Endlich wieder Oper live! Das Publikum feiert Claudio Monteverdis „L’incoronazione di Poppea“

Wiener Staatsoper, 3. Juni 2021
Claudio Monteverdi, L’incoronazione di Poppea

Foto: Solotänzer Camilo Mejía Cortés mit Kate Lindsey und Slávka Zámečníková als Nero und Poppea in Monteverdis „L’incoronazione di Poppea“ an der Wiener Staatsoper im Mai 2021. (Wiener Staatsoper / Michael Pöhn)

von Peter Sommeregger

Claudio Monteverdis Oper „L’incoronazione di Poppea“ ist über die Jahre und durch die Innovationen der barocken Musikszene zu einem Repertoirestück geworden. Der für ein Opernlibretto erstaunlich tiefsinnige Text trägt durchaus zu der Attraktivität des Werkes bei, Unmoral macht sich auf der Bühne dann doch ganz gut.

An der Wiener Staatsoper erlebt das Werk erst die zweite Inszenierung, nachdem Herbert von Karajan 1963 eine für heutige Begriffe völlig unzulängliche Version dirigierte. Heute weiß man, dass Monteverdis Partitur, die im Original nicht erhalten ist, praktisch nicht zu rekonstruieren ist. „Claudio Monteverdi, L’incoronazione di Poppea
Wiener Staatsoper, 3. Juni 2021“
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Wiener Staatsoper plant 2021/22 mit Anna Netrebko und Cecilia Bartolis Debüt

Spielplan-Präsentation der Saison 2021/22, Wiener Staatsoper, 3. Juni 2021

Rossini-Mania, Mozart, Wagner und klassisch gewordene Meisterwerke des 20. Jahrhunderts. All das steht an der Wiener Staatsoper im Mittelpunkt der Saison 2021/22. Calixto Bieito inszeniert „Tristan und Isolde“, Barrie Kosky startet einen neuen Da Ponte-Zyklus. Neben Superstars wie Anna Netrebko, Plácido Domingo und Jonas Kaufmann, werden auch einige neue Gesichter am Haus zu sehen sein.

von Jürgen Pathy

Mit der Ouvertüre zu „Le Nozze di Figaro“ eröffneten Musikdirektor Philippe Jordan und das Staatsopernorchester die Programmpräsentation für die Saison 2021/22. Direkt im großen Saal der Oper. Nicht, wie die letzten Saisonen, in den Räumlichkeiten des Mahlersaals. Die Auswahl der Musik war kein Zufall. Mozart stehe in der kommenden Saison, ebenso wie Wagner, im Mittelpunkt, sagte Bogdan Roščić, der auf der Bühne durch diese Spielplan-Präsentation führte.

„Spielplan-Präsentation der Saison 2021/22
Wiener Staatsoper, 3. Juni 2021“
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WIEN: Die Australierin Nicole Car ist ein neuer Star am Sopranhimmel, und Frank Castorf nervt mit Brause-Schleichwerbung

Die Australierin Nicole Car ist ein neuer Star am Sopranhimmel. Auch an diesem letzten Faust-Abend an der Wiener Staatsoper bot sie die beste Leistung in allen Akten. Lyrische wie dramatische Stellen gelangen ihr wunderbar.  Ihr Timbre ist einzigartig, unverwechselbar, mit absolutem Wiedererkennungswert. Und dann drehte die Australierin in den dramatischen Schlussakten so richtig auf. Die Stimme strahlte, bot viel Kraft, ohne dabei Wärme vermissen zu lassen. Nicole Car ist in Wien keine Unbekannte. Sie hat bereits mehrere Partien ihres lyrischen Faches im Haus am Ring gesungen. Für die Marguerite ist ihr gut geerdeter Sopran bestens geeignet, sie wird sowohl den lyrischen Passagen als auch den dramatischen Ausbrüchen gerecht. Ihr leicht abgedunkeltes Timbre hat sehr persönliche, individuelle Farben.

