"Ariadne auf Naxos" in Dresden: Christian Thielemann führt die Sächsische Staatskapelle in einer energetischen Linie und schafft einen Klangrausch

Richard Strauss: Ariadne auf Naxos, PREMIERE,  Semperoper Dresden

Foto: (c) Matthias Creutziger
Semperoper Dresden
, 2. Dezember 2018 – PREMIERE
Richard Strauss: Ariadne auf Naxos

von Pauline Lehmann

Durch kräftige, unverkitschte Bilder gelingt eine eindrucksvolle Darstellung der verschiedenen Welten: Bonbonfarbenes Rokoko trifft auf die düstere Welt der griechischen Tragödie und ist umrahmt von einer spitzen Satire über die aalglatte Finanzwelt. Die Dresdner Inszenierung wird Richard Strauss und seinem Librettisten Hugo von Hofmannsthal gerecht. Doch der magische Schlüsselmoment, Ariadnes Wandlung, verblasst.

Die Neuproduktion von Richard Strauss‘ „Ariadne auf Naxos“ zeichnet sich durch klare Bilder und musikalische Präzision aus. Die Inszenierung bildet eine Einheit. Besonders das fein nuancierte Zusammenwirken zwischen Orchestergraben und Bühne sowie die hohe Schauspielkunst der Darsteller begeistern.

Von der ersten Note an führt Christian Thielemann die Sächsische Staatskapelle in einer energetischen Linie und schafft einen Klangrausch. Der Vorhang eröffnet den Blick auf einen schlichten, weißen Korridor. Türen klappen und ein schwarzer Stuhl ist das einzige Requisit. Im Haus des reichsten Mannes von Wien wird das abendliche Fest vorbereitet.

Die drei Türen geben Einblick in die Künstlergarderoben und nehmen die beiden gegensätzlichen Welten der „Ariadne auf Naxos“ vorweg. Hinter der linken Tür verbirgt sich die bunte Rokokowelt der Komödiantentruppe. Die rechte Tür gibt Einblick in die dunkle Höhle der Ariadne. In der Mitte tritt der Tenor mit offenem Bademantel aus der Dusche.

Der abgeklärte Haushofmeister, der kühle Musiklehrer, der Tanzmeister im türkisblauen Anzug und mit Plateauschuhen aus weißem Lackleder, der schrullige Perückenmacher mit Punkfrisur und die Primadonna im Morgenrock – Der Regisseur David Hermann umrandet jede einzelne Figur stark und schafft damit ein stimmiges Gesamtbild. Ihm gelingt es, Strauss’ und Hofmannsthals Satire zeitlos wirken zu lassen und die kalte Finanzwelt einzufangen. Der Komponist wird unbarmherzig in die Ecke gedrängt.

Daniela Sindram gibt einen Komponisten, der nichts von einem jungen und finanziell mittellosen Musikschaffenden hat. Die Rolle erinnert eher an eine kühle, abgeklärte Politikerin, die eifrig ihre Ziele verfolgt. Sindrams Mezzosopran erklingt in Sie hält ihn für den Todesgott lyrisch und schön. An anderen Stellen wirkt ihre Stimme wenig strapazierfähig und ist ohne Fülle.

Die gegensätzlichen Welten der Commedia dell’ Arte und der Opera seria prallen im Bühnenbild offen aufeinander. Auf der linken Seite steht eine idyllische Rokokowelt, die sich an zwei Gemälde anlehnt: Fragonards Schaukel und Watteaus Pierrot, dit autrefois Gilles. Zerbinettas Welt ist grün, bonbonrot und vital. Auf der rechten Seite befindet sich – schwarz, schmutzig und unendlich trist – die Insel Naxos, auf der Ariadne ihr Dasein fristet. Eine schwarze Kiste, eine schiefe Treppe und ein abgebrochenes Säulenfundament umranden den klagevollen Ort.

Krassimira Stoyanova bringt Ariadnes süßlich-schmerzliche Erinnerung an Theseus einfühlsam zum Ausdruck. Ihre Stimme ist in Höhe und Tiefe ausgeglichen. Der unmerkliche Registerwechsel und der weiche Stimmeinsatz beeindrucken. Das warme Timbre ihrer Stimme wirkt wohltuend.

