Kein Stein bleibt auf dem anderen: „Parsifal“ an der Wiener Staatsoper – Serebrennikov inszeniert ein gewaltiges Spektakel

Parsifal wird von Jonas Kaufmann, der diese Partie gut kennt, nur teilweise überzeugend geboten. Mittellage und Ausdruck sind seine Stärken. Solange es nicht zu schwindelerregend in die Höhe führt, scheint auch die Strahlkraft gelegentlich zurück. Allerdings hat Kaufmann immer wieder gewaltig zu kämpfen. Gut, dass er nicht allzu viel zu tun hat.

Foto: Jonas Kaufmann. © Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

„DER KLANG WIRD ZUM RAUM“

Wiener Staatsoper, 11. April 2021 (Stream bei ARTE Concert vom 18. April)
Richard Wagner, Parsifal

von Jürgen Pathy

Nichts konnte ihn stoppen. Kein Corona, keine Verurteilung und kein Ausreiseverbot. Obwohl Kirill Serebrennikov in Russland festsitzt, brachten er und sein Team an der Wiener Staatsoper die lange ersehnte Neuinszenierung von „Parsifal“ auf die Bühne. Und die kann sich sehen lassen! Bei Serebrennikov bleibt kein Stein auf dem anderen. Passend zu seinen Lebensumständen, verlegt er die Gralsburg kurzerhand in eine Haftanstalt.

„Richard Wagner, Parsifal
Wiener Staatsoper, 11. April 2021 (Stream bei ARTE Concert vom 18. April)“
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„Parsifal“ aus Wien: Harsche Bilder, herausragende Stimmen

Aufzeichnung der Premiere mit Weltklasse-Besetzung in der Wiener Staatsoper vom 11. April 2021 bei Arte Concert (18. April 2021)
Richard Wagner: Parsifal

Foto: Jonas Kaufmann und Elīna Garanča, M. Pöhn ©

Jonas Kaufmann (Parsifal)

Elīna Garanča (Kundry)

Ludovic Tézier (Amfortas)

Georg Zeppenfeld (Gurnemanz)

Wolfgang Koch (Klingsor)

Stefan Cerny (Titurel)

Inszenierung   Kirill Serebrennikov, Evgeny Kulagin

Dirigent   Philippe Jordan

von Peter Sommeregger

Nur vier Jahre nach der letzten Neuinszenierung leistet sich die Wiener Staatsoper einen neuen „Parsifal“. Mit Kirill Serebrennikov wählte man einen Regisseur, der aus politischen Gründen in Russland festgehalten wird und die Regiearbeit daher nur virtuell, via Skype und Smartphone leisten konnte. Über Sinn und Unsinn solcher Konstellationen lässt sich trefflich streiten, das Resultat jedenfalls ist nicht nur optisch suboptimal, um es freundlich auszudrücken. „Richard Wagner: Parsifal
Aufzeichnung der Premiere in der Wiener Staatsoper vom 11. April 2021 bei Arte concert (18. April 2021)“
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Simon Stones „Traviata“ in Wien: Sex, Lügen und Videos

Live-Stream Wiener Staatsoper, 7. März 2021

Pretty Yende, Juan Diego Flórez. Copyright: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Giuseppe Verdi, La Traviata
Violetta Valéry  Pretty Yende
Alfredo Germont  Juan Diego Flórez
Giorgio Germont   Igor Golovatenko
Musikalische Leitung   Giacomo Sagripanti
Inszenierung  Simon Stone

von Peter Sommeregger

Verdis „Traviata“ in völlig ungewohntem Ambiente: Das wurde schon oft versucht, aufgegangen ist diese Rechnung noch nie. Genau betrachtet ist die Basis des Stoffes schon eine zweifelhafte. Mit dem Roman „Die Kameliendame“ schrieb sich der jüngere Alexandre Dumas seine unglückliche Liebe zu einer Kurtisane, sprich Edel-Prostituierten, von der Seele, der er in einer amour fou verfallen war. Diese schon vom Autor geschönte Geschichte wurde durch Verdis Librettisten noch weiter verkitscht. Die tief im 19. Jahrhundert verwurzelte Geschichte nun tagesaktuell aufzupeppen kann von vorne herein nicht gelingen.