Lesen Sie gleich bitte den Beitrag von Jürgen Pathy von der ersten Vorstellung am Mittwoch: „Obwohl Startenor Juan Diego Flórez die Paradearie „Salut, demeure chaste et pure“ mit unheimlicher Grazie und Lyrik zu gestalten wusste, über weite Strecken stieß er als Faust an seine Grenzen. Vielleicht ist der Vorstoß ins dramatischere Fach doch nicht die beste Idee gewesen. Flórez, der als Tenore di grazia ohne Zweifel zu den Größten zählt, besitzt einfach nicht das Material, um im jugendlichen Heldenfach zu reüssieren. Zumindest nicht in dieser Partie. Und nicht an einem Haus wie der Wiener Staatsoper, wo das Orchester derart dominierend und exponiert in Stellung liegt.“

Die 5 Jahre alte Stuttgarter Inszenierung von Frank Castorf ist live etwas besser und intensiver als am Bildschirm daheim. Weniger (Live-)Videos wären sicher mehr gewesen. Ob der deutsche Regisseur den Seh-Geschmack des Wiener Opernpublikums traf, das an diesem Abend einen Altersschnitt jenseits der 60 hatte, ist fraglich. Noch am Mittwoch hatte es einen Buh-Orkan für die Regie gegeben. Anspielungen auf den Algerienkrieg (1954 – 1962) und Bilder davon bleiben ein Mirakel des Regisseurs. Überhaupt: Wer schon öfter Castorf gesehen hat, ist enttäuscht von der minimalen Wandlungsfähigkeit dieses Kulturschaffenden. Da ist so vieles der Abklatsch von so vielem. Wer den Castorf-Ring in Bayreuth gesehen hat, den langweilt die geistige Stagnation  dieses Künstlers. Tiefpunkt des Abends war die permanente Schleichwerbung für einen US-amerikanischen Brausehersteller auf großen Neon-Leuchten. In der Pause fragten sich Gäste, wie viel Dollar der Konzern der Wiener Staatsoper oder Herrn Castorf wohl überwiesen haben dürfte für dieses „product placement“.

Andreas Schmidt, Herausgeber, 24. Mai 2021 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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Foto: © Michael Pöhn

Wiener Staatsoper, 19. Mai 2021
Faust, Charles Gounod

„Faust, Charles Gounod
Wiener Staatsoper, 23. Mai 2021“
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Monteverdi in Wien: Von der wirklich spannenden Geschichte bleibt nichts übrig

Slávka Zámečníková und Ensemble. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

PREMIERE WIENER STAATSOPER, 22. Mai 2021
L’INCORONAZIONE DI POPPEA von Claudio Monteverdi

von Heinrich Schramm-Schiessl (onlinemerker.com)

Es war der 1. April 1963 als erstmals – wenn man dem Staatsopernarchiv vertraut – eine Oper von Claudio Monteverdi auf dem Spielplan des Hauses am Ring stand. Es war „L’incoronazione di Poppea“. Am Pult stand Herbert von Karajan, inszeniert hat Günther Rennert und Sena Jurinac sowie Gerhard Stolze waren Poppea und Nerone. Im Orchestergraben sass natürlich das Staatsopernorchester und man spielte das Werk in einer Fassung des Dirigenten und Musikwissenschaftler Erich Kraack. Die Produktion wurde ein Riesenerfolg, was man jederzeit auch auf einer CD nachhören kann. „L’INCORONAZIONE DI POPPEA v. Claudio Monteverdi
PREMIERE WIENER STAATSOPER, 22. Mai 2021“
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Mit dieser „Tosca“ bestätigt die Wiener Staatsoper ihre weltweite Spitzenstellung – auch dank Sonya Yoncheva und Ambrogio Maestri

Wiener Staatsoper, 21. Mai 2021
Giacomo Puccini, Tosca

Foto: Sonya Yoncheva und Ambrogio Maestri, Michael Pöhn ©

von Andreas Schmidt

Allein ihr „Vissi d’arte…“ war den Eintritt zehnfach wert.