Ariadne wendet sich von der Welt ab, versteckt sich und lässt sich in ein Tuch einwickeln, das sie mit einem Leichentuch assoziiert. Sie will sich dem Tod hingeben:Es gibt ein Reich, wo alles rein ist. Es hat auch einen Namen: Totenreich. Und sie hofft auf Hermes, den Todesboten: Du wirst mich befreien. Durch dezentes, indirektes Licht schafft Fabrice Kebour eine düstere Atmosphäre, welche die Seelenwelt der Ariadne widerspiegelt.

In Lieben, Hassen, Hoffen, Zagen glänzt Rafael Fingerlos mit seinem warmen Tenor als Harlekin. Daniela Fally begeistert als fröhlich kecke Zerbinetta. Es gelingt der Österreicherin, der quirligen Zerbinetta eine nachdenkliche Tiefe zu geben. Fally beeindruckt durch ihre verständliche Aussprache und klare Koloraturen. Ein Bravo aus dem Publikum, als der Komponist auf die schaukelnde Zerbinetta trifft. An diesem Abend überzeugt vor allem die hohe Schauspielkunst der Darsteller.

Auch das nächste Bild ist eine eindrucksvolle Szene. Bacchus, der Zauberin Circe entkommen, treibt mit seinem Schiff auf Naxos zu. Graue Tücher lassen zunächst an das Schiff des Bacchus denken, dann zeigt sich die Zauberin mit einer Maske. Nicole Meier hypnotisiert als Circe das Trio der Nymphen – Töne, töne, süße Stimme schafft einen Klangzauber und wirkt beseelend. Die Bühne ist in ein kupferrotes Licht getaucht.

Krassimira Stoyanova und Stephen Gould zeichnen die zögerliche Annäherung zwischen Ariadne und Bacchus. Sie hält ihn für den lang ersehnten Todesboten. Er befürchtet, abermals einer Zauberin zu begegnen. Ein dünner schwarzer Vorhang grenzt alles andere ab. Es gibt nur noch Ariadne und Bacchus. Man verliert sich in den Klängen von Ariadne und der Solovioline.

Die Festgesellschaft erhebt sich aus der Seitenloge im ersten Rang. Auf der Bühne haben Ariadne und Bacchus zusammengefunden. Ariadne hat ihre schmerzliche Erinnerung an Theseus überwunden, Bacchus ist zum Gott geworden.

Stephen Gould überzeugt mit einer kraftvollen, tragenden und zugleich feinsinnigen, empathischen Stimmgebung. Aber weder aus Ariadne noch aus Bacchus bricht die neue Lebensfreude hervor. Hermanns Inszenierung bleibt stattdessen kühl und bemessen. Es fehlt der wunderbare Schlüsselmoment, in dem sich Hofmannsthals Intention erfüllt: „Dies ist Verwandlung, das Wunder aller Wunder, das eigentliche Geheimnis der Liebe“.

Auch im Bühnenbild gelangen die beiden Welten zu keiner völligen Synthese. Das Eis wird nicht vollständig gebrochen. Die kalt-glamouröse Festgesellschaft geht über die Bühne, mustert die Darsteller und macht schnell noch ein Foto. Die Darsteller des Theaterstücks verharren im Standbild und das Orchester verhallt in Dur. Ein kurzer, eindringlicher Gänsehautmoment.

Pauline Lehmann, 4. Dezember 2018, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Musikalische Leitung Christian Thielemann
Inszenierung David Hermann
Bühnenbild Paul Zoller
Kostüme Michaela Barth
Licht Fabrice Kebour
Dramaturgie Kai Weßler
Der Haushofmeister Alexander Pereira
Ein Musiklehrer Albert Dohmen
Der Komponist Daniela Sindram
Ein Tanzmeister Aaron Pegram
Primadonna / Ariadne Krassimira Stoyanova
Der Tenor / Bacchus Stephen Gould
Zerbinetta Daniela Fally
Harlekin Rafael Fingerlos
Brighella Joseph Dennis
Scaramuccio Carlos Osuna
Truffaldin Torben Jürgens
Najade Evelin Novak
Dryade Simone Schröder
Echo Tuuli Takala
Ein Perückenmacher Jiří Rajniš
Ein Offizier Beomjin Kim
Ein Lakai Bernhard Hansky
Circe Nicole Meier
Festgesellschaft Simone Hamann, Romana Hanisch, Elsa Thiemar, Paul Janicke, Klaus Kühn, Andreas Schulz
Sächsische Staatskapelle Dresden

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