Violetta begegnet uns hier mit Smartphone bewaffnet als It-Girl bzw. Influencerin. Leider lässt uns Simon Stone sogar ihre Whatsapp-Nachrichten mitlesen, welche die Heldin doch als sehr schlichtes Wesen zeigen. Wir erhalten Einblicke in ihre „Bling-Bling“-Welt, können Nachrichten über eine wohl schwere Erkrankung mitlesen. Ganz unvermittelt ist Violetta auf einmal mit Alfredo zusammen – da auf Bühnenbild und Requisiten weitgehend verzichtet wird, spielt die Handlung buchstäblich im luftleeren Raum, in dem dann auch Alfredos Vater auftaucht, und Violetta zum Verzicht auf den Geliebten überredet, aus gesellschaftlichen Zwängen. „Giuseppe Verdi, La Traviata
Live-Stream Wiener Staatsoper, 7. März 2021“
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Bogdan Roščić, der neue starke Mann an der Wiener Staatsoper (Pathys Stehplatz 2)

Foto: Bogdan Roščić vor der Wiener Staatsoper © Lalo Jodlbauer

Lange Zeit hat er sich kämpferisch gegeben. Dann hat auch er nachgeben müssen. Obwohl Bogdan Roščić alles versucht hat, um den normalen Spielbetrieb so lange wie möglich aufrechtzuerhalten – seit 3. November 2020 ist die Wiener Staatsoper geschlossen. „Stumm“, wie es auf der Licht-Installation stand, die an der Fassade des Hauses angebracht wurde. Eine Idee von Roščić. Nicht das einzige Zeichen, dass im „ersten Haus am Ring“ ein neuer Wind weht. Zeit für ein kurzes Resümee…

von Jürgen Pathy

Seit Juli 2020 ist Bogdan Roščić nun Direktor der Wiener Staatsoper. Sein Auftrag ist klar. Zumindest, wenn man seine Aussagen und sein Handeln auf einen Nenner bringt: Das Haus soll einer deutlichen Verjüngungskur unterzogen werden. Das ist nicht erst klar, seitdem er im ZiB-Interview betonte, dass es eine große Enttäuschung wäre, wenn er den Altersdurchschnitt der Besucher in fünf Jahren nicht deutlich gesenkt haben werde. Bereits 2016 gab es erste Anzeichen. Damals verkündete Kanzleramtsminister Drozda, er wolle mit Roščić eine „Oper 4.0“ erschaffen. Was immer damit gemeint war, wird nun deutlich.

„Bogdan Roščić, Direktor Wiener Staatsoper (Pathys Stehplatz 2)
klassik-begeistert.de“
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„Carmen“ in der Wiener Staatsoper: Eine so prachtvolle „Röhre“ imponiert immer

carmen am auto 
Alle Fotos: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Wiener Staatsoper / STREAM – TV: 
CARMEN von Georges Bizet
Premiere: 21. Februar 2021   

von Dr. Renate Wagner (onlinemerker.com)

Nicht, dass man die „Carmen“-Inszenierung des Calixto Bieito nicht kennen würde. Schließlich hat sie schon 22 Jahre auf dem Buckel, da muss sie einem interessierten Opernfreund schon begegnet sein. Oder auch mehrmals – auf der DVD mit Béatrice Uria-Monzon aus Barcelona, auf YouTube aus Venedig, und die Pariser Oper hat einmal ihre Aufführung mit der Garanča gestreamt. Also olle Kamellen? Na ja, immerhin eine Produktion, die schon das Lob ernten konnte, „fulminant“ und ein „Klassiker“ zu sein. Also an der Zeit, den in den Kulissen schlissig gewordenen Zeffirelli wegzuwerfen und Calixto Bieito nun auch in Wien auf die Bühne zu bringen? Wir sind ja bekanntlich in allem spät dran.

