The King and I

Report: The King and I  klassik-begeistert.de, 3. Januar 2023

Unser Autor Dr. Charles Ritterband reiste als Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung und privat in fast alle Länder der Welt. Als NZZ-Großbritannien-Korrespondent lebte er 10 Jahre in London. Lesen Sie hier bitte seine sehr persönlichen Begegnungen mit der britischen Königsfamilie.

Foto: YouTube.com, Charles III, https://www.google.com/url?

von Charles E. Ritterband

Das Eine war ein Zufall, das Andere nicht: Dass am 7. Oktober 1952 zwei höchst unterschiedliche Menschen das Licht der Welt erblickten –  am selben Tag, doch in 2500 km Entfernung voneinander, der eine in Leningrad, in Zürich der Andere – kann nur als Zufall der ganz großen und der ganz kleinen Weltgeschichte gewertet werden: Wladimir Putin, der russische Despot, wurde tatsächlich just am selben Tag geboren wie der Schreibende.

Kein Zufall allerdings ist es, dass der neue englische König und der Verfasser dieser Zeilen denselben Vornamen tragen: Am 14. November 1948 wurde der englische Thronfolger (genauer: damals Nummer zwei hinter seiner Mutter, der späteren Königin Elisabeth II.) Charles Philip Arthur George im Buckingham Palace geboren, knapp vier Jahre später meine Wenigkeit in einem etwas prosaischeren Zürcher Spital. Da meine Eltern Jahre im British Empire bzw. im Commonwealth (Schottland, Südafrika, Australien) verbracht und sich im English Speaking Club in Zürich kennengelernt hatten, war der gemeinsame Beschluss bei ihrer Hochzeit naheliegend: Sollte sich dereinst ein Sohn einstellen, so musste er den Namen des künftigen englischen Königs tragen: Charles. Eine Alternativlösung, falls es wider Erwarten eine Tochter geworden wäre, ist nicht überliefert. Falls das sprichwörtliche „nomen et omen“ ernst zu nehmen wäre, so beinhaltete die Namensgebung für den künftigen Charles III. Thronfolger ein gewisses Risiko – immerhin wurde Charles I. am 30. Januar 1649 in Whitehall – ein Katzensprung vom Buckingham Palace, der Geburtsstätte von König Charles III. – enthauptet…

Nicht ganz zufällig führte mich mein Lebensweg immer wieder in die unmittelbare Nähe meines königlichen Namensvetters, aber auch seiner Mutter, der Queen. Ihr begegnete ich – natürlich mit gebührender Distanz, aber dennoch aus nächster Nähe – erstmals im Frühling 1969, als ich London meinen allerersten Besuch abstattete. Die damals 43 Jahre alte Monarchin, in voller Blüte ihrer Schönheit im himmelblauen Kostüm und mit passendem Hut, inspizierte gerade die berühmten Horse Guards, die königliche „Household Cavalry“ in Whitehall. Die Sicherheitsvorkehrungen müssen damals, lange vor dem weltweit grassierenden Terrorismus (der Earl Mountbatten, Großonkel von Prinz Charles, sollte zehn Jahre später, 1979, einem Bombenattentat der IRA zum Opfer fallen), relativ lax gewesen sein: Wir konnten uns ohne aufgehalten oder kontrolliert zu werden in Horse Guards Parade begegnen und stießen dort in gut zehn Meter Entfernung auf die lächelnde, grüßende Queen…

Das letzte Mal als ich der verstorbenen Königin aus nächster Nähe begegnete, war genau 40 Jahre später, am 8. Juni 2019 – und wenige Schritte von der ersten Begegnung entfernt: Bei der jährlichen Militärparade zu Ehren des Geburtstags der Monarchin, „Trooping the Colour“ – ein Ereignis, bei dem jeweils Größe und Pracht des British Empire mit Paraden aller Waffengattungen in einer minutiösen Perfektion zelebriert wird, die ihresgleichen weltweit sucht. Erneut hatte ich das Glück, der von den Briten so innig verehrten Königin aus nächster Nähe zu begegnen: Sie fuhr in einer schwarz lackierten, zweispännigen, von zwei Schimmeln gezogenen, einem Kutscher in goldener Uniform gelenkten und zwei in royalem Rot gewandeten Lakaien eskortierten Kutsche dicht vor uns – und vor meiner Kamera (siehe Foto) vorbei.

Foto: (c) Dr. Charles E. Ritterband

Doch dazwischen sollte es zu einer ganzen Reihe weiterer Begegnungen mit der Queen, dem Thronfolger Prinz Charles, aber auch seiner tödlich verunglückten Ex-Gattin Prinzessin Diana kommen: Deren erste ereignete sich im denkwürdigen Zelt, das der Tessiner Architekt Mario Botta anlässlich der 700-Jahrfeier der Eidgenossenschaft im Sommer 1991 in Sils Maria aufstellen konnte. Inmitten dieses Zeltes saßen an einem kleinen Tisch, ohne Leibwächter oder andere Eskorten, der damalige Schweizer Botschafter in London, Franz Muheim, und neben ihm kein anderer als Prinz Charles. Da ich damals, als London-Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung, mit Botschafter Muheim befreundet war, wagte ich es, mich dem Tisch mit den beiden Herren zu nähern: Das war meine erste und letzte persönliche Begegnung mit dem künftigen Monarchen, dem ich doch immerhin meinen (für einen Schweizer doch eher seltenen) Vornamen zu verdanken habe! Was damals gesprochen wurde, entzieht sich meiner Erinnerung – weltbewegend kann es nicht gewesen sein. Zweifellos war ich in jenem denkwürdigen Moment viel zu aufgeregt, um irgendetwas Gescheites von mir zu geben. Jedenfalls fiel es sofort in Vergessenheit – aber die Erinnerung an diese Begegnung im Zelt auf der Wiese im hochsommerlichen Sils Maria blieb unauslöschlich.

