CD-Besprechung:
Instrument des Jahres hin oder her. Klar, Wagner, Bruckner, Mahler etc. – das ist opulente Musik, die ohne diese mächtigen Blechblasinstrumente, wie Tuba, Posaune oder Horn nicht denkbar wäre. Aber als Soloinstrument? Tuba? Ein großes, glänzendes Ding, das, wie der Tubist und Kabarettist Andreas Hofmeir kürzlich im WDR-Klassik-Forum erklärte, zur Darstellung von schlechtem Wetter und Flatulenzen dient?
„Porteño“, Works for tuba, harp, piano.
Siegfried Jung, Johanna Jung, Susanne Endres
Erschienen bei Hänssler Classic 2024.
von Dr. Regina Ströbl
Nun, es geht auch anders und das belegt die CD „Porteño“ von Siegfried Jung, Tubist im Orchester des Nationaltheaters Mannheim und seit 2018 auch Mitglied des Orchesters der Bayreuther Festspiele. Zusammen mit seiner Frau Johanna Jung, Harfenistin im Philharmonischen Orchester der Hansestadt Lübeck und ebenfalls solistisch tätig, sowie der Pianistin Susanne Endres hat er nun ein Album mit Musik südamerikanischer Komponisten herausgebracht. Gemeinsam mit Susanne Endres bildet Jung das international gastierende Duo Compagni.
„Ein Porteño ist ein entwurzelter Italiener, der spanisch spricht, sich französisch benimmt und wünscht, er wäre Engländer“. So klingt eine Definition des Begriffes, der sich eben in Südamerika verorten lässt. Darin spiegelt sich auch die Vielfalt der Einflüsse und wenn dann ein „Porteño“ z.B. Rumänien besucht, ergibt sich ein so ganz besonderes Werk wie die Suite „Un Porteño en Bucarest“ von Gerardo Gardelín. Mit diesem Auftragswerk beginnt die abwechslungsreiche und reizvolle Reise durch die eher jazzige, swingende und tanzende Welt der Tuba. Wer hätte gedacht, daß das so gut aufgeht? Außer Kompositionen von Gardelín, der auch einige der Stücke neu arrangiert hat, sind Werke von Enrique Crespo, Ángel Villoldo und Carlos Gardel zu hören – unbekanntes und Stücke, die ein “ach ja, das auch, wie schön“ entlocken.
Man möchte sofort wahlweise mit einem guten Getränk am Kamin sitzend oder auf einer Terrasse den sommerlichen Sonnenuntergang betrachtend den Tag mit dieser Musik ausklingen lassen. Dass die Tuba dabei so ungemein farbenreich, kräftig wie zart klingt, liegt an dem wunderbar weichen Ton, den Siegfried Jung dem Instrument entlockt. Besonders ansprechend, geradezu bewegend klingt es im Zusammenspiel mit der Harfe in Gardelíns „Between us“, in dem alle Seiten einer Beziehung dargestellt werden. Die Vielfalt der Rhythmen spiegelt sich in Crespos „Escenas Latinas“ wider.
Trotz der teilweise recht angezogenen Tempi bleibt jeder Ton klar und hörbar; da wird nichts geschmiert oder verwischt. Alles klingt transparent, das ist beeindruckend. Dabei bleibt der Charakter des jeweiligen Stückes immer erkennbar, ein Tango ist eben ein Tango, bei Villoldos „El Choclo“ ebenso wie bei Gardels „Por una cabeza“. Weit weg von der Schwere des großen Blechs in romantischen Symphonien oder Opern zeigt Siegfried Jung leichtfüßig, geschmackvoll und mit viel Gefühl für südamerikanische Musik, wozu eine so exzellent gespielte Tuba auch fähig ist.
Spielte Jung bei den genannten Stücken jeweils mit Klavier oder Harfe zusammen, bildet Gardelíns „El Inmortal, Fantasia en forma de Tango“ mit allen drei Musikern den fulminanten Schlusspunkt der CD. Allerspätestens da bleibt kein Fuß mehr ruhig.
Bemerkenswert ist zudem, dass hier insgesamt zwar die Tuba im Mittelpunkt steht, aber die begleitenden Instrumente weder dominiert noch überdeckt. Gleichberechtigt spielen sich Tuba und Klavier bzw. Harfe im Dialog die Töne zu und überraschenderweise klingt die Kombination mit der Harfe ganz besonders reizvoll. Das soll das hervorragende Spiel von Susanne Endres keinesfalls schmälern; locker und mit einem immer schönen Ton nimmt sie die Klippen des technisch und rhythmisch anspruchsvollen Klavierpart mit Leichtigkeit und viel Gefühl für diese Musik. Dennoch, das gemeinsame Musizieren des Ehepaars Jung klingt noch eine Spur intensiver. Dabei zeigt Johanna Jung in bemerkenswerter Weise, was in einer Harfe so steckt. Neben großer Zartheit kann die eben auch schroff einer Tuba auf Augenhöhe Paroli bieten.
Für Tuba-Skeptiker ist diese CD ein empfehlenswerter Einstieg und eine Möglichkeit, sich der Tuba als Solo-Instrument anzunähern. Und für Freunde südamerikanischer Rhythmen dürfte sie eine echte Bereicherung des Repertoires sein.
Dr. Regina Ströbl, 30. november 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
P.S. Wer es dann doch lieber klassischer mag, dem sei die CD „Paesaggio – Works for Tuba and Orchestra“ ans Herz gelegt. Hier sind Siegfried und Johanna Jung gemeinsam mit dem Orchester des Nationaltheaters Mannheim unter der Leitung von Walter Hilgers mit verschiedenen Stücken zu hören, so dem leider sehr kurzen, weil witzig-wunderbaren Tuba-Konzert von Ralph Vaughn Williams oder dem hochinteressanten Divertimento für Tuba, Harfe und Orchester von Willi März. Des weiteren gibt es Kompositionen von Torbjörn Iwan Lindquist, Andrea Csollany und Ionel Dumitru zu entdecken.