„Georges Bizet, Carmen
Wiener Staatsoper, 21. Februar 2021“
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Totale Hingabe

Spanische Hofreitschule, Wien, Met Stars Live in concert (Stream),
6. Februar 2021
Anna Netrebko
Elena Maximova, Mezzosopran
Pavel Nebolsin, Piano

Foto: Weltstar auf dem Triumphbogen: Anna Netrebkos Konzertkulisse in der Spanischen Hofreitschule.© Jürgen Hausmann/Met Opera

von Jürgen Pathy

Sie kann alles! Egal, ob reizendes Püppchen, dramatische Femme fatale oder sanfte Diva. Das beweist Anna Netrebko, der unüberwindbare Superstar der Oper, ein weiteres Mal – und wie. Obwohl nur per Live-Stream, der immer mit Vorsicht zu genießen ist, legt sie in der Spanischen Hofreitschule in Wien ein weiteres Mal Zeugnis davon ab, weshalb sie als klare „Primadonna assoluta“ unserer Zeit gilt. „Anna Netrebko, Elena Maximova, Pavel Nebolsin, Piano,
Spanische Hofreitschule, Wien, Met Stars Live in concert (Stream), 6. Februar 2021“
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Le Nozze di Figaro aus Wien: Ein Schritt zurück - in die Zukunft

Wiener Staatsoper,  Live-Stream vom 7. Februar 2021
Wolfgang Amadeus Mozart: Le nozze di Figaro

Foto: Wiener Staatsoper / M. Pöhn (c)

Marcellina – Stephanie Houtzeel
Don Basilio – Josh Lovell
Don Curzio – Andrea Giovannini
Don Bartolo – Evgeny Solodovnikov
Antonio – Marcus Pelz
Barbarina – Johanna Wallroth
Count Almaviva – Andrè Schuen
Countess Almaviva – Federica Lombardi
Susanna, the countess’s maid – Louise Alder
Figaro, personal valet to the count – Philippe Sly
Cherubino, the Count’s page – Virginie Verrez

Dirigent, Philippe Jordan

von Peter Sommeregger

Der neue Direktor der Wiener Staatsoper, Bogdan Roščić, hatte die Idee, zum Teil schon sehr alte, aber erfolgreiche Inszenierungen wieder zurück ins Repertoire zu holen, und dafür misslungene Inszenierungen des gleichen Werkes zu entsorgen.

Ein besonderer Glücksfall ist die Wiederbelebung der Jean-Pierre-Ponnelle- Inszenierung des Figaro. Sie stammt bereits aus den 1970er-Jahren, hat aber nichts von ihrer Frische und Stimmigkeit verloren. So will man Oper sehen,  vom Regisseur geformte Figuren, stimmiges Ambiente, mit der Musik und nicht gegen sie inszeniert. Da sehen auf einmal im Vergleich aktuelle Regisseure peinlich alt aus und entlarven sich teilweise als Dilettanten. Moderne zeitgemäße Ansätze mögen für manche Stücke passend sein, bei dieser zeitlosen Komödie möchte man die Kirche aber doch gerne im Dorf belassen sehen. „Wolfgang Amadeus Mozart, Le nozze di Figaro
Wiener Staatsoper,  Live-Stream vom 7. Februar 2021“
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"Star-Tenor" Jonas Kaufmann in der besten Oper der Welt: Echter Verdi, echte Emotion klingen anders

Klassik vom Feinsten: Die 25 meistgelesenen Beiträge auf Klassik begeistert (6)

3600 Beiträge haben wir als größter Klassik-Blog in Deutschland, Österreich und der Schweiz (google-Ranking) in den vergangenen viereinhalb Jahren veröffentlicht. Jetzt präsentieren wir die 25 meistgelesenen Opern- und Konzertberichte, Interviews, Klassikwelten und Rezensionen – jene Beiträge, die Sie seit Juni 2016 am häufigsten angeklickt haben. Wir wünschen viel Freude beim „Nachblättern“.

6 –Giuseppe Verdi, Don Carlos, Wiener Staatsoper, 27. September 2020

Jonas Kaufmann wird seines großen Namens zu selten gerecht. Nur gelegentlich, wie zum Beispiel im Abschiedsduett zwischen Don Carlos und Elisabeth, lässt er die Herzen des Publikums höherschlagen. Der Rest ist überwiegend ziemlich ernüchternd. Woran das ganz genau gelegen hat, ist schwierig zu beantworten. Ob einfach nur an der Stimme, die dauerhaft zu wenig differenziert und weil eben „ingolata“ einschläfernd wirkt, oder auch am Dirigat Bertrand de Billys, das ebenso wenig zupacken kann und nur durch oberflächlich, reinen Schönklang in Erinnerung bleibt – vermutlich von allem ein wenig. Echter Verdi, echte Emotion klingen anders.

