Fotos: Birgit Gufler
Tiroler Landestheater, Premiere, 11. Juni 2023
Richard Strauss Elektra
Tragödie in einem Aufzug
Musik von Richard Strauss
Text von Hugo von Hofmannsthal nach seinem gleichnamigen Schauspiel
Reduzierte Orchesterfassung von Richard Dünser
In deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln
von Dr. Klaus Billand
Mit einer packenden und in allen Punkten stimmigen „Elektra“ verabschiedete sich Johannes Reitmeier nach seiner 11 Jahre währenden überaus erfolgreichen Intendanz vom Publikum des Tiroler Landestheaters.
Was habe ich hier nicht alles von ihm gesehen: „Tannhäuser“, „Rienzi“, „Liliom“, „Genoveva“, „Die Passagierin“ und nun auch noch „Elektra“ von Richard Strauss. Und er hat sie genauso inszeniert wie alle seine anderen Opern am Innsbrucker LT – mit einer intensiven Konzentration auf die vom Komponisten intendierte Werkaussage und ihre Realisierung durch eine bis ins letzte Detail ausgearbeitete kenntnisreiche Personenregie direkt aus den Charakteren heraus und ihrer Konnotation in den Stücken.
Das war neben dem prachtvollen Bühnenbild von Thomas Dörfler, den bestens abgestimmten Kostümen von Michael D. Zimmermann und der exzellenten und stets stimmungsbetonten Lichtregie von Ralph Kopp auch wieder Reitmeiers Erfolgskonzept für seine „Elektra“ an diesem Abend, die das Parkett-Publikum, als er zum Schlussapplaus auf die Bühne kam, sich spontan von den Sitzen erheben ließ.
Das war wahre und echte Begeisterung! Endlich einmal kein so langweiliges und pseudo-spektakuläres Buh-Geschrei, wie es manche der sogenannten arrivierten Regisseure schätzen. Hier galt’s der Kunst, der Realisierung einer „Elektra“, die dem Publikum mit einer hervorragenden Sängerschar die unglaublichen Untiefen und Katastrophen dieses Stücks und seiner verfluchten Vorzeit nahebringen wollte und dies auch vermochte.
GMD Beikircher war Reitmeier wie immer ein kongenialer Partner am Pult des ebenfalls voll motiviert und glanzvoll aufspielenden Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck. Es brachte eine vom Komponisten Richard Dünser von der Universal Edition in Auftrag gegebene strukturiert reduzierte Orchesterfassung von etwa 65 Solisten im Graben zur Uraufführung. Das allein ist schon eine kleine Sensation für viele kleinere Häuser, die die „Elektra“ spielen wollen, wegen des begrenzten Platzes im Orchestergraben aber nicht können. Denn die Originalbesetzung sind 111 Musiker. In der Dünser-Version entsteht keineswegs der Eindruck klanglicher Mängel. Die Musik klingt wie gewohnt, vor allem in den weiterhin stark besetzten Streichern. Man kann allerdings auch auf die im Orchester vorhandenen Wagner-Tuben zurückgreifen.
Aile Asszonyi überwältigte nach ihrem Frankfurter Erfolg als Elektra mit einem hochdramatischen Sopran und großer Ausdruckspalette, bei leuchtenden und lang gehaltenen Höhen sowie guter Tiefe. Hinzu kam ein überaus intensives Spiel der Atridentochter und ihrer nicht mehr nachvollziehbaren Obsession zur Rache an der Ermordung ihres Vaters.
KS Angela Denoke, die in Innsbruck die „Salome“ sehr gut inszenierte, war eine beeindruckende Klytämnestra mit starkem Auftritt, eine elegante Frau, die durchaus noch etwas im Leben erwartet, aber in dem Moment, als ihr die Tochter ihr Schicksal offenbart, wie ein flehendes Häufchen Elend wirkt. Stimmlich vermag sie der Rolle großen Farbenreichtum zu verleihen, mit einem dunkel schattierten Sopran in der Mittellage und stets hervorragenden Höhen.
Magdalena Hinterdobler debütierte als Chrysothemis glanzvoll, mit einem leuchtenden Sopran, gutem stimmlichem Ausdruck und ebenfalls einer facettenreichen und emotional engagierten Darstellung. Das wird eine große Rolle für sie werden!
Florian Stern war ein beeindruckend linkisch agierender Aegisth mit einem kraftvollen Tenor. Und Andreas Mattersberger verkörperte den Orest auf eine wohl ziemlich unbekannte, aber nachvollziehbare Art and Weise äußerst emotional mit einem prägnanten Bass, der auch Richtung Bassbariton einsetzbar wäre. Ein Mann für größere Aufgaben, auch darstellerisch perfekt.
Ein großer Abend am Tiroler Landestheater! Manches spricht dafür, dass es für einige Zeit der letzte gewesen sein könnte. Denn wenn man das Saisonprogramm 23/24 der neuen Direktion durchschaut, sieht man gerade mal fünf Opern mit „Die Liebe zu den drei Orangen“, „La Bohème“, „Le nozze di Figaro“, „Des Simplicissimus Simplicissimus Jugend“ und „Peter Pan – The dark Side“. Auch nicht gerade alles Mainstream aber auch ansonsten einiges weithin Unbekannte in Tanz und Schauspiel, u.a. Gi3F (Gott ist drei Frauen). In der Saison 22/23 unter Reitmeier gab es neun Opern, davon immerhin acht im Mainstream. Ob das neue Programm Sparzwängen oder anderen Gesichtspunkten unterliegt, wäre interessant zu erfahren. Vielleicht stellt es sich ja im Laufe der Saison heraus. Wir wünschen gleichwohl viel Erfolg. (Mehr in Kürze).
Dr. Klaus Billand aus Innsbruck