Rentner stören Puccini-Premiere in der Staatsoper Hamburg – oder: Rentner rocken die Oper

Elena Guseva, Komparserie © Brinkhoff/Mögenburg

Der Frust der alten Männer in Hamburg: „Aufhören, wir sind hier in der Oper!“

Staatsoper Hamburg, 15. März 2023
Giacomo Puccini, Il trittico (PREMIERE)
Gianni Schicchi – Il tabarro – Suor Angelica

von Andreas Schmidt

Die Inszenierung von Axel Ranisch an der Staatsoper war eigentlich gar nicht so modern, dass sie ältere und alte Zuschauer in Rage hätte bringen müssen. Sie ist ästhetisch, witzig bis düster, mit ausgezeichneter Personenführung, mit Tiefe, mit Raum, mit Psyche, mit Ästhetik.

Primär ging es um drei Filmclips, in denen bekannte Schauspieler ein fiktives Setting entwarfen.

Das dauerte manchen der betagteren HERRschaften (nur Männer schrieen sich den Frust vom Halse, Frauenstimmen waren nicht zu vernehmen) zu lange. „Aufhören!“, „Wir sind in der Oper!“ und „Das ist ja wie eine Generalprobe“ skandierten Rentner und Pensionäre – vor allem von den etwas preiswerteren Plätzen.

Ruheständler machen sich Luft in der Staatsoper der zweitgrößten deutschen Stadt.

Rentner rocken die Oper!

„Giacomo Puccini, Il trittico, Premiere
Staatsoper Hamburg, 15. März 2023 PREMIERE“
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Spielplan Staatsoper Hamburg Saison ’23/24 – was bleibt ist das umfangreiche Ballettrepertoire von John Neumeier

© Westermann, Staatsoper Hamburg

Der Blick auf die neue Saison der Staatsoper Hamburg ist nicht ungetrübt, lockt aber auch in viele interessante und vor allem gesanglich gut besetzte Aufführungen

Warum aber die Opern Wagners praktisch nicht mehr aufgeführt werden, insbesondere der Ring des Nibelungen, obwohl es dafür ein großes Publikum gibt, bleibt blamabel für ein so großes und bedeutendes Opernhaus wie die Staatsoper Hamburg. Gesanglich setzt sich der in der vorletzten Saison begonnene Wiederaufstieg aber fort. Das hat mit dem Aufbau eines herausragenden Sängerensembles zu tun, aber auch mit dem Engagement zahlreicher bekannt guter Sängerinnen und Sänger.

von Dr. Ralf Wegner

Eine Frage vorweg: Wer besucht eine Oper allein wegen der Inszenierung oder des Bühnenbildes mehrmals? Es wird wohl einige geben, ich kenne aber niemanden. Sind es nicht die Sängerinnen und Sänger und vielleicht noch die Dirigenten, die uns immer wieder in das Opernhaus ziehen? Mit musikalischer Gestaltung und großer Gesangskunst werden wir gelockt und lassen uns berühren von Stimmen, die tiefen Einblick in Seelenlandschaften vermitteln. Jede Besetzung ist anders und führt zu neuen Blicken auf das Stück, während sich der Inszenierungseffekt schnell abnutzt und sich nicht selten ins Gegenteil verkehrt. „Saison ’23/24 Staatsoper Hamburg
11. März 2023“
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Bla bla bla in HH: Die Lenker und Denker der Staatsoper Hamburg leben in einer Blase

Bravo ! Endlich redet mal einer Tacheles. Auf entsprechende Emails an die Pressestelle der Staatsoper habe ich nie eine Antwort bekommen. Ich habe noch die glanzvollen Zeiten mit Rolf Liebermann erlebt, der jeden Abend im Hause war.

Hartmut Funke

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Lieber Herr Funke,

vielen Dank für Ihren kurzen Bericht.

Der ehemalige Direktor der Wiener Staatsoper, Dominique Meyer (heute Chef am Teatro alla Scala di Milano), war während seiner Amtszeit fast jeden Abend in „seinem Haus“, hat Gäste begrüßt, mit ihnen geplaudert, mit den Billeteuren getratscht und den Programmverkäuferinnen. Er verfolgte gut 80 Prozent aller Vorführungen.

Er war präsent.
Er liebt Oper.
Oper ist sein Leben.

Herr Delnon ist nicht präsent. Er ist fast nie abends in „seinem Haus“ – obwohl er einen kurzen Fußweg von der Staatsoper entfernt lebt. Er verließ kürzlich bereits in der Pause eine Vormittagsaufführung „seines Orchesters“ in der Elbphilharmonie.

