Rising Stars 49: Laura Lootens verzaubert ihre Gitarre in das beste aller Klaviere

Rising Stars 49: Laura Lootens verzaubert ihre Gitarre in das beste aller Klaviere  klassik-begeistert.de, 7. Dezember 2023

Laura Lootens © Frank Lübke

von Dr. Lorenz Kerscher

Als Anfang 2022 meine Freunde vom Arcis Saxophon Quartett dafür warben, die Debüt-CD der jungen Gitarristin Laura Lootens per Crowdfunding zu unterstützen, schaute ich in ihren YouTube-Kanal und war sehr angetan von ihrem schönen Spiel. Also leistete ich einen Beitrag und wählte als Dankschön die Option, die CD sofort nach Erscheinen zu erhalten. Und vor kurzem ging sie mir zu. Schon die Titelliste zeigte mir, dass die junge Künstlerin viel bewegen wollte, denn eingespielt waren ausschließlich Klavierwerke von Isaac Albéniz in von ihr selbst erstellten Transkriptionen. Auch die Aufnahmen erfolgten zunächst in Eigenregie, doch als das Ergebnis beim Label CAvi erschien, wurde die Deutsche Grammophon darauf aufmerksam und veröffentlichte auf ihrem YouTube-Kanal einige in schönem Ambiente spanischer Natur gedrehte Musikvideos.

https://www.youtube.com/watch?v=3LyORzm519Y

Laura Lootens – Albéniz: Suite Española No. 1, Op. 47 (Arr. Laura Lootens): No. 4, Cádiz

Die Künstlerin, die in ihrem Debütalbum schon eine ganz eigene Handschrift entwickelt hat, ist noch sehr jung. Geboren wurde Laura Lootens 1999 in Marktoberdorf im Ostallgäu und erhielt im Alter von acht Jahren ihren ersten Gitarrenunterricht. Sofort sei sie so begeistert gewesen, berichtet sie, dass sie sich nichts anderes mehr vorstellen konnte, als Gitarristin zu werden. Mit dieser Motivation entwickelte sie den nötigen Fleiß, um schnell voranzukommen und schon mit 14 Jahren Jungstudentin an der Hochschule für Musik und Theater München zu werden. Ein Jahr später nahm sie dort ihr Bachelorstudium auf, dem folgten das Masterstudium und anschließend der Studiengang „Excellence in Performance“. Und bereits im Alter von 22 Jahren erhielt Laura Lootens einen Lehrauftrag für Gitarre an der Münchner Musikhochschule.

Mit 15 Jahren trat sie als Interpretin von Joaquín Rodrigos Concierto de Aranjuez erstmals mit Orchester auf. 2018 war sie die jüngste Finalistin in der Geschichte des angesehenen Certamen Internacional de Guitarra Clásica Andrés Segovia in Spanien und gewann beim erneuten Antreten in 2022 den ersten Preis. Dies mag auch einer der Gründe sein, warum sich die Deutsche Grammophon für sie interessiert. Vorher musste sie jedoch anstelle einer beginnenden Konzerttätigkeit erst noch die Corona-Pandemie durchstehen, wobei sie immerhin in einem Livestream der Münchner Musikhochschule eine fulminante Interpretation der eigentlich für Solovioline geschriebenen Chaconne von Johann Sebastian Bach präsentieren durfte.

 

LIVE J.S. Bach – Chaconne BWV 1004 played by Laura Lootens (Juni 2020)

So reicht ihr Repertoire von der Barockmusik hin zu einem Schwerpunkt in der Epoche spätes 19./ frühes 20. Jahrhundert, in der in Spanien, dem Mutterland der Gitarre, auch musikalisch eine starke nationale Identität zur Geltung kam. Durch Gegenüberstellung spanischer und italienischer Musik dieser Zeit gestaltete sie ein ansprechendes Soloprogramm, das sie dann zum Ende der Beschränkungen wegen Corona auch live aufführend konnte. Und weiterhin führt sie ihre musikalische Neugier auch hin zu zeitgenössischen Werken.

