Wenn ein Regisseur eine Offenbach-Operette zum Polit-Kabarett verzerrt

Jaques Offenbach, La Périchole  Museumsquartier Halle E, 20. Jänner 2023

Foto: La Périchole © Werner Kmetitsch

Nikolaus Habjan ist ja eine bekannte Personalunion als Regisseur/Puppenspieler/Kunstpfeifer; in dieser Produktion ließ er das Pfeifen aus – demonstrierte sich aber in den Rollen Puppenspieler und Regisseur. Beides gekonnt; jedoch ohne besonderen Tiefgang. Dazu aber später.

Jaques Offenbach
La Périchole

Mit: Anna Lucia Richter, David Fischer, Alexander Strömer, Boris Eder, Gerhard Ernst

ORF Radio-Symphonieorchester Wien
Arnold Schoenberg Chor

Jordan de Sousa, Dirigent
Nikolaus Habjan, Regie

Museumsquartier Halle E, 20. Jänner 2023


von Herbert Hiess

Offenbachs opéra-bouffe (also Operette) wurde von niemand Geringerem als vom Librettistenduo Henri Meilhac und Ludovic Halévy verfasst, die ja auch Bizets geniale Oper „Carmen“ geschrieben haben. Sie schrieben eine recht unterhaltsame Geschichte über die „Straßensängerin“ (als freie Übersetzung von „Périchole“) mit einer einfachen, sogar fast trivialen Handlung. Da geht es um das Straßensängerpärchen Périchole/Piquillo, die irgendwie in die Fänge des Vizekönigs geraten, der letztlich die Sängerin als Mätresse angeln will. Um die junge Frau in diese Rolle zu stecken, muss sie vorher offiziell verheiratet sein mit Piquillo. Nach einigen Verirrungen und Verwirrungen geht die Show schließlich mit einem „Happy End“ aus; Piquillo und die Sängerin finden nicht nur wieder zueinander, sondern steigen noch dazu mit einem beträchtlichen Vermögen aus.

Soweit die Originalgeschichte – es wäre aber nicht der Regisseur Nikolaus Habjan, wenn er dieser Geschichte nicht seinen Stempel aufdrücken würde. Prinzipiell hält er sich sogar an die Originalhandlung; er persifliert aber diese Geschichte letztlich zu einem Polit-Kabarett. Als Regisseur hat er in punkto Personenführung eine glückliche Hand. Jeder hat irgendwo seine Rolle und alles ist in Bewegung. Das ganze Auditorium wird in die Handlung einbezogen – sogar der Zuschauerraum. Wirklich genial war der Einfall, dass die obligatorische Handyansage vor Beginn der Vorstellung von einer der „Drei Cousinen“ humoristisch und in breitem Wienerisch deklamiert wurde.

Auch die Bühne war sehr nett gemacht; letztlich war diese wie die Regie mehr als überfrachtet; man wusste gar nicht, wo man zuerst hinschauen sollte und hatte immer das Gefühl, irgendwo irgendwas verpasst zu haben.

Es wäre nicht Habjan, wenn nicht eine Puppe zum Zug käme. In diesem Falle war es in der Kerkerszene der ehemalige Bundeskanzler Sebastian Kurz. Natürlich hat das von der eher banalen Handlung abgelenkt; war aber sehr gut dargestellt.

Foto: La Périchole © Werner Kmetitsch

Die Darsteller waren sehr gut bis ausgezeichnet. Allen voran das Sängerpaar, das als einzige mit echten Opernsängern besetzt war. Der deutsche Mezzo Anna Lucia Richter mit ihrer wunderschönen Stimme. Wenn sie in der Kerkerszene bei ihrer Arie noch ein echtes Pianissimo gesungen hätte, wäre das Glück vollkommen gewesen. Der Tenor David Fischer hat eine eindrucksvolle metallische Stimme, die vielleicht mehr Klangfarben und Variationsfähigkeit vertragen würde. Dann hätte er schon Weltklasseformat.

Sehr gut auf Singschauspielerniveau Alexander Strömer (Vizekönig), Boris Eder (Erster Kammerherr) und Gerhard Ernst (Stadtkommandant und bekannt als Fleischhauer Hofstätter in der Fernsehwerbung).

Foto: La Périchole © Werner Kmetitsch

Ausgezeichnet der Chor, der dieses Mal viel Schauspielkunst zeigen musste und das ORF-Orchester unter dem kanadischen Dirigenten mit indischen Wurzeln Jordan de Sousa. Der Dirigent ist derzeit Chef an der Komischen Oper Berlin und offenbar auch sehr aktiv im Konzertgeschehen. Hier beweist er sich als recht braver Kapellmeister und macht aus Offenbachs Musik eine sehr gute musikalische Untermalung; leider halt nicht mehr als das. War es er oder das Orchester; so richtig französische Klangfarben oder echt zündende Tanzrhythmen waren an diesem Abend nicht zu hören. Und „Dank“ der überfrachteten Bühne und Regie ist die Musik sowieso weit nach hinten gedrängt worden.

Es war insgesamt eine ausgezeichnete Vorstellung, die jedoch Offenbachs Musik und der Handlung der „Carmen“-Librettisten nicht gerecht wurde. Puristen wären an diesem Abend verzweifelt gewesen – wenn man Kabarett sehen will, geht man in ein solches und erwartet sich das nicht in einer Opern-/Operettenvorstellung!

Herbert Hiess, 21. Januar 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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