Zum Glück sind seine Tage im Haus an der Dammtorstraße gezählt. Er hat das Haus nicht einen Zentimeter vorangebracht.

Andreas Schmidt
Herausgeber

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Staatsoper Hamburg, 6. März 2022

Foto Patrik Klein: Kent Nagano (v.l.n.r.), Georges Delnon und Dr. Ralf Klöter

von Andreas Schmidt

Die Staatsoper Hamburg, das Opernhaus der zweitgrößten deutschen Stadt in einer Metropolregion von mehr als 3,5 Millionen Einwohnenr, lädt zu einer Pressekonferenz in das Haus an der Dammtorstraße.

Ein Journalist einer sich im Sturzflug befindenden und inhaltlich bedeutungslos werdenden Hamburger Tageszeitung stellt die Frage nach „den Zahlen“.

Er bekommt vom Geschäftsführenden Direktor Dr. Ralf Klöter keine Antwort.

Wir reden von den Zahlen der Saison 2021 bis 2022! September bis Juni. „Staatsoper Hamburg / Quo vadis?
6. März 2023“
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HH: Die Staatsoper Hamburg kriegt die Hütte nicht voll – das tut weh, nicht aber der Weggang von Kent Nagano und Georges Delnon

Italienische Opernwochen 22/23
Staatsoper Hamburg, 4. und 5. März

Giacomo Puccini, Tosca
Gaetano Donizetti, Lucia di Lammermoor

Foto: Oleksiy Palchykov ©

von Andreas Schmidt

Die Hamburgische Staatsoper, von Schönheit nicht umhüllt, lädt ein zu den Italienischen Opernwochen 22/23.

Da könnte viel gehen. Es geht aber nicht alles.

Nicht einmal das Jahrtausendwerk „Tosca“ ist ausverkauft am Samstag.
5 Prozent Leerstand.

Bei „Lucia di Lammermoor“ am Sonntagnachmittag bleiben 35 Prozent der frei verkäuflichen Plätze frei.

„Italienische Opernwochen 22/23, Giacomo Puccini, Tosca, Gaetano Donizetti, Lucia di Lammermoor
Staatsoper Hamburg, 4. und 5. März 2023“
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Endlich überzeugt wieder ein Tenor als Cavaradossi mit einer Glanzleistung

Andrzej Dobber (Scarpia), Marcelo Puente (Cavaradossi), Natalya Romaniw (Tosca), Paolo Arrivabeni (musikalische Leitung) Han Kim (Angelotti) (Foto: RW)

Marcelo Puente erfüllte als Cavaradossi alle Erwartungen. Mit goldbronzenem Timbre, schön gebundenen Tönen und der nötigen vokalen Durchschlagskraft war es ein Erlebnis, ihm zuzuhören.

Giacomo Puccini
Tosca

Staatsoper Hamburg, 26. Februar 2023

von Dr. Ralf Wegner

Die zuletzt von mir vor eineinhalb Jahren gesehene Tosca-Aufführung war leider erheblich von der stimmlichen Minderleistung des Sängers des Cavaradossi beeinträchtigt gewesen. Heute war es anders. Marcelo Puente erfüllte als Cavaradossi alle Erwartungen. Mit goldbronzenem Timbre, schön gebundenen Tönen und der nötigen vokalen Durchschlagskraft war es ein Erlebnis, ihm zuzuhören. Anfangs, bei der Eingangsarie, charakterisierte seine Stimme noch ein leicht schwebendes, als Gestaltungsmittel eingesetztes Vibrato, was im Laufe des Abends mir nicht mehr auffiel. „Giacomo Puccini, Tosca
Staatsoper Hamburg, 26. Februar 2023  “
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Das Revival der Hamburger Alsterspatzen beschert St. Petri eine Sternstunde und rührt zu Tränen

Was für ein erhabenes Konzert.
Was für ein wunderbarer Chor.
Welch unique Musikalität aller Beteiligten.
Was für eine tolle Gemeinschaft fürs Leben –
viele Spatzen hatten nach dem Schlusston Tränen in den Augen,
jede umarmte ihre Nachbarin.

Ich wäre auch gern ein Spatz gewesen.


„Kommt mit in unser Land der Lieder“

Gedenkkonzert für Jürgen Luhn (23. November 1939 – 17. November 2022), Gründer und Leiter der Hamburger Alsterspatzen von 1975 bis 2019

St. Petri Hamburg (Hauptkirche), 25. Februar 2023


von Andreas Schmidt

Stellen Sie sich bitte vor, Sie sitzen in einer der schönsten protestantischen Kirchen Deutschlands, mitten in der Hamburger Innenstadt, an der Mönckebergstraße… ein Chor steht bereit mit mehr als hundert Frauen, das erste Lied fängt an, und die Stimmen dieser Frauen werfen Sie zurück in die Kirchenbänke, so rein, so klar, so unisono und voller jugendlicher Strahlkraft.

