Asmik Grigorian und Jonas Kaufmann sind bei dieser Turandot das Traumpaar schlechthin

Turandot © Wiener Staatsoper/Monika Rittershaus

Turandot
Musik von Giacomo Puccini
Libretto von Giuseppe Adami und Renato Simoni nach Carlo Gozzi

Wiener Staatsoper, 10. Dezember 2023

Inszenierung: Claus Guth

Besetzung: Asmik Grigorian, Jonas Kaufmann, Kristina Mkhitaryan, Jörg Schneider, Dan Paul Dumitrescu u.a.

Chor der Wiener Staatsoper, Bühnenorchester der Wiener Staatsoper, Opernschule der Wiener Staatsoper

Orchester der Wiener Staatsoper

Dirigent: Marco Armiliato

von Herbert Hiess

Offenbar fühlen sich manche Regisseure nur dann bestätigt, wenn sie ein Werk Lichtjahre vom Libretto entfernt inszenieren und der Großteil des Publikums nichts mehr vom Original erkennt. So auch Claus Guth, der dieses Mal sein Regiekonzept völlig in den Sand setzte – da helfen auch ein paar großartige Momente nichts mehr. „Giacomo Puccini: Turandot
Wiener Staatsoper, 10. Dezember 2023“
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Neue Wiener Turandot: Kaufmann kann Calaf, Claus Guths Inszenierung triumphiert auf den letzten Metern  

Turandot © Monika Rittershaus, Wiener Staatsoper

Diese Regie von Claus Guth kam, sah und siegte… und zwar auf den letzten Metern! Musikalisch liefern sich Kristina Mkhitaryans Liù und Asmik Grigorians Turandot ein spannendes Sopranderby um ihren Calaf… und der Superstartenor Jonas Kaufmann hat endlich seine Paraderolle gefunden. Ganz nebenbei: Die Turandot-Tondichtung im Graben der Wiener Staatsoper.  

Turandot
Musik von Giacomo Puccini
Libretto von Giuseppe Adami und Renato Simoni nach Carlo Gozzi

Wiener Staatsoper, 10. Dezember 2023

 von Johannes Karl Fischer

Turandot gesteht Calaf ihre Liebe, das überglückliche Liebespaar soll nun zum Kaiserpaar gekrönt werden… doch was ist das? Turandot ergreift mit Calaf die Flucht vor ihrem Vater? Ja, und besser gesagt: Vor der Herrscherklasse Chinas. „Giacomo Puccini, Turandot
Wiener Staatsoper, 10. Dezember 2023“
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Merbeth und Nylund kämpfen mit der Radikalität einer „Elektra"

Ricarda Merbeth © Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Elektra, Richard Strauss

Wiener Staatsoper, 9. Dezember 2023

von Jürgen Pathy

Unausgeschlafen zu einer „Elektra“ – ACHTUNG: keine Empfehlung. Während die „Salome“ schon an der Grenze der Tonalität kratzt, hat Richard Strauss bei der ersten Zusammenarbeit mit Hugo von Hofmannsthal alle Grenzen gesprengt. Hysterie, Wahnsinn, Schizophrenie.

Ein extremes Musikerlebnis, das in der Radikalität den einzigen Ausweg findet. Flucht während der Aufführung: unmöglich. Keine Pause, ein Einakter, der knappe zwei Stunden am Nervenkostüm rüttelt. Erst nach rund 30 Minuten die ersten Ruhepole: „Agamemnon, Agamemnon…“, ruft Elektra, „wo bist du?“ Erst da die ersten Gefühle des Wohlwollens, der Wärme aus dem Orchestergraben.

„Elektra, Richard Strauss
Wiener Staatsoper, 9. Dezember 2023“
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Er kam, sah und siegte fast: Jonas Kaufmanns Debüt als Calàf in Wien

Turandot © Wiener Staatsoper / Monika Rittershaus

Einen Unfug sondergleichen hat Claus Guth in Wien auf die Bühne gestellt. Die Regie: Beim Publikum eindeutig durchgefallen. Anders kann man es nicht deuten, dass nach rund drei Stunden so viele ihrem Unmut lautstark freien Lauf lassen. Ein derartiger Buh-Orkan weht dem Regieteam selbst im konservativen Wien nur selten entgegen. Zum Glück retten einige „Jahrhundertstimmen“, wie manch ein Operngänger lobt, die medial hochgepushte „Turandot“-Neuproduktion an der Wiener Staatsoper.

