Ehrenrettung für einen Vielseitigen

CD-Rezension: „Erinnerung. Homage to Humperdinck“

CD-Rezension:Erinnerung. Homage to Humperdinck“

Deutsche Grammophon 483 9762

von Peter Sommeregger

In dieses Jahr fällt der 100. Todestag des Komponisten Engelbert Humperdinck. Neben einer neuen Biographie würdigt nun auch die Deutsche Grammophon den Schöpfer der unverwüstlichen Märchenoper „Hänsel und Gretel“. Dass man Humperdinck aber beileibe nicht als „Ein-Werk-Komponisten“ bezeichnen kann und darf, ist Kennern seiner Musik nichts Neues, aber das vorliegende Doppelalbum wird hoffentlich auch einem breiteren Publikum zu einem vertieften Verständnis dieser originellen  Persönlichkeit verhelfen.

Obwohl von Richard Wagner stark beeinflusst, gelang es Humperdinck mit der Zeit immer deutlicher, sich von dem übermächtigen Vorbild zu lösen und einen eigenständigen Stil zu entwickeln. Ein besonders interessanter Beitrag für dieses Album ist Humperdincks Bearbeitung des Tristan-Vorspiels für ein Kammermusik-Ensemble, hier interpretiert vom Schumannn-Quartett und dem Pianisten Hinrich Alpers, der für die künstlerische Konzeption der gesamten Edition verantwortlich zeichnet.

Eingeleitet wird die Zusammenstellung von Auszügen aus den beiden Shakespeare-Suiten, die als Bühnenmusik für Aufführungen des „Sturm“ in Berlin entstanden. Auszüge aus der großartigen Solti-Einspielung von „Hänsel und Gretel“ mit Lucia Popp und Brigitte Fassbaender, sowie aus den „Königskindern“ mit Jonas Kaufmann lassen den Opernkomponisten Humperdinck zu Wort kommen. Kombiniert sind hier neuere mit schon historischen Aufnahmen.

Eine Auswahl von Humperdincks Liedern wurden neu für das Album  von Hinrich Alpers am Klavier mit der Sopranistin Christina Landshammer eingespielt, die Humperdinck auch als Meister in dieser Disziplin zeigen. Die Sängerin verfügt über ein ansprechendes lyrisches Timbre, nur leider lässt ihre Textbehandlung sehr zu wünschen übrig. Ohne den im Booklet abgedruckten Text würde man kaum ein Wort verstehen.

Eine Welt-Ersteinspielung ist das kurze Klavierstück „Erinnerung“, das dem Album den Namen gibt. Es entstand 1871 für das Poesiealbum von Humperdincks früh verstorbener Schwester Ernestine, der er im berührenden Adagio seines Streichquintetts in G-Dur von 1875 ein Denkmal setzt. Auch hier ist Hinrich Alpers am Klavier mit dem Schumann-Quartett zu erleben. Der Zyklus „Junge Lieder“ von 1898 und eine Auswahl weiterer Lieder leiten über zu dem späten Streichquartett in  C-Dur, das im Jahr vor Humperdincks Tod vollendet wurde.

Spätestens bei diesem temperamentvollen und inspirierten Stück beginnt man zu bedauern, dass dieses Album nicht mehr von Humperdincks Kammermusik enthält. Neugierig geworden ist man jedenfalls auf mehr, so hat diese Hommage ihren Zweck erfüllt.

Peter Sommeregger, 17. Juni 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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