Nachdem wegen der Lockdowns Thielemanns Beethoven-Zyklus mit der Sächsischen Staatskapelle lang gestreckt werden musste, konnte er nun endlich Vollendung finden.
Gleich mit Aplomb ging es in der Achten los, die freilich weniger schwergewichtig erscheint im Vergleich mit der Eroica, der Vierten und Siebten. Es war ein kraftvoller schlanker Ton, der diesen Vormittag dominierte, wobei trotz vieler Stellen im Forte die Transparenz einzelner Stimmen stets gewahrt blieb. Besonders plastisch erschien der Beginn im Allegretto scherzando, wo hohe und tiefe Streicher mir filigranen kurzen Phrasen und Gegenphrasen miteinander duettieren. Da ließ sich wieder einmal vernehmen, wie genau in diesem Orchester jeder auf jeden hört, seitens Artikulation, Dynamik und Ausdruck das übernommene Motiv weiterspinnt oder darauf antwortet. „Sächsische Staatskapelle Dresden, Christian Thielemann Solisten: Hanna-Elisabeth Müller, Elisabeth Kulman, Piotr Beczała, Georg Zeppenfeld Semperoper Dresden, 5. September 2021“ weiterlesen
Die Entscheidung der Staatsministerin für Wissenschaft, Kultur und Tourismus, Frau Barbara Klepsch, den Vertrag von Christian Thielemann über 2024 hinaus nicht zu verlängern, traf uns als Orchestermitglieder unerwartet. Die Neubesetzung dieser wichtigen Position wird alle Kapellmusiker*innen in den nächsten Monaten intensiv beschäftigen. Unsere Entscheidung werden wir zum gegebenen Zeitpunkt verkünden.
Wir sind Christian Thielemann für zahllose musikalisch einzigartige Konzert- und Opernprojekte sowie Tourneen in den vergangenen neun Jahren, seit dem er uns als Chefdirigent vorsteht, über die Maßen dankbar. Besonders einprägsam waren eine ganze Reihe von qualitativ hochwertigen und international beachteten Konzertprogrammen, darunter zyklische Aufführungen der Symphonien von Beethoven, Brahms und Bruckner sowie Schönbergs »Gurre-Lieder«, und international euphorisch gefeierte Opernproduktionen wie Wagners »Meistersinger von Nürnberg«, den »Ring« von 2018 und zuletzt »Capriccio« von Richard Strauss. Weitere musikalische Höhepunkte werden in den nächsten drei Jahren folgen, darunter ein Meilenstein das Jubiläum zum 475. Gründungstag der Staatskapelle im September 2023. Und auch darüber hinaus – so der ausdrückliche Wunsch der Kapellmitglieder – möchten wir mit Christian Thielemann als Gast künstlerisch verbunden bleiben. „Stellungnahme der Sächsischen Staatskapelle zur Nichtverlängerung des Vertrags von Christian Thielemann als Chefdirigent, 19.05.2021“ weiterlesen
Mit vitalen, juvenilen Aufschwüngen kommt es in den ersten Takten gleich groß in Fahrt – Strauss’ Heldenleben. Wer jedoch daraus ableitet, es handle sich um ein wuchtiges Werk schamloser Selbstverherrlichung, wie dem Komponisten so manche Kritiker unterstellten, kennt die sinfonische Dichtung schlecht, wird sie doch im weiteren Verlauf über größere Strecken kammermusikalisch filigran. „Christian Thielemann, Erin Morley, Sächsische Staatskapelle Dresden, Semperoper Dresden“ weiterlesen
Die Sächsische Staatsministerin für Kultur und Tourismus, Frau Barbara Klepsch (55, CDU), hat entschieden, den Vertrag mit dem Chefdirigenten der Semperoper, Herrn Christian Thielemann, nicht zu verlängern. Als wir das erfahren haben, stand schnell fest, dass wir der Frau Ministerin, die vor ihrem Ministeramt als Bürgermeisterin mit organisatorischer und struktureller Kompetenz eine Gemeinde im Erzgebirge geführt hat (von 2001 bis 2014 Oberbürgermeisterin von Annaberg-Buchholz), einen Brief schreiben, und Sie bitten möchten, diese Entscheidung zu überdenken.
Wir, Dr. Brigitte Monstadt-Barthier, Kunsthistorikerin, und Olaf Barthier, Autor bei klassik-begeistert, sind schon seit über 20 Jahren der Semperoper verbunden und – obwohl wir inzwischen in Bayreuth wohnen, besuchen wir noch regelmäßig Aufführungen in Dresden. Unsere Frustration über den nahenden Verlust und den damit verbundenen Wegfall von sehr schönen Opernerlebnissen in der Semperoper, hat dazu geführt, nachfolgenden Brief an die Ministerin zu schreiben.
