Klangmalerei an der Harfe und holpriger Tschaikowsky

Foto: © Wolf-Dieter Grabner, Goldener Saal, Musikverein Wien

Musikverein Wien, Großer Saal, am 24. April 2022

Wiener Philharmoniker 2021/2022
Tugan Sokhiev  Dirigent

Solistin: Anneleen Lenaerts, Harfe

Reinhold Moritzowitsch Glière
Konzert für Harfe und Orchester, Es-Dur, op. 74

Peter Iljitsch Tschaikowsky:
Symphonie Nr. 4, f-moll, op. 36

von Herbert Hiess

Es ist schon fast absurd, wie diverse Planungsänderungen und schicksalhafte Wendungen plötzlich bei einem Konzert einen (schon fast historischen) Berührpunkt haben.

Der Komponist Reinhold Glière (ursprünglich Glier) wurde 1874 in Kiew, Ukraine geboren und starb 1956 in Moskau. Offenbar dürfte er ein Faible für alles Französische gehabt haben, denn er änderte eben gegen 1900 die Schreibweise auf die französische Form Glière.

Und das frankophile Gehabe merkt man sehr an seiner Musik. Das in diesem Konzert gespielte Harfenkonzert (Uraufführung 1938) klingt vom Charakter her sehr nach Adolphe Adam; man fühlt sich tatsächlich öfters in sein berühmtes Ballett „Giselle“ hineinversetzt.

Ursprünglich hätte das Konzert schon vor einiger Zeit unter Mariss Jansons gespielt werden sollen. Leider verstarb dieser und somit wurde dieses Konzert nun unter dem russischen Dirigenten Tugan Sokhiev aufgeführt. Dass nun gerade während des üblen Krieges zwischen Russland und Ukraine ein Werk eines Komponisten gespielt wird, der in Kiew geboren wurde und in Moskau starb, ist schon fast eine Ironie des Schicksals. „Wiener Philharmoniker 2021/2022, Tugan Sokhiev Dirigent,
Musikverein Wien, Großer Saal, am 24. April 2022“
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Tannhäuser steigt aus dem Palmenhain

Im Gegensatz zum Lohengrin, Parsifal oder Siegmund ist Tannhäuser kein unbefleckter Held, Vogts knabenhelles Timbre irritiert daher vor allem im Zusammenklang mit dem üppigen, sinnlichen und expansiven Mezzo von Tanja Ariane Baumgartner. Seine Stimme liegt aber immer sicher über dem Orchester, und nach dem seelischen Zusammenbruch gegen Ende des zweiten Aufzugs passt der helle Klang auch besser zum kindlich-reuigen Sünder.

Der sich verbeugende Klaus Florian Vogt (Tannhäuser) im Palmenhain (Foto: RW (c))

Staatsoper Hamburg, 24. April 2022 PREMIERE

Richard Wagner, Tannhäuser

 von Dr. Ralf Wegner

Im Programmheft werden die Schwierigkeiten erwähnt, den Part des Tannhäuser zu singen.  Der dort gelobte Hans Beirer (1969) verfügte zwar immer über die notwendige Kraft für diese Rolle, sein Gesang war aber stets von einem starken Tremolo beeinträchtigt. Ernst Kozub (1971) überwand nie seine hölzerne Darstellungsart, Günther Neumann (1994-96) beeindruckte weniger mit gesanglichem Wohlklang als mit außergewöhnlich überzeugender Darstellungskunst. John Treleaven (2002/07) sang gut, ebenso Peter Seiffert (2019 in Berlin), besser noch Stephen Gould (2007), während Lance Ryan 2014 gnadenlos unterging. Im Programmheft wird bezüglich des heutigen Tannhäuser Klaus Florian Vogt bereits eingeschränkt, dass er „mit seiner hellen, manchmal beinahe ins Knabenhaft changierenden Stimme nicht den üblichen Klangerwartungen an Wagners schwere Helden“ entspreche.

Denn im Gegensatz zum Lohengrin, Parsifal oder Siegmund ist Tannhäuser kein unbefleckter Held, Vogts knabenhelles Timbre irritiert daher vor allem im Zusammenklang mit dem üppigen, sinnlichen und expansiven Mezzo von Tanja Ariane Baumgartner. Vogts Stimme liegt aber immer sicher über dem Orchester, und nach dem seelischen Zusammenbruch gegen Ende des zweiten Aufzugs passt der helle Klang auch besser zum kindlich-reuigen Sünder. Tannhäusers Erbarme Dich mein-Rufe habe ich so deutlich und überzeugend noch nie gehört. „Richard Wagner, Tannhäuser,
Staatsoper Hamburg, 24. April 2022 PREMIERE“
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Ein wahres Sängerfest mit Orchester in Höchstform: Tannhäuser in Hamburg

Foto: © Brinkhoff/Mögenburg

Eine verzaubernde Venus, die aus ihrem Tannhäuser die letzten Höhen seiner Strahlkraft rausholt: Das war ein wahres Sängerfest in Hamburg. Zum ersten Mal seit Jahren konnten auch Kent Nagano und das Staatsorchester mithalten! Weiter so, Herr Delnon!