Wer diese Ausnahmeerscheinung, diese Primadonna assoluta, am Freitagabend in der Wiener Staatsoper in der Jahrtausendoper „Tosca“ von Giacomo Puccini erleben durfte, wurde Zeitzeuge eines musikalischen Ausnahmeerlebnisses.

Sonya Yoncheva als Tosca in Wien: Hier singt eine Sopranistin auf dem Höhepunkt ihrer Schaffenskraft, hier offenbart sich stimmliche Vollkommenheit und Genauigkeit und paart sich mit spielerischer Freude.

Sonya Yoncheva war an diesem Abend stimmlich umwerfend, sinnlich, weich, aber auch kapriziös, manchmal mit angenehmer Schärfe in den Eifersuchtsszenen. Das „Vissi d’arte“ hatte an Wärme und Wohlklang nicht seinesgleichen. „Giacomo Puccini, Tosca
Wiener Staatsoper, 21. Mai 2021“
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Gastbeitrag: Deutscher Regisseur verteufelt Goethe und Gounod

Wiener Staatsoper, 19. Mai 2021
Charles Gounod, Faust, Premiere vor Publikum

Foto: Kammersänger Juan Diego Flórez (Faust) und Nicole Car (Marguerite) © Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

von Dr. Sieglinde Pfabigan

Was Frank Castorf beim Bayreuther „Ring“ nur in Ansätzen gelingen konnte, nämlich: alle Charaktere der Wagnerschen Tetralogie in den Dreck zu ziehen, das wurde ihm in der Geschichte von Faust und Mephisto schon dadurch erleichtert, dass da wirklich der Teufel eine Hauptrolle spielt. Man merkt es in jeder einzelnen Szene – es darf keine positiven oder gar edlen Figuren in seinem verderbten Paris geben. Die einzige  Person, bei der sich das kaum machen lässt, ist der Titelheld (dem man dieses Privileg hier eigentlich aberkennen müsste).

Und da Charles Gounod seinen Faust noch dazu als Tenor auftreten lässt, macht Castorf ihn im Vorspiel einfach zu einem alten zittrigen Trottel und nach seiner Verjüngung allein schon optisch zu einer unansehnlichen Figur, in schwarzer Hose nebst schwarzem Leibchen, so unauffällig wie möglich, ein junger Mann, mit dem Méphistophélès machen kann, was er will, sodass nur noch seine hohe Stimmlage und deren sichere Beherrschung sein Dasein rechtfertigen. Für alles andere ist er dem Regisseur wohl zu blöd. Mir hat der vortreffliche Sänger Juan Diego Flórez richtig leid getan, dass er nichts weiter als ein Tenor sein durfte. „Charles Gounod, Faust, Premiere vor Publikum
Wiener Staatsoper, 19. Mai 2021“
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Frank Castorfs Stuttgarter „Faust“ in Wien: Musikalisch hervorragend – auf der Bühne second hand trash

Anmerkung des Herausgebers: Heute, am 9. Mai 2021, läuft ab 20.15 Uhr diese alte Wiener Faust-Inszenierung (made in Stuttgart) im ORF III. Ich habe den Fernseher nach 15 Minuten abgedreht und höre die Musik ohne Bilder – Frank Castorfs Inszenierung ist ein Trauerspiel, dem Regisseur fällt wirklich nichts Neues mehr ein. Bitte lesen Sie diesen wunderbaren Bericht von Peter Sommeregger.