Sehr geehrte Frau Ministerin Klepsch,
2020 sind wir aus Sachsen weggezogen, ein Grund war die politische Situation und Entwicklung in Sachsen. Trotzdem sind wir manchem, und erst recht der Semperoper, auch als Freunde treugeblieben.
Was wir jetzt erfahren müssen, dass Sie den Vertrag mit Herrn Christian Thielemann nicht verlängern, ist unfassbar!
Die Semperoper ist ein Ort, an dem die Werke von Wagner, Weber und Strauss uraufgeführt wurden, und in diesem Bereich ist Herr Thielemann eine weltweit anerkannte Größe. Und vielleicht die Größe schlechthin. Noch dazu ist das ein wichtiges Kapitel sächsischer Kulturgeschichte.
Mit welcher Kompetenz haben Sie so eine Entscheidung getroffen, man kann so etwas auch als schlechten Führungsstil sehen. Wie Sie hoffentlich wissen, ist ein Dirigent kein Solokünstler, sondern jemand, der nur mit einem Team gemeinsam seine künstlerische Fähigkeit zum Ausdruck bringen kann. Und dieses Team, also die Sächsische Staatskapelle Dresden, steht hinter Herrn Thielemann. Entgegen Tradition und Logik wurde es bei der Entscheidungsfindung nicht mit eingezogen.
Was möchten Sie damit erreichen? Vielleicht das Bürgertum aus der Oper kehren und das Opernhaus entweihen?
Auch alle Bemühungen, ein junges Publikum an die Kulturschätze ihrer Eltern, Großeltern sowie Väter und Mütter der sächsischen Geschichte zu zerstören? Die Semperoper ist im nationalen und internationalen Ranking gerade durch Herrn Thielemann und das Orchester berühmt und ein strahlender Leuchtturm. Durch den Rausschmiss von Herrn Thielemann wird es keine Chance mehr geben, mitzuhalten.
Die Häuser in Stuttgart, Berlin, München und Wien werden Dresden weit hinter sich lassen. Nicht nur die Oper, sondern auch Dresden und Sachsen werden dadurch weniger interessant für einen gewissen Touristenkreis. Aber damit erfüllen Sie wieder das außerhalb von Sachsen sich durchringende Gefühl, dass man in Sachsen sowieso keine fremden Menschen, ob aus dem Westen oder gar Ausland, willkommen heißt. Wenn selbst bei einem Besuch die eigene Bundeskanzlerin in Dresden von den Einheimischen auf das Erbärmlichste beschimpft und beleidigt wird, zeigt das die mangelnde Weltoffenheit und Toleranz.
Wir bitten Sie, Ihre Entscheidung bezüglich Herrn Thielemann noch einmal zu überdenken. Es ist keine Schwäche, eine Entscheidung zu ändern, sondern Stärke.
Mit einer Metapher möchten wir diesen Brief beenden: Im Grünen Gewölbe wurden die sächsischen Kronjuwelen gestohlen – und in der Semperoper schmeißt man ein Juwel zum Fenster heraus!
Mit freundlichen Grüßen
Brigitte & Olaf Barthier, Bayreuth, lange Bewohner Dresdens
klassik-begeistert.de, 25. Mai 2012
Persönliche Anmerkung des Herausgebers: Ich kenne fast niemanden, der der Semperoper Dresden und den Bayreuther Festspielen empathischer und symphatischer verbunden ist als das Ehepaar Barthier.
Thielemann gilt zu Recht als „der“ Strauss-Dirigent unserer Zeit, aber in dieser Aufführung kann er nicht wirklich überzeugen. Seine Tempi sind eher schleppend, ein Spannungsaufbau will nicht recht gelingen. Insgesamt lastet über der Produktion die Hypothek der misslichen aktuellen Zustände. Schade!
Semperoper Dresden, Aufzeichnung der Premiere ohne Publikum vom 8. Mai 2021
Richard Strauss, Capriccio
Ursprünglich hätte diese Premiere der Auftakt für ein neues Strauss-Festival sein sollen, das Christian Thielemann in Dresden etablieren wollte. Die Corona-Pandemie hat das Festival verhindert, die „Capriccio“-Premiere wurde vor leerem Haus der Semperoper aufgezeichnet und am 22. Mai gestreamt.