Laura Lootens plays III. No te escaparás – Three Caprichos after Goya by Brett Dean

Die nun erschienene Debüt-CD ist eine eindrucksvolle Visitenkarte, die die Ernsthaftigkeit ihres Karrierestarts beglaubigt. Könnte man vielleicht befürchten, die eingespielte Klaviermusik würde durch die Bearbeitung für Gitarre an Substanz verlieren, erkennt man schnell, dass vielmehr eine Bereicherung erzielt wird. Ihr Gitarrenspiel kann an Dichte des Klangs durchaus mit dem großen Tasteninstrument mithalten und darüber hinaus schöpft sie die Variationsmöglichkeiten der Klangfarbe aus, die das Zupfinstrument bietet. Hier können Akzente auch durch härteren Einsatz der Fingernägel gesetzt werden, Glissando und Vibrato bieten sich an, um Gesangslinien hervorzuheben. So wird im Endergebnis ein viel lebendigerer Klang erzeugt und in den Dienst der Interpretation gestellt, als er am Klavier erzielt werden kann. Und damit ist Laura Lootens ohne Zweifel ein faszinierendes Debütalbum gelungen.

Im einleitenden El Albaicín aus der Iberia-Suite von Isaac Albéniz, das ihr besonders wichtig war, konnte sie, wie sie im Begleitheft angab, nur mit Mitteln des Tonstudios die erwünschte Wirkung erzielen. Der Tonumfang ließ sich nur durch Aufnahmen mit zwei unterschiedlich gestimmten Gitarren abdecken. Live wird sie das so nicht zur Aufführung bringen, während andere der eingespielten Arrangements, überwiegend von Kompositionen aus der Klaviersuite Española, op. 47, auch Eingang in ihr Konzertrepertoire finden. So bildet diese CD eine sinnfällige Abwechslung tänzerischer und gesanglicher Stücke, eine überzeugende Gesamtdramaturgie aus rhythmisch akzentuierten und ruhig fließenden Nummern. Für mich, der zugegebenermaßen klassische Musik für Sologitarre bislang eher als eine trockene Materie empfunden hat, führt das zu der Erkenntnis, welch begeisterndes Musizieren auf diesem Instrument möglich ist. Und so bin ich ganz sicher, dass Laura Lootens mit ihrem ausdrucksvollen Spiel noch vielen Musikfreunden die Vielfalt der mit ihrem Instrument erschließbaren Klangwelten nahebringen wird.

https://www.youtube.com/watch?v=b_8T5WFD4-8

Laura Lootens – Albéniz: Suite Española No. 1, Op. 47: No. 5, Asturias (arr. for solo guitar)

Dr. Lorenz Kerscher, 7. Dezember 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Weiterführende Information:

Bestellmöglichkeit der Albéniz-CD von Laura Lootens

Offizielle Webseite

Laura Lootens in Wikipedia

Dr. Lorenz Kerscher
„Musik ist Beziehungssache,“ so lautet mein Credo. Deshalb bin ich auch als Chorsänger aktiv und treffe mich gerne mit Freunden zur Hausmusik. Eine neue Dimension der Gemeinsamkeit eröffnet sich durch die Präsenz vieler, vor allem junger Künstler im Internet, wo man Interessantes über ihre Entwicklung erfährt, Anregungen zur Entdeckung von musikalischem Neuland bekommt und auch in persönlichen Kontakt treten kann. Man ist dann kein Fremder mehr, wenn man ihnen als Autogrammjäger begegnet oder sie sogar bei einem Konzertbesuch im Publikum trifft. Das ist eine schöne Basis, um mit Begeisterung die Karrieren vielversprechender Nachwuchskünstler mitzuerleben und bei Gelegenheit auch durch Publikationen zu unterstützen.“

Rising Stars 48: Guido Sant’Anna, Violine klassik-begeistert.de, 2. November 2023

Rising Stars 47: Jonathan Tetelman, Tenor – sein Weg führt direkt nach oben

Rising Stars 46: Patricia Nolz, Mezzosopran klassik-begeistert.de, 17. August 2023

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