1991 Jügen Luhn © Alsterspatzen

Als das Lied „Komm mit mir ins Land der Lieder“ ertönt, erfüllt viele Besucher in der bis auf den letzten Platz gefüllten Hamburger Hauptkirche ein wohliges Gänsehautgefühl. Mich auch.

„Hamburger Alsterspatzen (Revival), Gedenkkonzert für Jürgen Luhn
St. Petri Hamburg (Hauptkirche), 25. Februar 2023“
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Omer Meir Wellber folgt 2025 Kent Nagano an der Staatsoper Hamburg

Omer Meir Wellber © Rouven Steinke

Dirigent Omer Meir Wellber folgt Kent Nagano an der Staatsoper Hamburg

Der israelische Dirigent Omer Meir Wellber, 41,  wurde von klassik-begeistert bereits mehrmals gehört und beschrieben als junger, aufstrebender, faszinierender Dirigent!

Ab Sommer 2025 wird er Generalmusikdirektor an der Hamburgischen Staatsoper und Chefdirigent des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg.

Klassik-begeistert gratuliert Omer Meir Wellber zu seiner neuen Aufgabe und freut sich schon auf viele neue musikalische Impulse und wunderschöne Konzertabende!

Wikipedia: Omer Meir Wellber (geboren am 28. Oktober 1981 in Be’er Scheva, Israel) ist ein israelischer Dirigent. Er ist Musikdirektor der Volksoper Wien[1] und Music Director des Teatro Massimo[2] Palermo. Er war häufig Gastdirigent an der Israeli Opera und ist seit 2009 Musikdirektor des 1991 für die Integration von jüdischen Emigranten in Israel geschaffenen Raanana Symphonette Orchestra. Von 2018 bis 2022 war er Erster Gastdirigent der Semperoper Dresden und bis 2022 Chief Conductor des BBC Philharmonic[3]. Von 2010 bis 2014 amtierte er als Nachfolger von Lorin Maazel als Generalmusikdirektor des Palau de les Arts Reina Sofía in Valencia. Regelmäßig tritt Wellber zudem an den Opernhäusern in Berlin, Dresden, Wien, Venedig, Mailand und Verona auf.[4]

Liebe Leserinnen und Leser, gerne können Sie unsere bereits erschienenen Beiträge hier nachlesen:

Gustav Mahler, Wolfgang Amadeus Mozart, Wiener Symphoniker, Omer Meir Wellber, Dirigent Warschau, Filharmonia Narodowa (Nationalphilharmonie), 18. November 2022

Wiener Symphoniker, Julian Rachlin, Violine, Omer Meir Wellber, Dirigent, Wiener Konzerthaus, 20. Mai 2021

Omer & Friends – Konzert im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festivals Gut Pronstorf, Kuhstall, 23. August 2022

 

Christopher Evans und Félix Paquet als Mann im Schatten verschmelzen in einem grandios getanzten Todes-Pas de deux

Foto: (RW), Xue Lin (Odette), Félix Paquet (Der Mann im Schatten), Christopher Evans (Der König), Charlotte Larzelere (Prinzessin Natalia, seine Verlobte)

Christopher Evans sieht sein aggressives Verhalten, wie die Verletzung, die er seiner Mutter antat, begreift aber nicht mehr, dass er es war, der damit den finalen Eklat auslöste. Evans zieht sich in seine Depressionsblase zurück und erlebt den Mann im Schatten nicht mehr als Feind, sondern als tröstenden Freund. Am Ende gibt er sich ihm ganz hin: Christopher Evans und Félix Paquet als Mann im Schatten verschmelzen in einem grandios getanzten Todes-Pas de deux.

