Hamburg Ballett: Emilie Mazon fesselt als Ophelia von Anbeginn an

Hamlet 21, Ballett von John Neumeier in der Hamburgischen Staatsoper Leidenschaftlicher: die alternative Besetzung, 15. Oktober 2021

Emilie Mazon fesselte als Ophelia von Anbeginn an, zunächst als verspielte, glückliche, sich der ersten Liebe zärtlich Hingebende, später als bipolar Gestörte mit tänzerischer Auslotung der Höhen und Tiefen einer gequälten Seele

Nach der Aufführung: Marc Jubete (Horvendel), Yaiza Coll (Geruth), Emilie Mazon (Ophelia), Matias Oberlin (Fenge), Lizhong Wang (Koller, Fortinbras), Louis Haslach (Polonius), Nicolas Gläsmann (Horatio) und Alexandr Trusch (Hamlet)

von Dr. Ralf Wegner (Text und Fotos)

Wie bei fast allen großen Neumeierballetten werden seine Choreographien bei jedem neuen Sehen tiefgründiger und fesselnder. Manches erscheint geradezu neu, wie bisher noch nicht gesehen. So erging es mir auch gestern. Am Ende des Stücks wird zwar wieder die Schulstube gezeigt und Shakespeare mit Der Rest ist Schweigen zitiert; zuvor traten aber alle Tänzerinnen und Tänzer sich begrüßend wie nach einem Theaterstück auf, also auch jene, die den Bühnentod erlitten hatten. Es war eben alles nur ein Spiel.

Und gespielt wurde hervorragend, vor allem von dem Protagonisten des Stücks, Alexandr Trusch. Physisch intensiv und darstellerisch umwerfend nahm er sich der Rolle des Hamlet an. Das war eine großartige Leistung, die am Ende auch entsprechend bejubelt wurde. Diesmal stimmte auch die Chemie zwischen den Paaren Alexandr Trusch und Emilie Mazon (Ophelia) sowie Matias Oberlin (Hamlets Onkel Fenge) und Yaiza Coll (Hamlets Mutter Geruth). Yaiza Colls Aura als Geruth war beeindruckend. Hin und hergerissen zwischen zwei Männern gab sie sich mehr und mehr der Liebe zu ihrem Sohn Hamlet hin, konnte sich aber auch nicht der erotischen Triebkraft Fenges, vorzüglich von Matias Oberlin getanzt, erwehren.

Emilie Mazon fesselte als Ophelia von Anbeginn an, zunächst als verspielte, glückliche, sich der ersten Liebe zärtlich Hingebende, später als bipolar Gestörte mit tänzerischer Auslotung der Höhen und Tiefen einer gequälten Seele, und schließlich mit einem packenden Solo vor dem Sprung in die Große Welle nach Art des japanischen Künstlers Katsushika Hokusai. Schön, dass diese mit starker Bühnenpräsenz gesegnete Tänzerin wieder einmal in einer tragenden Rolle zu sehen war.

Matias Oberlin, Lizhong Wang, Louis Haslach und Yaiza Coll

Marc Jubete ließ als Horvendel Florian Pohl nicht ganz vergessen; das lag allein schon an der körperlichen Größe und autoritären Dominanz, welche Pohl vor allem in den Pas de deux mit Hamlet eingebracht hatte. Lizhong Wang war ein guter Koller und Fortinbras, der erst 21jährige Louis Haslach tanzte ebenfalls gut, verfügte als Lehrer Hamlets und Ophelias Vater Polonius aber noch nicht über die darstellerische Kompetenz von Ivan Urban in derselben Rolle. In dem Prolog und Epilog wird im Schulraum auch gesprochen, wieder fiel Nicolas Gläsmann als Horatio mit angenehmer sonorer Sprechstimme auf.  Atte Kilpinen, Aleix Martínez und Illia Zakrevsky gaben der Gauklertruppe kontur, unter Geruths Hofdamen beeindruckte Patricia Friza mit elegant-elegischen Bewegungen.

Dieses Mal konnte ich mich auch mit der Musik von Michael Tippett anfreunden, sie wurde wieder vom Band gespielt. Der Beifall war am Ende jubelnd und lang anhaltend, vor allem für Yaiza Coll, Emilie Mazon und natürlich den Protagonisten des Abends, Alexandr Trusch.

Dr. Ralf Wegner, 15. Oktober 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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