Turandot, Giacomo Puccini

Wiener Staatsoper, 7. Dezember 2023 (Premiere)

von Jürgen Pathy

Die Geschichte von Puccinis letzter Oper ist eigentlich recht simpel. Die chinesische Prinzessin Turandot lässt einen Freier nach dem anderen abschlachten. Denn keiner kann die von ihr gestellten Rätsel lösen. Nur Prinz Calàf, der ihr nach dem ersten Anblick völlig erliegt, schafft es. „Turandot, Turandot, Turandot…“, ruft er hunderte Male. Sie hat ihm den Kopf verdreht. Nur zu ihr will er. Dass die verletzte Seele das mit allen Mitteln verhindern will, liegt an ihrer Vergangenheit. Ihre Ahnin hat man einst vergewaltigt. Dafür lässt sie nun alle Männer büßen. Eine „Märchenoper“, die man in der Regel gerne mit viel opulentem „China-Kitsch“ und Massenszenen ausstattet. Sklaven, die man über die Bühne peitscht inklusive.

„Turandot, Giacomo Puccini
Wiener Staatsoper, 7. Dezember 2023 (Premiere)“
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Sollen wir den Tod fürchten oder ihn verlachen?

Le Grand Macabre © Michael Pöhn, Wiener Staatsoper

Die größte Anstrengung des Lebens ist, sich nicht an den Tod zu gewöhnen (Elias  Canetti)

György Ligeti
“Le Grand Macabre”

Musikalische Leitung: Pablo Heras-Casado
Inszenierung und Bühne: Jan Lauwers
Kostüme: Lot Lemm
Choreographie: Paul Blackman & Jan Lauwers
Choreinstudierung: Jozef Chabron

Slowakischer Philharmonischer Chor
Orchester der Wiener Staatsoper
Bühnenorchester der Wiener Staatsoper

Wiener Staatsoper, 17. November 2023

von Dr. Rudi Frühwirth

Ich bin mit großen Erwartungen in die Staatsoper gegangen und bin tief beeindruckt, aber auch etwas verwirrt wieder herausgekommen.

Beeindruckt war ich von der musikalischen wie der szenischen Qualität der Produktion, verwirrt von der Fülle an Bildern, der kaum fassbaren Vieldeutigkeit des Textes und der proteushaften Wandlungsfähigkeit der Musik. „György Ligeti, “Le Grand Macabre”
Wiener Staatsoper, 17. November 2023“
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Ligeti und Bruegel schlagen mit dieser Oper dem Tod ein Schnippchen

Ein Meisterstück des Operndirektors war es, dieses superbe Opus mit ins Programm zu nehmen. Natürlich ist der 100. Geburtstag des Komponisten der richtige Anlass dazu – aber man darf sich nichts vormachen. „Le Grand Macabre“ ist absolut nicht repertoiretauglich wie eine „Zauberflöte“ und „La Traviata“. Das Werk braucht ein spezielles Orchester, die Tänzer, den Chor und durchwegs hervorragende Solisten, die das Werk durch und durch kennen. Da wird es vielleicht einmal einen Block als Wiederaufnahme geben. Die Zukunft dieser Oper im Spielbetrieb kann man indes mit Zweifeln betrachten. Aber nichtsdestotrotz war diese Aufführung zu Recht ein totaler Triumph und man kann froh sein, das erlebt haben zu dürfen.

Aufführung am 14. November 2023 in der Wiener Staatsoper

György Ligeti, Le Grand Macabre
Inszenierung: Jan Lauwers

Georg Nigl, Gerhard Siegel, Wolfgang Bankl, Marina Prudenskaya, Sarah Aristidou, Andrew Watts

Slowakischer Philharmonischer Chor
Orchester der Wiener Staatsoper

Dirigent: Pablo Heras-Casado

Bunter Abend mit Weltuntergangsfantasien: Sarah Aristidou (Chef der Gepopo/Venus), Georg Nigl (Nekrotzar), Gerhard Siegel (Piet vom Fass, re.) © Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

von Herbert Hiess

„Verkauft’s mei’ G’wand, I fahr’ in’n Himmel“. Der Spruch, der die berühmte Wiener Todessehnsucht charakterisiert, dürfte offenbar György Ligetis Motto für seine einzige Oper „Le Grand Macabre“ gewesen sein.