Illusionen – wie Schwanensee
Ballett von John Neumeier
Musik von Peter I. Tschaikowsky

Hamburg Ballett, die zweite Besetzung

Staatsoper Hamburg, 16. Februar 2023

von Dr. Ralf Wegner

Jede Aufführung ist anders, und das liegt nicht nur an tänzerisch-technisch unterschiedlichen Fähigkeiten der alternierenden Besetzungen. Vielmehr lassen Neumeiers Choreographien darstellerische Variationen zu, die von den Tänzerinnen und Tänzern auch mit innerer Hingabe auszufüllen sind. Das liegt nicht jedem und jeder, wird aber bei Neumeiers Balletterziehung stärker berücksichtigt als offenbar anderswo. Wenn diese Begabung, das Innere nach außen zu kehren und tänzerisch zu übersetzen nicht so stark betont wird, fehlt manchen Aufführungen des Hamburger Ballettmeisters bei anderen Ballettensembles zwar nicht die technisch-tänzerische Brillanz, aber die psychologische Durchdringung der jeweiligen Rollen. „Illusionen – wie Schwanensee, Ballett von John Neumeier
Staatsoper Hamburg, 16. Februar 2023, zweite Besetzung“
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Tschaikowskys Oper „Eugen Onegin“ gewinnt die Herzen des HH-Publikums mit einer ausgezeichneten Besetzung

Nach dem 4. Bild, Tatjanas Namenstag: Peter Hoare (Triquet), Janina Baechle (Filipjewna), Ruzan Mantashyan (Tatjana), Alexey Bogdanchikov (Eugen Onegin), Dovlet Nurgeldiyev (Wladimir Lenski), Marta Swiderska (Olga), dahinter Katja Pieweck (Larina), Hubert Kowalczyk (Ein Hauptmann) (Foto: RW)

Das Philharmonische Staatsorchester Hamburg spielte unter der Leitung von Lidiya Yankovskaya fabelhaft auf, die Gefühlswelten dieser Oper immer wieder intensiv durchmessend. Der Schlussbeifall für diese musikalische Sternstunde in der Hamburgischen Staatsoper war langandauernd und jubelnd und schloss alle Beteiligten ein.

Eugen Onegin, Oper von Peter I. Tschaikowsky

90. Vorstellung seit der Premiere am 11. Februar 1979

Staatsoper Hamburg, 14. Februar 2023


von Dr. Ralf Wegner

Über der Aufführung lag ein Schleier von Traurigkeit. Bei früheren Vorstellungen war mir das nie so aufgefallen. Vielleicht berührt Tschaikowskys Oper über unerfüllte Liebe mehr, je älter man wird. Jüngere würden wahrscheinlich sagen, wie blöd kann Tatjana eigentlich sein, um sich nach einem unverbindlichen Besuch einem wildfremden Mann an den Hals zu werfen.

Tatjana ist aber für ihren Mut zu bewundern, sie wirft sich Onegin nicht an den Hals, sondern bekennt sich zu ihren Gefühlen und überlässt ihm die Wahl. Sie macht etwas, was früher Männern vorbehalten war, sich zu einer Liebe zu bekennen und ggf. einen Korb hinzunehmen. „Eugen Onegin, Oper von Peter I. Tschaikowsky
Staatsoper Hamburg, 14. Februar 2023“
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John Neumeiers Schwanensee altert nicht

Alina Cojocaru, Alexandr Trusch und Madoka Sugai (Foto: RW)

Neumeier gelingt es mit seiner Choreographie, dem technisch-Artistischem des nach Marius Petipa und Lew Iwa­now getanzten Grand Pas de deux Sinn zu geben. Natalia erkennt während einer Privatvorstellung des weißen Schwanenaktes die Verschrobenheit des Königs und überrascht diesen beim Maskenball mit dem Auftritt in einem Schwanenkostüm. Die anschließenden hohen Sprünge und Drehungen des Königs sind Ausdruck eines freudigen Erstaunens und seiner beginnenden Zuneigung, die Prinzessin Natalia mit ihren schwierigen Fouettés und ihren Arabesken dankbar erwidert.

Illusionen wie Schwanensee

Ballett von John Neumeier mit Choreographien von Lew Iwanow und Marius Petipa

Musik von Peter I. Tschaikowsky

Wiederaufnahme an der Staatsoper Hamburg, 11. Februar 2023


von Dr. Ralf Wegner

Vor 5 Jahren sahen wir erstmals Alexandr Trusch und Ma­dokai Sugai in Neumeiers Schwanensee, auch Jacopo Bel­lussi und David Rodríguez waren damals schon als Graf Alexander sowie als Mann im Schatten dabei. Trusch fehl­te es noch an Präsenz für die Königsrolle, Sugai durchwanderte bei ihren mit mehr­fa­chen Drehungen gespickten Fouettés im Grand Pas de deux fast die halbe Bühne. Bellussi überraschte damals mit hohen Sprüngen und perfekten Doppeldrehungen, Rodríguez gab ein gelungenes Debüt. „Illusionen wie Schwanensee, Ballett von John Neumeier
Staatsoper Hamburg, 11. Februar 2023“
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