„So siegt einmal mehr die Musik über den Regisseur, dem man dringend eine Weiterentwicklung seines Stils wünschen würde.“

Charles Gounod, Faust
Livestream aus der Wiener Staatsoper am 29. April 2021

Foto: Nicole Car, Juan Diego Flórez. Foto: Trailer / WSO

WIENER STAATSOPER STREAMTE DIE PREMIERE „FAUST“ IN DER INSZENIERUNG VON FRANK CASTORF

In Kooperation mit der Staatsoper Stuttgart (mit anderen Worten, die Castorf-Inszenierung läuft seit vielen Jahren in Stuttgart)

Musikalische Leitung,    Bertrand de Billy
Doktor Faust,    Juan Diego Flórez
Marguerite,    Nicole Car
Méphistophélès,    Adam Palka
Inszenierung,    Frank Castorf

von Peter Sommeregger

Man fühlt sich versetzt in das frisch wiedervereinigte Berlin der frühen Neunzigerjahre, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz. Frank Castorf als Guru der neuen Theaterästhetik verblüffte und polarisierte sein Publikum mit immer neuen, zum Teil sehr schrägen Einfällen. Das hatte was Erfrischendes, man hatte das Gefühl, Theatergeschichte zu erleben. Dreißig Jahre später erlebt man aber ein permanentes Déjà-vu und fragt sich, warum der ergraute Regisseur sich jeder Weiterentwicklung störrisch widersetzt. „Charles Gounod, Faust
Livestream aus der Wiener Staatsoper am 29. April 2021“
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Interview Christa Ludwig (* 16. März 1928 in Berlin; † 24. April 2021 in Klosterneuburg): „Ich glaube nicht an Gott“

Die Kulturjournalistin und Klassik-begeistert-Autorin Kirsten Liese, Berlin, hat die Jahrhundertsängerin Christa Ludwig anlässlich ihres 90. Geburtstages am 16. März 2018 interviewt. Wir bringen dieses beeindruckende Interview noch einmal in voller Länge.

Christa Ludwig war kein sentimentaler Mensch. „Sängerin möchte ich nie wieder sein!“, hatte die gebürtige Berlinerin und große Mezzosopranistin in ihren neuen Lebenserinnerungen „Leicht muss man sein“ proklamiert, die sie aus Anlass ihres 90. Geburtstages veröffentlichte. 1994 hatte Ludwig als Klytämnestra mit ihrem 769. Auftritt in der Wiener Staatsoper ihren Bühnenabschied genommen. Nun ist einer der großen Opernstars des 20. Jahrhunderts im Alter von 93 Jahren verstorben. (SN) 

Foto: Christa Ludwig ©

Interview: Kirsten Liese

Frau Ludwig, Ihr Bühnenabschied liegt mittlerweile 24 Jahre zurück. Er ist Ihnen damals nicht so schwer gefallen wie vielen anderen Kollegen ihrer Generation und insbesondere Dietrich Fischer-Dieskau, der sagte, ein Sänger sterbe immer zweimal. Welche Bedeutung hatte Ihr Beruf für Sie?

Ludwig: Als ich 17 war, ging es einfach nur darum, meine Eltern und mich über Wasser zu halten. Im Krieg hatten wir alles verloren und da habe ich zugesehen, dass ich Geld verdiene.

Meine Mutter, die auch meine Lehrerin und Lebensberaterin war, sagte dann immer zu mir: „Christa bedenke, es ist nur Theater!“

Ich habe gern gesungen, wenn ich gut bei Stimme war, hatte das Glück, mit den besten Dirigenten und Regisseuren zusammenzuarbeiten. Aber ich habe immer mit Texten gelebt, die 100 Jahre alt waren oder älter. Zur Realität hatte ich gar keinen Bezug. Erst wenn man dann nicht mehr im Beruf steht, hat man die Möglichkeit, nachzudenken, was das überhaupt ist: das Leben. Insofern war ich froh, als ich mit dem Singen aufgehört habe. „Interview mit Christa Ludwig zum 90. Geburtstag am 16. März 2018
klassik-begeistert.de“
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Juan Diego Flórez singt als Faust wunderschöne Phrasen und zeigt große Präsenz

Nicole Car, Juan Diego Flórez. Foto: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn ©

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Nicole Car, Juan Diego Flórez. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

von Heinrich Schramm-Schiessl (onlinemerker.com)

