Bayerische Staatsoper: Wo Rache zum süßen Ende führt

Il signor Bruschino ossia Il figlio per azzardo  Bayerische Staatsoper, München, Live-Stream, 22. März 2021

Bayerische Staatsoper, München, Live-Stream, 22. März 2021

Rezension des Videostreams: Montagsstück XVIII: Il signor Bruschino ossia Il figlio per azzardo

MONTAGSSTÜCK XVIII: IL SIGNOR BRUSCHINO: EMILY POGORELC (SOFIA), MISHA KIRIA (GAUDENZIO), JOSH LOVELL (FLORVILLE), W. Hösl ©

von Frank Heublein

Film ab! Regisseur Marcus H. Rosenmüller verpackt den Operneinakter Il signor Bruschino ossia Il figlio per azzardo von Gioachino Rossini in Stummfilmambiente. Sepiafarbenes und nicht mehr ganz neues Filmmaterial. So kommt der Stream bei mir zuhause an. Auch Ausstattung und Makeup sind wie im Stummfilm.

Florville ist in Sofia verliebt. Das kurze Liebesduett von Emily Pogorelc als Sofia und Josh Lovell als Florville lässt den Dirigenten Antonino Fogliani schmelzende Blicke werfen. Zumindest vermittelt er mir diesen Eindruck. Vorne spielen die Solisten, dahinter das Orchester. Dann eine Leinwand, in diesem Falle voller Sterne.

Sofia beichtet Florville, dass sie vom Vormund Gaudenzio einem anderen, Bruschino junior, versprochen wurde. Dazu ist ihr Liebster noch der Sohn des ärgsten Feindes Gaudenzios. Das sind schlechte Voraussetzungen für das Paar und: optimale für einen typischen verwickelten turbulenten Schwank, zu dem die Musik Rossinis wunderbar passt.

Wirt Filiberto tritt auf und will Geld. Er hält Bruschino junior fest, der Schulden bei ihm hat. Im Brief an den Vater bittet dieser um Vergebung und die Tilgung seiner Schulden. Florville sieht darin seine Chance, gibt sich als Vetter Bruschino aus, legt Filiberto rein und gelangt so an den Brief.

Gaudenzio wird eingeführt, Misha Kirias sonorer Bass vermittelt mir die Lage. Die ist schlecht, er ist nicht gut drauf. Genau so wie sein Unternehmen, hier und heute wird ein Opernhaus daraus. Aber es gibt Hoffnung.  Denn da kommt oben erwähnter Brief von Bruschino junior zu ihm. Florville, der sich als Bruschino junior ausgibt, erkennt er daraufhin als reuigen potenziellen Gatten für sein Mündel Sofia. Diese Heirat soll ihn finanziell sanieren.

Gaudenzio versucht in der nächsten Szene Bruschino senior davon zu überzeugen, dass er dem reuigen Sohn verzeihen müsse. Der will ihn erst einmal sehen. Die erste grandiose Buffoszene ist damit geritzt. Belcanto at its best. So schnell kann ich italienisch nicht mal träumen wie es hier gesungen wird. Gaudenzio und Florville suchen den richtigen Vater Bruschino senior vom falschen Sohn im Terzett „Per un figlio già pentito“ (Für einen bereits reuigen Sohn) zu überzeugen.

Bruschino senior meint zwar völlig zu Recht „Ihr seid beide verrückt“. Doch er dringt nicht durch. Da kommt Sofia gerade recht. Sie soll ihm helfen, den falschen Sohn zu enttarnen. Falsche Adresse, wie ich als Zuschauer weiß. Emily Pogorelc als Sofia wirft sich mit der exzellent gesungenen Arie „Ah donate il caro sposo“ (Ah gib den lieben Bräutigam, hier also: den falschen Sohn) an seinen Hals, um ihr Glück zu erwirken. Kann sie Bruschino senior erweichen?

Nein! Das mit dem falschen Sohn, das geht ihm nach. Finde ich vollkommen verständlich. Verfolge gespannt die kommenden Nackenschläge für Bruschino senior. Ein Kommissar kommt. Lässt Handschriften vergleichen: identisch. Sofia stimmt in den Chor des Kommissars, Florvilles und Gaudenzios ein „So einen Starrsinn gab es nie“. Ich bin vergnügt.

