Bruno Vargas, Aline Lettow (von hinten), Ljuban Živanović, Freja Sandkamm (von hinten), Jeffrey Herminghaus und Johanna Bretschneider © Inken Rahardt
„Fußballoper“
Regie: Inken Rahardt
Dramaturgie: Susann Oberacker
Arrangement: Amy Brinkman-Davis
Musikalische Leitung: Jaerim Kim
Kostüme: Almut Blanke
Besetzung: Johanna Bretschneider, Aline Lettow, Freja Sandkamm, Jeffrey Herminghaus, Bruno Vargas, Ljuban Živanović
Die Produktion wird gefördert von der Stiftung Fußball & Kultur EURO 2024 und der Bundesregierung aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages.
Opernloft im Alten Fährterminal Altona, 31. Januar 2025
von Jolanta Łada-Zielke
Was hat die Oper mit dem Fußball zu tun? Es zeigt sich, dass es möglich ist, beides auf unterhaltsame und zugleich nachdenklich stimmende Weise zu verbinden. Solch eine Idee hat die Regisseurin Inken Rahardt zusammen mit der Dramaturgin Susann Oberacker umgesetzt.
Im Endeffekt ist eine interessante Collage aus Szenen entstanden, die sich auf einem Fußballplatz abspielen und durch musikalische Zitate, arrangiert von Amy Brinkman-Davis, kommentiert werden.
Dies sind nicht nur die Auszüge aus Arien der beliebten Opern oder Chorsätzen wie „O Fortuna!“ von Carl Orff, das „Halleluja“ aus dem Messias und die „Ode an die Freude“ aus Beethovens 9. Sinfonie, sondern auch Popsongs: „We Are The Champions“, „We Will Rock You”, „Auf uns“, oder „Olé, olé, olé“.
Bei den letzteren laden die Künstler das Publikum zum Mitsingen ein. Ebenso die Nationalhymnen von Großbritannien, Frankreich, Italien und Serbien, deren berühmte Spiele man hier darstellt, dürfen nicht fehlen. Die Zuschauer begleiten den Gesang mit Flattern der Papierfähnchen, die ihnen das Theater zur Verfügung stellt. Das macht die Aufführung noch attraktiver.
An dieser Aufführung nehmen sechs junge Sängerinnen und Sänger teil, die jeweils mindestens zwei Rollen spielen. Alle verfügen über herausragende Stimmen und eine ausgezeichnete Gesangstechnik. Bei dem Pop-Repertoire (das für klassische Opernsänger schwierig ist) unterstützen sie sich mit Mikrofonen. Es begleitet sie ein Instrumentalensemble: Keyboard im Wechsel mit Klavier (Jaerim Kim), Kontrabass (Andreas Krumwiede) und Klarinette (Tim Beger).

Die Sopranistin Aline Lettow zeigt zusätzlich zu Ihrer starken, flexiblen Stimme ein komisches Talent in der Rolle des Leder-Balls, obwohl sie auch im lyrischem Repertoire wie „Dich, teure Halle“ aus „Tannhäuser“oder „Un bel dì vedremo“ aus „Madama Butterfly“ sehr überzeugend klingt. Der tiefe und ausdrucksstarke Bass Bruno Vargas, nach einer bravourösen Darbietung von „O, wie will ich triumphieren“ von Mozart erliegt einer Fußballverletzung und fällt wie eine verwelkte Blume aus Siebels Arie aus Gounods „Faust“.
Das Publikum erkennt sofort die Anspielungen auf die authentischen Ereignisse auf dem Spielfeld und die Probleme, die mit diesem Sport verbunden sind: Gewalt unter den Fans, Abstoßen nach einem Misserfolg, vorgetäuschte Liebe, oder die Zurschaustellung des Reichtums der Spielerfrauen. Die dramatischsten Themen illustrieren die Stücke aus dem „Freischütz“ – hier ließ sich die Regisseurin von dem thematischen Zusammenhang leiten.
Das Fußballmaskottchen Hühnchen „gackert“ die Arie der Königin der Nacht, in der Mezzo-Lage, denn das ist die Stimme von Johanna Bretschneider. Mit Hingabe und Präzision führt die Sängerin die Habanera aus „Carmen” auf, obwohl sie in der Brustlage etwas zu rau klingt. Die Couplets des Toreadors singt der klang- und kraftvolle Bariton Jeffrey Herminghaus, aber er verführt Carmen als Don Giovanni und singt mit ihr „Là ci darem la mano“.

Freja Sandkamm verhält sich und klingt wie eine Königin in diesem theatralischen Stadion. Wie immer bewundere ich ihren wunderbaren, kräftigen Sopran mit großem Volumen und einer enormen Ausdruckskraft.
In der Rolle der Schiedsrichterin läuft sie mit Pfeife und strengem Gesichtsausdruck herum, verteilt gelbe Karten an foulende Fußballer und zückt einmal sogar eine rote. Indem sie Verdis Arie „Pace, pace mio Dio“ singt, spielt sie auf ihre undankbare Funktion an, die nicht immer auf Verständnis der Sportler und Fans stößt. Wenn sie Salome verkörpert und „Ah! Ich habe deinen Mund geküsst“ aufführt, ist den Zuschauern klar, dass es um den umstrittenen Kuss von Spaniens Fußball-Präsident Luis Rubiales auf den Mund von Nationalspielerin Jennifer Hermoso nach dem WM-Finale gegen England geht.
Hochdramatisch erklingt die Tenorstimme von Ljuban Živanović in „E lucevan le stelle“; der verzweifelte Cavaradossi muss nach einer Niederlage in einer Fußballmeisterschaft zurück nach Hause. Aber andere Mitstreiterinnen und Mitstreiter trösten ihn mit den Worten des Songs „You’ll Never Walk Alone“.

Almut Blanke hat hervorragende Kostüme entworfen. Das raffinierteste, amüsanteste und zugleich funktionellste ist das von dem Ball: eine schwarze Mütze und weiße Lederweste, ergänzt durch einen weißen Baiser-Rock mit schwarzen Punkten. Interessant sieht auch die Kleidung von Freja Sandkamm aus – eine Kombination aus einer Sportlerin und einer Dame. Carmen trägt ein Kleid mit einer interessanten Schleppe, die aus Fußballtrikots besteht.
Die Regisseurin hat für dieses Spektakel im vergangenen Jahr den Rolf Mares Preis erhalten. Die Jury begründete ihr Urteil wie folgt: „Inken Rahardt hat den Neunzigminüter mitsamt Halb- und Nachspielzeit so lustvoll wie gescheit arrangiert und inszeniert. Ihr Klangmatch entzückt auch all diejenigen, denen die Wege, auf denen das Runde ins Eckige findet, nicht alles in der Welt bedeuten.“

Kein Wunder, dass alle Karten ausverkauft waren. Die Aufführung war großartig, trotz einiger akustischer Missgeschicke, als das Mikrofon zu spät eingeschaltet wurde. Ich habe das Spektakel mit einem so breiten Lächeln verfolgt, dass meine Mundwinkel verkrampft, und meine Hände vom Klatschen geschwollen sind. Kann es eine bessere Empfehlung geben?
Jolanta Łada-Zielke, 5. Februar 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Interview: Der polnische Bass Hubert Kowalczyk klassik-begeistert.de, 21. November 2024