Doch es kam noch zu weiteren Begegnungen mit Mitgliedern der Königsfamilie: Als Großbritannien-Korrespondent der NZZ kam ich damals, im Jahrzehnt zwischen 1989 und 1999, an den zahlreichen Skandalen und Skandälchen, welche damals die königliche Familie heimsuchten (die Queen tätigte damals ihren berühmt gewordenen Ausspruch vom „Annus Horribilis“) und die namentlich um Prinz Charles, seiner damaligen Gattin Diana und seiner Geliebten Camilla kreisten, nicht vorbei. Davon konnten mich selbst die kritischen Kommentare aus der NZZ-Auslandsredaktion nicht abhalten, welche die Relevanz der königlichen Intim-Stories bis zuletzt unterschätzten – bis dann die News-Bombe mit dem spektakulären Unfalltod der Prinzessin am 31. August 1997 im Pariser Pont de l’Alma-Straßentunnel platzte und sämtliche Schlagzeilen der Weltpresse beherrschte.

Mit Diana, Princess of Wales, hatte ich das Glück einer persönlichen Begegnung und eines sehr sympathischen Wortwechsels – im Garten des Buckingham Palace. Als Korrespondent eines der führenden Medien war ich einige Male zu den sommerlichen Garden Parties im Buckingham Palace eingeladen. Das war insofern eine eher komplizierte Angelegenheit, als man sich strikte an die Bekleidungsvorschriften des Palastes zu halten hatte – die Briten nehmen diese Dinge bekanntlich sehr genau. Also musste ich vor dem Ereignis zu einem Kleiderverleih und mir einen (in der Sommerhitze unangenehm kratzenden – aber: „stiff upper lip“!) schwarzen Gehrock (morning suit) mit hellgrauem Gilet, dunkelgrauer Hose und Zylinder anpassen lassen. Das war nicht ganz billig, aber was tut man nicht alles, wenn man von der Queen geladen ist…

Der Weg führte durch den (damals noch für das Publikum geschlossenen) Königlichen Palast – wobei es galt, im Vorbeigehen die illustre Porzellansammlung mit dem von intensivem Gebrauch zerkratzten handbemalten Motiven in gläsernen Schaukästen zu bewundern – in den großen, privaten Gärten der Königsfamilie. Dort gab es einige Schlangen, in denen man anzustehen hatte und nach Wahl die persönliche Begegnung mit Prinz Charles, Prinzessin Diana und anderen Mitgliedern der königlichen Familie oder gar der Queen selbst (selbstverständlich die längste Schlange) suchen durfte.

Ich wählte Diana, die damals schon die Medien (und nicht nur die Klatschpresse, die „Tabloids“) beherrschte, und wurde nicht enttäuscht. Diese persönliche Begegnung von Angesicht zu Angesicht offenbarte mir zum ersten und letzten Mal die angenehme, charmante und alles andere als distanzierte oder gar hochmütige Persönlichkeit dieser bildschönen, jungen Frau. Dabei beging ich einen eher schwerwiegenden Protokollfehler – den sie mir aber umgehend und großmütig verzieh: Ich initiierte unsere Unterhaltung und sprach sie auf unsere gemeinsamen Ski-Erfahrungen im Vorarlberger Ferienort Lech an. Das war falsch. Niemals darf man als erster das Wort an Mitglieder der Königsfamilie richten – man hat zu warten, bis sie einen ansprechen.

Was Charles betrifft, so war man bis zuletzt nicht vollständig sicher, ob er tatsächlich den Thron betreten werde. Nun, er hat es getan – mit Würde und doch einem unnötigen Patzer (betreffend Füllfeder). Die Beliebtheit seiner Mutter, welche ihre Aufgabe bis zum letzten Atemzug mit makelloser Hingabe erfüllte, wird er zweifellos nie erreichen – doch, immerhin, er scheint zu einem für die meisten Briten akzeptablen Monarchen zu werden, wenn er in Kürze – am 6. Mai dieses Jahres – zum König Charles III. gekrönt wird. Die englische Monarchie ist gerettet: fürs Erste.

Dr. Charles E. Ritterband, 3. Januar 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Charles Ritterband in Garsington, Sommer 2021

Der Publizist und Journalist Dr. Charles E. Ritterband, Jahrgang 1952, geboren in Zürich / Schweiz, ist Verfasser mehrerer Bestseller („Dem Österreichischen auf der Spur“, „Österreich – Stillstand im Dreivierteltakt“ sowie „Grant und Grandezza“) und hat als Auslandskorrespondent 37 Jahre aus London, Washington, Buenos Aires, Jerusalem und Wien für die renommierte Neue Zürcher Zeitung (NZZ) berichtet. Er studierte Germanistik, Geschichte, Philosophie und Staatswissenschaften an den Universitäten Zürich und Harvard sowie am Institut d’études politiques de Paris und an der Hochschule St. Gallen. Seit Kindesbeinen schlägt Charles’ Herz für die Oper, für klassische Konzerte und für das Theater. Schon als Siebenjähriger nahm ihn seine Wiener Oma mit in die Johann-Strauß-Operette „Eine Nacht in Venedig“. Die Melodien hat er monatelang nachgesungen und das Stück in einem kleinen improvisierten Theater in Omas Esszimmer nachgespielt. Charles lebt im 4. Bezirk in Wien, auf der Isle of Wight und in Bellinzona, Tessin. Er schreibt seit 2017 für klassik-begeistert.de.

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