Staatsoper Hamburg, 24. April 2022, PREMIERE

Richard Wagner Musik und Libretto
Tannhäuser

von Johannes Karl Fischer

So gut in Form war dieses Haus schon lange nicht mehr. Nach der umjubelten Turandot-Premiere eine Tannhäuser Premiere, auf die man in Bayreuth stolz sein könnte. Klaus Florian Vogt ist seit Jahren der unangefochtene Stolzing, in Sachen Siegmund und Lohengrin ist er ebenso König. Kann er auch Tannhäuser? Ja, und wie. Vor allem im dritten Akt glänzte die Vielseitigkeit seiner Stimme. Lyrisch-poetisch die Monologe, kraftvoll die emotionalen Höhepunkte. Das absolute Highlight: Seine stimmliche Verwandlung in einen dämonischen Papst, der Tannhäuser auf ewig verdammt („Hast du so böse Lust geteilt“). Als ob ein zweiter Sänger die ungeschriebene Rolle des Papstes singen würde.

Nächstes Jahr kommt der Siegfried… fehlt dann nur noch der Tristan? Jerusalem hats vorgemacht…   „Richard Wagner, Tannhäuser,
Staatsoper Hamburg, 24. April 2022 PREMIERE“
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Andris Nelsons feiert mit zwei Spitzenorchestern Richard Strauss

CD-Rezension:

Man darf dieser kompakten, eleganten Box getrost prophezeien, dass sie zur neuen Referenzeinspielung der Tondichtungen von Richard Strauss werden wird. Und sie macht Appetit auf Opernaufnahmen unter der Leitung Nelsons.

STRAUSS

Gewandhausorchester Leipzig
Boston Symphony Orchestra

Yuja Wang
Yo-Yo Ma

Andris Nelsons

Deutsche Grammophon 486 2040

von Peter Sommeregger

Der lettische Dirigent Andris Nelsons zählt seit längerer Zeit zu den Stars der internationalen Dirigentenszene. Seit ein paar Jahren leitet er zwei der bedeutendsten Orchester der alten und der neuen Welt. Unter seiner Leitung haben das Leipziger Gewandhausorchester und das Boston Symphony Orchestra eine Kooperation begonnen, die in der Geschichte dieser Orchester, aber auch darüber hinaus einzigartig ist. Zwar hatten die beiden Orchester vor gut hundert Jahren schon einmal den gleichen Chefdirigenten, nämlich Arthur Nikisch. Ein so intensiver Austausch zwischen den beiden Klangkörpern war aber damals schon organisatorisch nicht möglich.

Nelsons ehrgeiziges Projekt, den wesentlichen Teil der Strauss’schen Tondichtungen einzuspielen, hat historische Vorbilder in der Schallplattengeschichte. Clemens Krauss, Freund und Weggefährte von Strauss, realisierte seine Einspielungen in den 1950er Jahren mit den Wiener Philharmonikern für die DECCA, Fritz Reiner spielte wenig später mit dem Chicago Symphony Orchestra ebenfalls mehrere Strauss-Tondichtungen für die Schallplatte ein. Das bisher umfangreichste Projekt dieser Art realisierte Rudolf Kempe in den 1970er Jahren für den EMI-Konzern, inzwischen sind diese als Referenz-Aufnahmen geltenden Einspielungen von Warner in den Katalog übernommen. „CD-Rezension: STRAUSS, Gewandhausorchester Leipzig, Boston Symphony Orchestra,
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Die MONTAG-PRESSE -25. APRIL 2022

© Foto: Wilfried Hösl

Für Sie und Euch in den Zeitungen gefunden:
Die MONTAG-PRESSE -25. APRIL 2022

Heidelberg
Sänger Günther Groissböck überrascht in Heidelberg
Der eine Star, Thomas Hampson, sagt wegen Corona-Spätfolgen ab, ein anderer Star kommt stattdessen: Günther Groissböck, und er liefert in der Neuen Aula beim Heidelberger Frühling einen umjubelten Liederabend ab. Bewundernswert dabei sein prachtvolles „Material“, sprich Stimme, die so frei strömen kann und mit attraktiven Farben aufwartet. An seiner Seite die Pianistin Alexandra Goloubitskaia.
Mannheimer Morgen