Ein besonderes Glück hat die Wiener Staatsoper mit ihren Inszenierungen des „Faust“ seit 1955 ja nicht. Die erste Inszenierung 1963 durch Paul Hager – damals noch unter dem Titel „Margarethe“ – hatte einen ziemlichen Geruch nach Pappendeckel mit einer eher hilflosen Personen- und Chorführung. 1985 versuchte sich dann Ken Russell an dem Werk und konnte sich einige blasphemische Einlagen nicht verkneifen. Die Neuproduktion 2008 war ursprümglich Nicolas Joël anvertraut. Dieser musste jedoch krankheitshalber während der Proben aufgeben und die Arbeit wurde von seinem Assistenten fertiggestellt. Auch mit dieser Inszenierung wurde man nicht glücklich, da sie auch eine gewisse Hilflosigkeit ausstrahlte.

Die aktuelle Produktion wurde nicht für Wien erarbeitet sondern stammt wieder einmal aus der Einkaufstour des Direktors in der Opernboutique. Es ist die Stuttgarter Inszenierung von Frank Castorf, und bei ihm spielt das Stück natürlich nicht in einer deutschen Kleinstadt im Mittelalter,  sondern verlegt es – laut Information der Staatsoper – in das Paris der Uraufführungszeit und verquickt es mit dem Paris um 1960, was man aber auch nicht merkt. Ich hätte einmal an einer Malaktion Valentins  – auch das gibt es wieder einmal – bemerkt, es würde um die Zeit des Algerienkrieges spielen. Ist letztendlich egal, Logik war noch nie Castorfs Stärke.  Hauptelement der Inszenierung sind wieder einmal Videos, ohne die es im Regietheater offenbar nicht mehr geht. Diese Videos zeigen einerseits das, was man ohnehin auf der Bühne sieht, bzw. sind Einspielungen von Aktionen innerhalb des Bühnenbildes oder Einspielungen aus Paris bzw. historische Filme. Grundsätzlich muss man sagen, dass diese Videos mittlerweile ziemlich nerven, denn im Theater möchte ich Aktionen auf der Bühne sehen, Videos schaue ich mir im Fernsehen an.

Natürlich erzählt Castorf nicht wirklich die Geschichte, sondern das, was er dafür hält. Da ist der alte Faust kein Gelehrter, der an sich selbst verzweifelt, sondern offenbar ein Unterstandsloser. Die Verwandlung findet derart statt, dass Mephisto ihm den schäbigen Mantel auszieht und er sich selbst die graue Perücke und den Bart abnimmt. Margarethe ist natürlich kein unschuldiges junges Mädchen – so etwas gibt es in der Gedankenwelt Castorfs ja nicht – sondern eine Hure, die mit ihrer Kollegin Marthe in ihrem Etablissement eine Opiumpfeife raucht. Siébel ist kein junger Student, sondern eine junge Frau, die offenbar in Margarethe verliebt ist – auch das muss heute dabei sein.

Mephisto ist tatsächlich ein Teufel, nur zu Beginn verkleidet, sonst deutlich als solcher erkennbar an Fellhose und Klumpfuss. Das ganze spielt, wie schon erwähnt, in Paris und hat der Bühnenbildner Aleksandar Denić auf einer Drehbühne eine 3D-Collage verschiedener Örtlichkeiten gebaut. Einige Szenen spielen an anderen Orten als im Libretto vorgesehen, so gibt es z.B. kein Gefängnis. Am Ende stirbt Margarethe übrigens nicht an Schwäche, sondern trinkt ein Glas Champagner offenbar mit Gift. Die Personenführung von Castorf ist nicht sonderlich ausgeprägt und mit dem Chor weiss er, wie fast alle Regietheaterregisseure , nichts anzufangen. Ebenso hält er natürlich nicht aus, wenn nur Musik ertönt. Diesmal wird allerdings nicht nur die Ouvertüre illustriert sondern zeitweise auch stückfremde Texte rezitiert. Die Kostüme von Adriana Braga-Peretzki waren ein bunter Mischmasch verschiedener Epochen. Aber was soll man sagen, wo Castorf draufsteht ist halt auch Castorf drin.

