Museum für Kunst & Gewerbe Hamburg © Jorge Piñeiro
Chopin auf dem alten Pleyel, Mozart und Schumann auf dem neuen Kawai. Ein exzellenter Pianist braucht eben ein musikalisch ebenbürtiges Instrument, heute kriegt er gleich zwei. Jenseits des hoch spannenden Klavierderbys fegte Jakub Kuszlik mit den frei aus den Tasten schwebenden Chopin-Melodien die Konkurrenz auch musikalisch vom Platz!
Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg, 17. Oktober 2024
Chopin-Festival Hamburg
Jakub Kuszlik, Klavier
Werke von Frédéric Chopin, Wolfgang Amadeus Mozart und Robert Schumann
von Johannes Karl Fischer
Zu Mozarts und Beethovens Zeiten bewiesen sich Pianisten oft in Klavierspielderbys, da hieß es, ein Klavier, zwei Spieler, der Reihe nach, das Publikum urteilt, wem’s besser geriet. Beim Hamburger Chopin-Festival heißt es heute: ein Pianist, zwei Klaviere, nun gut, bespielt mit jeweils unterschiedlichen Werken. Die beiden auf der Bühne bespielten Flügel trennen immerhin 152 Baujahre, ein aus Chopins Zeiten stammender Pleyel Flügel und eine 2019 erbauter Shigeru Kawai-Flügel.
Reichlich Spannung im Ausstellungssaal des Museums für Kunst und Gewerbe, die Bühne steht zwischen historischen Hammerflügeln und Virginalen. Ganz nebenbei, auf einigen habe ich auch schon selbst gespielt…
Natürlich kann mein eigenes Laienmusizieren nicht annähend mit der Profi-Klasse mithalten, erst recht nicht mit der Spitzenklasse des heute spielenden Jakub Kuszlik. Der Preisträger des jüngsten Chopin-Wettbewerbs sorgte hier mit einer allesamt souveränen, mühelosen All-Rounder-Leistung für einen musikalischen Triumphzug, mit grenzenloser Freiheit zauberte er die Chopin-Walzer aus den Tasten des Pleyel-Flügels. Als säße Chopin selbst am Klavier und würde zu einem Glas Wein seine Musik in den Saal perlen lassen. Völlig natürlich flossen die Melodien aus den Klaviersaiten, das war eine wohltuende, warm klingende Entspannungsstunde für die musikalische Seele.
Im Vergleich dazu ist die Kawai-Experience mit der Schumannschen Kreisleriana ein gänzlich anderes Klangerlebnis. Das hat auch nichts mit der Musik an sich zu tun, gerade in dem akustisch etwas kompakteren Museumssaal resoniert der Kawai einfach deutlich intensiver als der musikalisch intime Pleyel-Klang. Nach dem dritten Satz schob Herr Kuszlik einen ungewöhnlich langen Moment der schweigenden Stille ein, das Elphi-Publikum hätte wahrscheinlich in Scharen begonnen zu applaudieren. Die schiere Wucht dieser sehr aufgeregten Musik verlangte einfach danach, im Saal auszuklingen.
Man spürte den Resonanzboden, fühlte die ganzen Emotionen dieses Flügels. Ich habe das wiederholt gesagt, ich bin kein Schumann-Fan, aber dieser Pianist und dieses Instrument brachten einfach nochmal gänzlich neue Facetten dieser eher depressiv komponierten Musik zum Vorschein. Sorry, liebe Verfechter der historischen Aufführungspraxis, da kann einfach kein noch so schön klingender Flügel des 19. Jahrhunderts mit der dieser nahezu überwältigenden musikalischen Ausdruckskraft mithalten!
Die ebenso ausdrucksvoll gespielte Mozart-Phantasie diente als wohltuende klangliche Einführung in die monumentalen Kreisleriana-Klänge. Natürlich lag die Einmaligkeit dieses Abends vor allem in den Instrumenten. Solche, per se hoch spannende Klavierderbys sind in der Konzert-Szene leider rar auf den Spielplänem. Ich muss allerdings sagen, auch jenseits der großen, spektakulären Konzertorte fegte das musikalische Niveau die Konkurrenz hier vom Platz. An der Spitze des weltberühmten Chopin-Wettbewerbs standen einst Größen wie Maurizio Pollini, Martha Argerich und Krystian Zimerman, musikalisch stand der nun Viertplatzierte um nichts nach!
Und wie stehts nun im großen Pleyel-Kawai Flügel-Derby? Natürlich hat ein Chopin-Klang auf einem Chopin-Flügel eine gewisse Magie, doch wird diese von den weit bunteren und breiteren musikalischen Farben des Kawai-Flügels deutlich überschattet. Anders als so manche Bahn-Unternehmen ist der Klavierbau eben nicht im 19. Jahrhundert stecken geblieben. Ich würde sagen: Kawai macht selbst den guten alten Klavierbaumeistern ordentlich Konkurrenz! Die majestätisch röhrende A-Dur-Polonaise als Zugabe – natürlich nun auf dem Kawai gespielt – bestätigte das Urteil.
Ein Extrapreis geht auch noch an die Hamburger Chopin-Gesellschaft, diese wunderbaren Klavierderbys bei ihrem Chopin-Festival ins Leben gerufen zu haben. Weiter so, auch die sehr unterschiedlich klingenden Instrumente sollten ihre Chance bekommen, sich zu beweisen!
Johannes Karl Fischer, 18. Oktober 2024 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Kawai-Konzertserie 2024, Stefan Bonev, Klavier Alfred Schnittke Akademie Hamburg, 12. Juli 2024