Foto: Jonas Kaufmann; Wiener Staatsoper © Michael Pöhn
Giuseppe Verdi, Don Carlos

Wiener Staatsoper, 27. September 2020

von Jürgen Pathy

Verdi auf Französisch – nein, danke! Mag es zwar löblich sein, dass Bertrand de Billy das Original mühevoll rekonstruiert hat, die volle Wirkung kann Verdis Meisterwerk im Grunde nur in italienischer Sprache entfachen. Vor allem emotional und musikalisch. Die Rede ist von „Don Carlos“. Nicht umsonst hat Verdi sich die Arbeit angetan, die Grand opéra im klassischen Stil zu kürzen und zu streichen. Für die italienische Neugestaltung, die 1884 an der Mailänder Scala aufgeführt wurde, nahm er nicht nur einige Änderungen vor, sondern eliminierte die Hälfte der Musik und komponierte ein Drittel zur Gänze neu.

Weshalb, das durfte man gestern an der Wiener Staatsoper zur Kenntnis nehmen. „Don Carlo“ als „Don Carlos“, also in der französischen Urfassung von 1867: langweilig! Vor allem der erste Akt, den Verdi in der späteren Fassung komplett gestrichen hatte, ist geprägt von Langatmigkeit und musikalisch gähnender Leere. „Klassik vom Feinsten: Die 25 meistgelesenen Beiträge auf Klassik begeistert (6)“ weiterlesen

Eigentlich alles wie immer: Die Silvester-Fledermaus in Wien

Cornelius Meister 2018, Foto: Marco Borggreve

Wiener Staatsoper, 31. Dezember 2020, 17 Uhr
Live-Übertragung über play.wiener-staatsoper.at

Die Fledermaus (Musik von Johann Strauß)

Die staatliche Fensterscheibe, die Polka „Unter Donner und Blitz“, dazu Orchester und Gesang auf Weltklasse-Niveau: Eigentlich alles wie immer bei der Silvester-Fledermaus. Einige Gesangsrollen waren sogar besonders stark besetzt, selbst für Wiener Verhältnisse. Eine Pandemie kann vieles verändern, aber nicht die Silvester-Fledermaus. Nur die Silvestereinlage bei Orlofsky hat gefehlt.

von Johannes Fischer

Die große Herausforderung dieser Oper ist, neben dem Sängerischen, auch das Schauspielerische. Dann sollten alle auch noch Walzer tanzen können. In Wien waren, wie gewohnt, ausschließlich Sängerinnen und Sänger tätig, die diesen Spagat zu meistern wussten. „Die Fledermaus (Musik von Johann Strauß),
Wiener Staatsoper, 31. Dezember 2020“
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Silvester in Wien ohne “Fledermaus“? Undenkbar!

Foto: © Wiener Staatsoper

Johann Strauß, Die Fledermaus

Wiener Staatsoper Livestream vom 31. Dezember 2020

Gabriel von Eisenstein – Georg Nigl
Rosalinde – Camilla Nylund
Frank – Jochen Schmeckenbecher
Prinz Orlofsky – Okka von der Damerau
Alfred, ein Tenor – Michael Laurenz
Dr. Falke – Martin Häßler
Adele – Regula Mühlemann
Frosch – Peter Simonischek
Dr. Blind – Robert Bartneck
Ida – Ileana Tonca
Iwan – Jaroslav Pehal

Dirigent, Cornelius Meister

von Peter Sommeregger

Man muss der Wiener Staatsoper dankbar sein: Durch den Livestream einer „Fledermaus“ am Nachmittag des 31. Dezembers wendet sie das Undenkbare ab, nämlich an diesem Tag ohne Johann Strauß‘ erfolgreichste und beste Operette auskommen zu müssen.

Die geniale Musik allein kann es nicht sein, die dieses Bühnenwerk so besonders populär gemacht hat. Die eigentlich eher schlicht gestrickte Geschichte aus dem gehobenen Bürgertum des späten 19. Jahrhunderts auch nicht. Deren Höhepunkt, ein opulentes Fest beim russischen Fürsten Orlofsky, sprengt schon eher den Rahmen und gibt Gelegenheit zu einer geradezu orgiastischen Champagner-Seligkeit. „Johann Strauß, Die Fledermaus,
Wiener Staatsoper Livestream, 31. Dezember 2020“
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