Über der Aufführung liegt nun gleich mehrfach ein Schatten: Nicht nur fehlt atmosphärisch das Publikum im prächtigen Saal der Semperoper, seit zwei Wochen weiß man auch, dass Christian Thielemanns Vertrag in Dresden nicht verlängert wird. Ob man will, oder nicht: Es färbt auf die Aufführung ab, die sich leider bevorzugt in Grau- und Brauntönen als optisch wenig attraktiv erweist. „Richard Strauss, Capriccio Semperoper Dresden, Aufzeichnung der Premiere ohne Publikum vom 8. Mai 2021“ weiterlesen
Klassik vom Feinsten: Die 25 meistgelesenen Beiträge auf Klassik begeistert (3)
3650 Beiträge haben wir als größter Klassik-Blog in Deutschland, Österreich und der Schweiz (google-Ranking) in den vergangenen viereinhalb Jahren veröffentlicht. Jetzt präsentieren wir die 25 meistgelesenen Opern- und Konzertberichte, Interviews, Klassikwelten und Rezensionen – jene Beiträge, die Sie seit Juni 2016 am häufigsten angeklickt haben. Wir wünschen viel Freude beim „Nachblättern“.
Schon die Nornenszene zu Beginn von Richard Wagners Götterdämmerung in der Semperoper Dresden ist auf sensationellem Niveau! Simone Schröder, Christiane Kohl – und allen voran die erste Norn der Mezzosopranistin Okka von der Damerau – singen sie derart stark, dass sich das Eintrittsgeld und weite Anreisen alleine dafür schon gelohnt haben. So gut haben das selbst die erfahrensten Wagnerianer selten oder nie gehört! Die drei Damen packen das Publikum mit schönsten Klängen voller Gefühl und Dramatik. Das ist ganz, ganz groß! Und die Hamburgerin Okka von der Damerau verblüfft selbst anspruchsvollste Zuhörer, die eine Erfahrung von vierzig Ringen haben. Sie ist eine Anwärterin auf den Titel der besten ersten Norn aller Zeiten. „Klassik vom Feinsten: Die 25 meistgelesenen Beiträge auf Klassik begeistert (3)“ weiterlesen
Wolfgang Amadeus Mozart, Don Giovanni (halbszenische Aufführung mit musikalischen Höhepunkten)
von Pauline Lehmann
In das Potpourri der verschiedenen musikalischen Stile, mit denen Mozart in seinem Dramma giocoso spielt, mischt sich an diesem letzten Abend im Oktober der bittere Beigeschmack der Wirklichkeit, die flammenlodernde Höllenfahrt des Don Giovanni ist umrahmt von einer abermaligen Schließung der Theater und Kultureinrichtungen. „Wolfgang Amadeus Mozart, Don Giovanni, Semperoper Dresden, 31. Oktober 2020“ weiterlesen
„Durch die wohligen Klänge der Sächsischen Staatskapelle wird man an diesem Abend vollends von diesem Urlaubs- und Wonnegefühl überwältigt. Christian Thielemann und die Dresdner übermitteln eine ausgelassene Musizierfreude, dass es eine wahre Freude ist.“
Semperoper Dresden, 20. Oktober 2020 3. Symphoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle Dresden
Christian Thielemann, Dirigent Sächsische Staatskapelle Dresden
Ludwig van Beethoven: Symphonie Nr. 6 F-Dur op. 68 »Pastorale« Symphonie Nr. 7 A-Dur op. 92
Sächsische Staatskapelle Dresden Christian Thielemann
Ludwig van Beethoven: Sinfonien 6 und 7
von Kirsten Liese
Es fügt sich gut, dass die Fortsetzung des Dresdner Beethoven-Zyklus mit der „Pastorale“ beginnt. Die Natur, von der sich Beethoven zu seiner Sechsten inspirieren ließ, überwältigt vor allem von den Bäumen, durch die er sich mit seinem Schöpfer verbunden fühlte, kann auch in der aktuell schwierigen Zeit als ein unbelasteter Ort fern von Angst, Panik und Kontrolle erlebt werden, an dem man zur Ruhe kommen und sich erden kann. „Sächsische Staatskapelle Dresden, Christian Thielemann, Semperoper Dresden, 18. Oktober 2020“ weiterlesen
Semperoper Dresden, 3. Oktober 2020 Giacomo Puccini, Tosca (konzertante Höhepunkte)
von Pauline Lehmann
Unter dem Label »Semper Essenz« bringt die Semperoper Dresden seit Spielzeitbeginn Opern im Miniaturformat – in verkürzter Form und halb szenisch arrangiert. An diesem Abend gelingt eine musikalisch vollmundige Tosca, Giacomo Puccinis Opern-Thriller kann sich auf ein großartiges Solistenensemble verlassen und das halbszenische Arrangement strahlt mit einfacher Raffinesse. „Giacomo Puccini, Tosca (konzertante Höhepunkte), Semperoper Dresden, 3. Oktober 2020“ weiterlesen