CD-Rezension:
Diese CD ist nicht nur hörenswert, sie stellt gleichzeitig eine Bereicherung des Angebotes dar, weil man die vertrauten Lieder selten in dieser Form hören kann.
Schubert
Lieder with Orchestra
Benjamin Appl
Münchner Rundfunkorchester
Oscar Jockel
BR Klassik 900346
von Peter Sommeregger
Der Bariton Benjamin Appl zählt heute zu den herausragenden Lied-Interpreten seiner Generation. Beim letzten Schüler Fischer-Dieskaus kann man viel vom seines Meisters Gestaltungswillen, erfreulicherweise aber nichts von dessen Manierismus hören.
Seine neueste CD ist ausschließlich Liedern und Tänzen Franz Schuberts gewidmet, allerdings in einer Gestalt, die mit lieb gewordenen Hörgewohnheiten bricht. Bereits im 19. Jahrhundert wurden die Lieder des Komponisten vereinzelt mit Orchesterbegleitung aufgeführt, verschiedene Komponisten versuchten sich darin mit unterschiedlicher Qualität ihrer Bemühungen.
Die auf dieser CD befindlichen Bearbeitungen stammen aber überwiegend von ihrerseits prominenten Komponisten, was auf deren Arrangements natürlich neugierig macht. Die begleitenden und ergänzenden Passagen aus Schuberts „Deutschen Tänzen“ sind sämtlich von Johann von Herbeck bearbeitet, und stellen eine willkommene und passende Ergänzung zu den Liedern dar.
Die Namen der Lied-Bearbeiter lassen aufhorchen, da sind tatsächlich große Meister darunter. Die populäre „Forelle“ hat kein Geringerer als Benjamin Britten orchestriert, dem „Ständchen“ aus dem Zyklus „Schwanengesang“ gab Jacques Offenbach seine orchestrale Form. Johannes Brahms versuchte sich an „Geheimes“, Felix Mottl an „Der Tod und das Mädchen“. Anton Webern ist mit fünf, Max Reger sogar mit sieben Liedern vertreten. Gemeinsam ist allen, dass sie in höchst sensibler Form den Duktus der Originale nicht verändern, vielmehr den Geist der Schubert’schen Schöpfungen aufgreifen und weiter entwickeln.
Besonders eindrucksvoll gelingt das bei den von Max Reger bearbeiteten Liedern: „Im Abendrot“, „Allerseelen“ und „An die Musik“ gehören zu den eindrucksvollsten Beispielen auf dieser CD.
Benjamin Appl trägt dem jeweiligen Ansatz des Bearbeiters durchaus Rechnung, er greift die stilistischen Feinheiten auf, so entstehen interessante Verfremdungen, die aber Schuberts Handschrift auch nicht zu überschreiben versuchen. Es ist eine delikate Aufgabe, der sich der Bariton mit vollem Einsatz und sicherem Stilgefühl stellt, und sie bravourös bewältigt.
Benjamin Appl gelingt eine ruhige, ausgeglichene Stimmführung, der Umfang seines technisch gut gebildeten Baritons wird ausgeschöpft, ohne dass er hörbar an seine Grenzen gerät. Das Münchner Rundfunkorchester unter dem Dirigenten Oscar Jockel bereitet den instrumentalem Boden, auf dem sich Appls Stimme optimal entfalten kann.
Diese CD ist nicht nur hörenswert, sie stellt gleichzeitig eine Bereicherung des Angebotes dar, weil man die vertrauten Lieder selten in dieser Form hören kann.
Peter Sommeregger, 7. Oktober 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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