Alle Vöglein sind schon da“ ausgesungen von Michael und Milan. Doch so richtig ausgelassen ist die Operntruppe noch nicht. Sehnsüchtig bedrückt finde ich die folgenden beiden Lieder von Milan und Mirjam. Dazwischen spricht Michael das Gedicht „Sieben kleine Meisen“ von Matthias Claudius. So betrübt, hab ich mir das Erleben nicht vorgestellt im Zoo. Selbst wenn es kalt ist, danach jedenfalls schauen die dicken Kleider aus. Doch die Sonne, die scheint so toll! „Montagsstück für Kinder: TÖRÖÖÖÖ Bayerische Staatsoper, München, Stream, 05. April 2021“ weiterlesen

Bayerische Staatsoper: Wo Rache zum süßen Ende führt

Bayerische Staatsoper, München, Live-Stream, 22. März 2021

Rezension des Videostreams: Montagsstück XVIII: Il signor Bruschino ossia Il figlio per azzardo

MONTAGSSTÜCK XVIII: IL SIGNOR BRUSCHINO: EMILY POGORELC (SOFIA), MISHA KIRIA (GAUDENZIO), JOSH LOVELL (FLORVILLE), W. Hösl ©

von Frank Heublein

Film ab! Regisseur Marcus H. Rosenmüller verpackt den Operneinakter Il signor Bruschino ossia Il figlio per azzardo von Gioachino Rossini in Stummfilmambiente. Sepiafarbenes und nicht mehr ganz neues Filmmaterial. So kommt der Stream bei mir zuhause an. Auch Ausstattung und Makeup sind wie im Stummfilm.

Florville ist in Sofia verliebt. Das kurze Liebesduett von Emily Pogorelc als Sofia und Josh Lovell als Florville lässt den Dirigenten Antonino Fogliani schmelzende Blicke werfen. Zumindest vermittelt er mir diesen Eindruck. Vorne spielen die Solisten, dahinter das Orchester. Dann eine Leinwand, in diesem Falle voller Sterne. „Il signor Bruschino ossia Il figlio per azzardo
Bayerische Staatsoper, München, Live-Stream, 22. März 2021“
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Der alternde Amor

Richard Strauss, Der Rosenkavalier

Foto: Marlis Petersen, Feldmarschallin, © W. Hösl

Bayerische Staatsoper, München, um 90 Minuten zeitversetzter Live-Stream, 21. März 2021

von Sandra Grohmann

Der uralte Amor, der hat was. In die Jahre gekommen, der Gute, aber doch noch recht kraft- und wirkungsvoll und bei aller Gebrechlichkeit so verspielt wie eh und je. Konfetti! Im neuen Münchener Rosenkavalier bietet er als im Libretto so nicht vorgesehene Figur doch das stärkste Bild für das Hauptthema des Abends – die Zeit. Die Zeit, das „sonderbar Ding“. Marlis Petersen im Rollendebüt als Marschallin besingt sie zauberhaft mit ihrer klaren, gleichwohl vollen und außerdem makellos geführten Stimme, in der neben der Melancholie ein Augenzwinkern aufblitzt. In jedem Moment lässt sie uns hören, was dieser Fürstin durch Herz und Kopf geht, färbt sie den Ton übermütig, nachdenklich, strahlend. Und ihr Spiel passt dazu: sinnlich, etwas naiv, sehr frisch trotz der ersten Alterszeichen. Nicht zu vergessen ihr unwiderstehliches Lachen – wer schmölze bei diesen so effektvoll eingesetzten Grübchen nicht dahin! „Richard Strauss, Der Rosenkavalier
Bayerische Staatsoper, München, um 90 Minuten zeitversetzter Live-Stream, 21. März 2021“
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