„Tosca“ fasziniert in der Römerarena Martigny mit großen Stimmen

Martigny – ein kleines Städtchen im Schweizer Kanton Wallis, umgeben von einem Kranz hoher Berge und Reben, die steile Abhänge emporklettern und exzellenten Weißwein gedeihen lassen und die Überreste eines römischen Amphitheaters: Nicht unbedingt ein Ort, an dem wir eine musikalisch exzellente und szenisch perfekte Aufführung einer der ganz großen Opern Puccinis erwarten würden. Aber doch war es so: Geschickt hat die Lausanner Regisseurin und Musikerin Véronique Chevillard den romantischen Rahmen des römischen Amphitheaters von Martigny zum Einsatz gebracht, um eine klassisch-perfekte, detailreiche und doch originelle Inszenierung der „Tosca“ zu produzieren – und das war besser als manches, was wir an prätentiösen Inszenierungen in großen Opernhäusern gesehen haben. Das Sedunum String Orchestra unter der Stabführung von Sébastien Bagnoud begeisterte mit den gewaltigen Tonfolgen beim Auftritt des Polizeichefs Scarpia ebenso wie die Stimmen der Protagonistinnen und Protagonisten.

Römische Arena Martigny, Wallis, 10. August 2022

Giacomo Puccini, Tosca

von Dr. Charles E. Ritterband (Text und Fotos)

Es war ein fantastischer Abend: Die Berge rundum verglühten im Abendrot, irgendwo hinter den Sitzreihen rauschte die kleine Lokalbahn vorbei, an Holztischen vor der Arena wurde das berühmte Walliser Raclette serviert, ein mächtiger Bernhardiner (man ist hier zu Füssen des Grossen Sankt Bernhard) bahnt sich einen Weg durchs Publikum. Langsam wird es Nacht und wenn Cavaradossi vor seiner Hinrichtung inbrünstig sein berühmtes „E lucevan le stelle“ intoniert funkeln tatsächlich die Sterne in dieser klaren Nacht zwischen den Berggipfeln.

Puccinis Klangwolken über römischen Ruinen

Das Lausanner Orchester Sedunum String Orchestra unter seinem Gründer Sébastien Bagnoud sendete Klangwolken von großer Intensität und dann wieder feiner Subtilität in die Publikumsränge des relativ unbekannten Amphitheaters, einige Fahrstunden nordwestlich des weltberühmten Amphitheaters von Verona, wo Nacht für Nacht gigantische Opernaufführungen mit großen Namen im Programmheft und vor Tausenden zu sehen sind.

Umso berührender der Aufwand wie hier, im kleinen Martigny und in einem kleinen, entzückenden Amphitheater vor ein paar Hundert Zuschauern aus dem Wallis und dem benachbarten Waadtland große Oper in hoher Qualität gezeigt wird. Hut ab vor den Künstlerinnen und Künstlern, Hut ab vor den Initiatoren, die höchste Kultur in diese abgelegene Bergwelt bringen.

Die Tosca der an der Londoner Guildhall School of Music ausgebildeten Delphine Gillot beeindruckte mit kraftvollen, warmen Tönen, einer stets kontrollierten und nie auch nur im Geringsten dem Vibrato anheimfallenden Stimme. Ihr Spiel – als eifersüchtige und doch hingebungsvolle Geliebte und als kalt entschlossene Tyrannenmörderin – war überzeugend. Ihr stand als kongenialer Partner ein Tenor, der mehrfach preisgekrönte Lausanner Jérémie Schütz gegenüber, der – anfangs hörbar unsicher, dann mehr und mehr souverän – mit stimmlichen Feinheiten und dann wieder emotionsgeladenen Tiefen aufwartete, die einen erschaudern ließen. Der in Paris ausgebildete Marc Mazuir, der ein bedeutendes Repertoire an großen Rollen in seinem Curriculum Vitae aufweisen kann, glänzte als kraftvoller Bariton und überzeugend kalt agierender Bösewicht – niemals dramatisch überspielend und ganz in seiner Rolle ruhend. „Giacomo Puccini, Tosca
Römische Arena Martigny, Wallis, 10. August 2022“
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