Erneut tritt Filiberto auf. Doch der wird nur danach gefragt, ob Florville ein Bruschino wäre, und ja ein falscher zwar aber Vetter immerhin das ist er. Alle singen auf den richtigen Vater ein, ganz verzweifelt sinkt er nieder. Doch jetzt bekommt er endlich Trümpfe in die Hand. Filiberto will das restliche Geld, klärt daher auf. Der Vater beauftragt Filiberto, seinen leibhaftigen Sohn zu holen.

Während dessen singen Gaudenzio und Sofia übers Heiraten und die Liebe. Geschickt lässt Sofia ihren Vormund erläutern, wie sie denn erkennen könne, ob es der richtige ist. Alles was Gaudenzio erklärt, kann sie Punkt für Punkt vollumfänglich bestätigen im Duett „È un bel nodo che due cori“. Toll gesungen, schön gespielt. Welch anrührende Szene, wie Sofia dem Gaudenzio die Menschlichkeit herauskitzelt und selbst dabei immer mehr ins Liebesglück taumelt.

Unterdessen grübelt Bruschino senior, wer der falsche Sohn denn eigentlich ist. Zufällig, wie es in einer hier dazu sehr kurzen opera buffa nun mal ist, wenn die Handlung stockt, bekommt er ein Gespräch zwischen Florville und Sofia mit, dass er der Sohn des ärgsten Feindes Gaudenzios Florville ist. Jetzt hat er genug Trümpfe, seinen Zug zu machen.

Zum Schein endlich! und zur Freude Gaudenzios, zur Überraschung Florvilles nimmt Bruschino senior den falschen Sohn als seinen an. Drängt gar auf schnelles Vermählungsgelöbnis von Florville und Sofia. Die der vorher weichgekochte Gaudenzio per Handschlag gutheißt.

Da kommt der richtiger Bruschino junior. Im Leben nicht wünsch ich mir den als Gatten Sofias! Das Ränkespiel Florvilles wird aufgelöst. Die Rache des Bruschino senior? Klar! Gaudenzio hat der Ehe mit dem Sohn seines ärgsten Feindes zugestimmt. Dieser verneint in einer ersten Reaktion den angeheirateten Sohn und darf sich der augenblicklichen schadenfreudigen Schmähung Bruschino seniors sicher sein.

Weiter ist buffa angesagt. So geht’s geschwind dem Finale entgegen. Augenblicklich lösen sich alle dunklen Wolken auf. Gaudenzio vergibt dem jungen Liebespaar und alle gemeinsam preisen das Wunder der Liebe.

So sei die Liebe. Ich hatte meinen Spaß! Der Einfall des Stummfilmambientes bricht mit den Sehgewohnheiten eines normalen Opernstreams. Allerdings: eine neue zusätzliche Sinnebene wird dem Ganzen dadurch nicht mitgegeben. Muss auch nicht sein. Das Ensemble ist alert und meistert alle Stufen des Rossinischen Belcantos wunderbar. Es wird hervorragend begleitet vom bestens disponierten und durch Antonino Fogliani schwungvoll geleiteten bayerischen Staatsorchester. Mit Emily Pogorelc, gibt es eine, die mir stimmlich wie schauspielerisch besonders gut gefällt. Beste Unterhaltung für diesen Montagabend.

Frank Heublein, 23. März 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Programm

Gioachino Rossini
Il signor Bruschino ossia Il figlio per azzardo (Der Herr Bruschino oder Der Sohn aus Zufall)
Farsa giocosa per musica in un atto di / Lustiger Schwank für Musik in einem Akt von Giuseppe Foppa

Besetzung

Gaudenzio      Misha Kiria

Sofia      Emily Pogorelc

Bruschino, padre      Paolo Bordogna

Bruschino, figlio      Andres Agudelo

Florville      Josh Lovell

Un delegato di Polizia      Andrew Hamilton

Filiberto      Edwin Crossley-Mercer

Marianna      Eliza Boom

Bayerisches Staatsorchester

Musikalische Leitung Antonino Fogliani
Regie Marcus H. Rosenmüller
Spielleitung Friederike Blum
Kostüme Claudia Gall
Ausstattung Christian Blank

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