In vier Bildern erzählt der 1923 in Rumänien und 2006 in Wien verstorbene Komponist vom Umgang der Menschen mit dem Tod. Die Oper basiert auf dem Gemälde von Pieter Bruegel dem Älteren „Der Triumph des Todes“, das heute im Madrider Prado hängt. „György Ligeti, Le Grand Macabre, Georg Nigl, Marina Prudenskaya, Slowakischer Philharmonischer Chor, Pablo Heras-Casado
14. November 2023, Wiener Staatsoper“
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Ohren auf, Augen auf: An der Wiener Staatsoper bläst Ligetys ulkige Endzeitoper ins musikalische Füllhorn

Sarah Aristidou (Chef der Gepopo/Venus), Georg Nigl (Nekrotzar), Gerhard Siegel (Piet vom Fass, re.) © Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Saufen und Fressen bis zum Umfallen. Mit der Oper „Le Grand Macabre“ hat der Komponist György Ligety die Triebe des Menschen auf die Schaufel genommen. Wollust, Macht und Unterdrückung inklusive – alles mit dabei, was in die Abgründe der menschlichen Seele entführt. Dass selbst der Tod davor nicht gefeit ist, macht ihn richtig menschlich. Bei Regisseur Jan Lauwers flucht der im biederen Bühnenbild, das dem Trend der Zeit folgt. Erst die Tanztruppe verleiht dieser Inszenierung das Prädikat „sehenswert“.

György Ligeti,  Le Grand Macabre 

Wiener Staatsoper, 11. November 2023 (Premiere)

von Jürgen Pathy

„Tuut-tuuut“, quietscht es aus dem Orchestergraben. Bereits nach den ersten Takten ist klar: Schmeißt die Hörgewohnheiten über Board, lasst euch fallen. Sonst wird dieser Abend eine herbe Enttäuschung. In den 1970er Jahren hat Ligety seine einzige Oper zu Blatt gebracht, die in Stockholm uraufgeführt wurde. Dass man samtweiche Bögen vergebens suchen wird, ist somit im Vorfeld klar. Die Hälfte des Orchestergrabens ist mit Schlagwerk gefüllt, die Streicher ausgedünnt – fünf Geigen, fünf Bässe, vier Celli. Stattdessen Hupen und Türklingeln.

„György Ligeti, Le Grand Macabre
Wiener Staatsoper, 11. November 2023 (Premiere)“
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Bach und Ballett: Eine perfekte Symbiose zwischen Musik und Tanz

Foto: Youn William © Irene Zandel

Es werde Licht. Die Goldberg-Variationen funktionieren als Ballett nicht nur. Nein, im Gegensatz zur rein musikalischen Interpretation am Klavier öffnen sie sogar ein komplett neues Universum. In der Choreographie von Heinz Spoerli potenzieren sie die Kraft der Partitur ins Unermessliche. Dem Schweizer, der unter anderem in Wien, Paris und Mailand gerabeitet hat, ist Außergewöhnliches gelungen: Eine ästhetische Symbiose aus Tanz und Musik, bei der man in der Wiener Staatsoper eine Stecknadel fallen hören könnte.

Goldberg-Variationen, Ballett 


Wiener Staatsoper, 7. November 2023 


von Jürgen Pathy

Pianist William Youn kostet dabei die ganze Bandbreite des Klaviers aus. Von tänzelnder Rasanz bis hin zu Temporeduktionen, bei denen einige Variationen fast zum Stillstand gelangen. Das Wiener Staatsballett schwebt dazu über die Bühne. Ganz in Weiß zu Beginn. Bei Variation Nr. 3 zum ersten Mal in Farbe. Hellblau schimmern die hautengen Anzüge, die nur knapp über die Brust reichen und bis zum Ende in den Farben variieren – sowohl bei den Herren als auch bei den Damen des Corps de Ballett, das seit 2020 Martin Schläpfer leitet. Ende 2025 ist Schluss für den Schweizer. Nach externer und interner Kritik verlässt er die Wiener Staatsoper. Keine Träne dürfe man ihm nachtrauern, ist mir Mal zu Ohren gekommen. Viel zu düster sei sein künstlerischer Zugang. Das möge man in Wien nicht.