Leipzig
Oper Leipzig versetzt Nielsens „Maskerade“ in die Spaßgesellschaft des 20. Jahrhunderts
MDR.de.Kultur

Erfurt
Samt-und-Brokat-Partitur: Peter Leipolds Oper „Mio, mein Mio“ in Erfurt
NeueMusikzeitung/nmz.de

Hamburg
Vertrag von Elbphilharmonie-Generalintendant vorzeitig verlängert
NeueMusikzeitung/nmz.de

Pianist Andras Schiff zu Gast in Berlin: Ganz besondere „Brandenburgische Konzerte“
András Schiff und die Staatskapelle Berlin widmen sich im Pierre Boulez Saal Johann Sebastian Bachs berühmten Orchesterwerken
Tagesspiegel.de

Bonn
Meyerbeers Glanz und Preußens Gloria
Giacomo Meyerbeers Singspiel „Ein Feldlager in Schlesien“ an der Oper Bonn
NeueMusikzeitung/nmz.de

Stargeigerin Lisa Batiashvili will Putin die Klassik entreissen(Bezahlartikel)
NeueZürcherZeitung/magazin.ch „Die MONTAG-PRESSE -25. APRIL 2022“ weiterlesen

Musik weckt nicht immer angenehme Kindheitserinnerungen

Foto: Bild: Martin Kraft (photo.martinkraft.com) Lizenz: CC BY-SA 4.0
via Wikimedia Commons

Buchbesprechung: Edgar Selge, Hast du uns endlich gefunden

Rowohlt Verlag, Hamburg, November 2021

ISBN 978-3-498-00122-3

von Jolanta Łada-Zielke

Manchmal denkst du beim Lesen einer Geschichte: Das erinnert mich an meine Geschichte! Ich habe ähnliche Erfahrungen gemacht! Ich hatte einen solchen Eindruck bei der Lektüre des debütierenden Buchs von dem Schauspieler Edgar Selge, herausgegeben beim Rowohlt-Verlag.

In dem Erzähler und Hauptheld zugleich kann der Leser sich selbst, seine eigenen Sorgen und Ängste wiederfinden. Zwar gibt es den Unterschied einer Generation zwischen mir und dem Autor, aber als Kind habe ich ähnliche Erziehungsmethoden und kleine Ungerechtigkeiten von Erwachsenen wie er erlebt. Ich musste Klavier spielen lernen, nicht wegen der Liebe meiner Eltern zur Musik, sondern weil ich als „Fräulein aus gutem, bürgerlichen Hause“ diese Fähigkeit beherrschen musste. „Buchbesprechung: Edgar Selge, Hast du uns endlich gefunden,
klassik-begeistert.de“
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Die SONNTAG-PRESSE -24. APRIL 2022

Foto: Herheim Stefan (c) Moritz Schell

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Die SONNTAG-PRESSE -24. APRIL 2022

Musiktheater an der Wien: Im Gemischtwarenladen des Musiktheaters
Neo-Intendant Stefan Herheim präsentiert seine erste Spielzeit für das neu benannte MusikTheater an der Wien.
WienerZeitung.at

Viel Neues am „MusikTheater“ an der Wien
Viel Neues am Theater an der Wien: Neointendant ab 2022/23, Stefan Herheim, stellte heute sein Programm vor – sowie mit „MusikTheater an der Wien“ auch ein neues Logo. Wegen der Sanierung des Hauses weicht man ins Museumsquartier aus.
https://wien.orf.at/stories/3153180/

Stefan Herheim erobert Wien
Der vieldiskutierte Regisseur übernimmt ab Herbst die Leitung des Theaters an der Wien und hat für seinen Start im Ausweichquartier („Halle E“) ein spannendes Programm vorgelegt.
https://www.diepresse.com/6129732/stefan-herheim-erobert-wien

Der Intendant als Artus: „Um dann gemeinsam in den Krieg zu ziehen“
Das neue „MusikTheater an der Wien“: Stefan Herheim geht mit 13 szenischen Produktionen in seine erste Spielzeit 2022/’23
Kurier.at „Die SONNTAG-PRESSE -24. APRIL 2022“ weiterlesen

Kammermusik in der Laeiszhalle: Höchste Zeit, dass auch die Lunchkonzerte wiederkommen!

Laeiszhalle Kleiner Saal, (c) Thies Rätzke

Der facettenreiche Klang dieser Kammermusik ist das perfekte Mittel, sich ein wenig aus den Stunden des hektischen Alltags abzuschalten. Höchste Zeit, dass auch die Lunchkonzerte wiederkommen! Am besten im Foyer, so wie früher.