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Martin Häßler, Peter Kellner, Adam Palka. Copyright:
Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Zufriedener konnte man mit dem musikalischen Teil des Abends sein. Juan Diego Flórez ist im Zuge seiner Facherweiterung bei der französischen Oper wesentlich besser aufgehoben. Diese Werke kommen seiner Stimme viel mehr entgegen. Sein Faust war stimmlich von Beginn an ausgezeichnet, die Spitzentöne kamen alle sicher und auch sonst sang er wunderschöne Phrasen und zeigte große Präsenz. Ein guter Schauspieler wird er zwar nicht mehr werden, aber seine Rollengestaltung war zufriedenstellend. Nicole Car hat für die Margarethe fast schon eine zu dramatische Stimme, der vor allen Dingen in der Gartenszene, die hier natürlich nicht in einem Garten spielt, etwas die jugendliche Leichtigkeit fehlte. Dafür konnte sie dann in den dramatischen Momenten des vierten und fünften Aktes, speziell in der Kirchen- und der Schlussszene auftrumpfen. Die Höhen kamen sicher und waren nur manchmal etwas scharf. Adam Palka, mit der Inszenierung quasi aus Stuttgart mitgekommen, sang den Mephisto durchaus eindrucksvoll, auch wenn ihm leider die notwendige schwarze Dämonie fehlte. An frühere Interpreten dieser Rolle durfte man allerdings nicht denken. Étienne Dupuis liess als Valentin einen schönen Bariton hören, sang ein schönes Gebet und war durchaus eindrucksvoll in der Todesszene. Kate Lindsey sang eine(n) gute(n) Siébel und war darstellerisch bemüht. Monika Bohinec (Marthe) und Martin Häßler (Wagner) waren zufriedenstellend. Ausgezeichnet der von Thomas Lang einstudierte Chor.

Am Dirigentenpult stand Bertrand de Billy, der schon die letzte Premiere dirigierte. Er hat zur französischen Oper einen guten Zugang und leitete die Aufführung mit viel Schwung. Mit den dramatischen Stellen konnte man zufrieden sein, während in den lyrischen Passagen etwas mehr Feinarbeit wünschenswert gewesen wäre.

Am Schluss habe ich mich wieder einmal gefragt, warum ich, als jemand der Oper liebt, ansehen muss, was andere nur intessiert, weil es anders ist.

Heinrich Schramm-Schiessl, 30. April 2021   

P.S.: In einer Fernsehserie spielte einmal eine Szene in der Oper und am Ende gibt es ein massives Buhkonzert für den Regisseur. Bei der Garderobe sieht man dann ein junges Paar, das von der Regie begeistert war und sagt: „Weisst Du, was mich eigentlich wirklich gestört hat, war die Musik“. An diese Szene musste ich gestern öfter denken.

Österreich will Lockdown am 19. Mai beenden

Foto: Wiener Staatsoper, M. Pöhn ©

von Jürgen Pathy

Endlich ist es soweit: Am 19. Mai können in Österreich wieder Veranstaltungen stattfinden. Das gab die Regierung am Freitagnachmittag in einer Pressekonferenz bekannt. Das heißt, nicht nur Gastronomie, Sport und Tourismus sollen wieder öffnen, sondern auch die Theater, Opernhäuser und Konzertsäle des Landes. Erstmal mit beschränkter Zuschauerzahl, aber egal:

Endlich wieder das Orchester der Wiener Staatsoper live hören. Endlich wieder die weltbesten Sänger und Sängerinnen hautnah spüren und fühlen. Zumindest, wenn die Ankündigungen umgesetzt werden, die Bundeskanzler Sebastian Kurz und sein Regierungsteam am Freitag veröffentlicht haben. „Das Licht am Ende des Tunnels wird heller“, sagte Kurz zu Beginn der Pressekonferenz im Wiener Weltmuseum. „Österreich will Lockdown am 19. Mai beenden
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