„Goldberg-Variationen, Ballett 
Wiener Staatsoper, 7. November 2023 “
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Zum Sterben schön: Anna Netrebko berührt als Manon mit innigen Gefühlen und großer Leidenschaft

© Michael Pöhn, Wiener Staatsoper

Geld oder Liebe? In Puccinis melodramatischem Meisterwerk Manon Lescaut wird Anna Netrebko in der gleichnamigen Rolle genau vor diese Entscheidung gestellt. Entweder sie entscheidet sich für das Geld oder aber für die Liebe! Beides kann sie nicht haben.

Manon Lescaut
Musik von Giacomo Puccini

Inszenierung: Robert Carsen

Anna Netrebko, Davide Luciano, Joshua Guerrero, Evgeny Solodovnikov

Wiener Staatsoper, 9. November 2023 

von Nicole Hacke

In einer zeitgemäßen Inszenierung an der Wiener Staatsoper greift der Regisseur Robert Carsen dieses hochaktuelle Dilemma auf und katapultiert es in die konsumgeschwängerte Ellbogengesellschaft der Gegenwart.

In einer Shoppingmall, in der sich teure Boutiquen wie glänzende Perlen zu einer Kette aneinanderreihen, flaniert Manon von Schaufenster zu Schaufenster und bewundert die teure Couture-Ware in den Auslagen. Genau dort, an diesem höchst unromantischen Ort, trifft sie auf den mittellosen Studenten René Des Grieux. „Giacomo Puccini, Manon Lescaut
Wiener Staatsoper, 9. November 2023 “
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Ein herausragender, glänzender Baritenor Jonas Kaufmann zerrt Verdis "Otello" in Wien aus dem Mittelmaß

Aufführung am 3. November 2023 in der Wiener Staatsoper
Giuseppe Verdi, Otello

Inszenierung: Adrian Noble
Jonas Kaufmann, Rachel Willis-Sørensen, Ludovic Tézier, Monika Bohinec, Bekhzod Dravonov u.a.

Chor der Wiener Staatsoper
Orchester der Wiener Staatsoper
Dirigent: Alexander Soddy

Der tatsächliche Held des Abends war aber Jonas Kaufmann. Der Heldentenor, dem man schon unzählige Krisen und Mängel vorgeworfen hat, bewies an diesem Abend, dass er noch immer unschlagbar ist. Man kann ihn – auch historisch gesehen – auf den Spitzenplatz als Interpret des venezianischen Feldherrn setzen. Mit seinem baritonalen Tenor – schon fast ein Baritenor – gab er die Rolle eine hochinteressante Färbung. Schon sein Auftritt mit dem „Esultate“ war bestimmend für den Abend. Mit heldischem Klang fesselte er das Publikum und seine Kollegen auf der Bühne. Und sogar am Schluss das Vorschlags-h zum a war völlig prägnant. Damit hatte sogar Plácido Domingo immer Probleme. Seine Interpretation war immer auf dem Punkt; nichts wurde dem Zufall überlassen. Jonas Kaufmann hat sich mit dieser Interpretation in den Olymp als Interpret des „Otello“ gesungen und ihm gelang es sogar, die ansonsten nicht einwandfreie Aufführung auf ein gewaltiges Niveau zu heben.

von Herbert Hiess

Das sind die Tücken des Repertoirebetriebes: Da kann es passieren, dass ein Startenor die wahrscheinlich beste Interpretation des venezianischen Feldherrn bringt, die man sich nur wünschen kann, und dann muss er immer wieder sich mit Mittelmaß im Orchestergraben und auf der Bühne herumschlagen – aber dazu später. „Giuseppe Verdi, Otello, Jonas Kaufmann, Ludovic Tézier
Wiener Staatsoper, 3. November 2023“
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