Laeiszhalle Hamburg, Kleiner Saal, 22. April 2022

Symphoniker Hamburg

Paweł Kisza, Violine
Olivia Rose Francis, Violine
Hsiang-Hsiang Tsai, Viola
Theresia Rosendorfer, Violoncello

Werke von Wolfgang Amadeus Mozart, Anton Webern und Alexander Borodin

von Johannes Karl Fischer

Was war das für eine wundervolle Borodin-Notturno! Nach der singenden Melodie in himmlisch hoher Cello- und Violinlage einmal richtig Dampf in der Mitte. So schwungvoll schwebend habe dich diesen Satz noch nie gehört, und finde es immer noch sehr mutig, das Tempo da so heftig anzuziehen. Das hat richtig gut funktioniert und richtig Spaß gemacht, dabei zuzuhören. Sehr eindrucksvoll, was man mit einem so bekannten Satz alles machen kann. Genau der Gegenwind, den man fühlt, wenn man mit runtergekurbeltem Fenster durch eine idyllische Auenlandschaft fährt. Tonmalerei vom Allerfeinsten.

Dass der hauptberufliche Chemiker die Nocturne mit drei weiteren Sätzen zu seinem zweiten Streichquartett D-Dur verziert hat, wird leider allzuoft vergessen. Vor allem das lebhafte Scherzo ist eine wahre Sternstunde dieser Gattung. Springende Geigen über dem pizzicato-Cello, fröhlicher geht es kaum. „Kammerkonzert der Symphoniker Hamburg,
Laeiszhalle Hamburg, Kleiner Saal, 22. April 2022“
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Die SAMSTAG-PRESSE -23. APRIL 2022

Foto: Kirill Petrenko © Wilfried Hösl

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Die SAMSTAG-PRESSE -23. APRIL 2022

Berlin/Philharmonie
Russische Musik in der Berliner Philharmonie: Schicksalsmelodien
Kirill Petrenko und die Berliner Philharmoniker beeindrucken mit Tschaikowskys Oper „Pique Dame“
Tagesspiegel.de

„Pique Dame“ in der Berliner Philharmonie: Petrenko zelebriert ein Fest der russischen Oper
Petrenko zieht die dritte Karte
Von Peter Sommeregger
Klassik-begeistert.de

Die Philharmoniker mit „Pique Dame“: Was für eine großartige, dankbare Oper!
Peter Tschaikowsky vertonte Geheimnis und Schicksal zwischen den Menschen. Kirill Petrenko und die Berliner Philharmoniker führen „Pique Dame“ auf.
BerlinerZeitung.de

„Pique Dame“: Berliner Philharmoniker und Kirill Petrenko(Podcast)
Konzertante Aufführung in der Berliner Philharmonie
rbb-online-de „Die SAMSTAG-PRESSE -23. APRIL 2022“ weiterlesen

Es gelingt eine Aufführung von großer Geschlossenheit und Intensität

DVD Blu-Ray Rezension:

Leoš Janáček
Jenůfa

Staatskapelle Berlin
Simon Rattle Dirigent

Unitel 760504

von Peter Sommeregger

Die im Jahr 2021 bedingt durch die Pandemie nur im Livestream zu erlebende Jenůfa-Premiere an der Berliner Staatsoper ist nun auch als DVD/Blu-Ray erschienen. Ein willkommener Anlass den damaligen Eindruck zu vertiefen.

Offenbar hat sich der Regisseur Damiano Michieletto für  das Thema Reduktion als Programm entschieden. Ein Bühnenbild im eigentlichen Sinn gibt es nicht, der Bühnenraum ist durch Milchglaswände begrenzt, auf Sitzbänken und Tischen sind Gegenstände zu sehen, die jeweils einer der handelnden Personen zuzuordnen sind. Bei  der Küsterin sind es sakrale Gegenstände und Kerzen.

Dörfliches Ambiente wird ausgespart, insgesamt verträgt das anrührende Drama um das junge Mädchen Jenůfa diese radikal entkernte Lesart aber gut, das komplizierte Beziehungsgeflecht der handelnden Personen wird in der ausgefeilten Personenregie gut nachvollziehbar dargestellt. Die Kostüme Carla Tetis, zumeist schlichte Alltagskleidung, waren nicht alle stimmig, warum der fesche Števa einen hässlichen Tarnanzug tragen muss, obwohl er doch gerade dem Militär entronnen ist, bleibt offen. „DVD Blu-Ray Rezension: Leoš Janáček, Jenůfa,
klassik-begeistert.de“
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