Foto © SF / Marco Borrelli
Solistenkonzert Kopatchinskaja · Leschenko, Salzburger Festspiele Stiftung Mozarteum, Großer Saal, 18. August 2019
Patricia Kopatchinskaja, Violine
Polina Leschenko, Klavier
- George Enescu, Impressions d’enfance op. 28 & Sonate Nr. 3 a-Moll op. 25
- Maurice Ravel, Sonate Nr. 2 G-Dur & Tzigane – Rhapsodie de concert
von Raphael Eckardt
Nur wenige Künstler erfreuen sich auf den verschiedensten Bühnen dieser Welt einer solchen Beliebtheit wie die Violinistin Patricia Kopatchinskaja. Da verwundert es dann freilich wenig, dass die moldauisch-österreichische Ausnahmekünstlerin zusammen mit der russischen Pianistin Polina Leschenko auch diesmal wieder im Rahmen der Salzburger Sommerfestspiele zu hören und zu bestaunen war – mit einem Programm, das unter anderem die musikalische Mannigfaltigkeit der französischen Avantgarde-Hochkultur mit osteuropäischen Einflüssen exzellent zu verbinden wusste.
Wer sich mit der Person Patricia Kopatchinskaja beschäftigt hat, der weiß um die Stärke dieser so breit aufgestellten Geigenvirtuosin, deren Spiel durch äußerste Präzision und dynamische Feindifferenzierung seit vielen Jahren weltweit für Furore sorgt: Kopatchinskaja gilt unter den großen Geigerinnen und Geigern unserer Zeit oft als Meisterin der Kontraste, als akribische Präzisionsarbeiterin und als Königin der technischen Sorgfalt. Da passt es umso besser, dass ihr mit Polina Leschenko an diesem Abend eine Pianistin zur Seite stand, die wohlüberlegt agierte und die Impulsität Kopatchinskajas durch fein dosiertes Klavierspiel regelmäßig aufzufangen wusste. Denn das Programm des Abends verlangte auch diesen beiden Ausnahmekünstlerinnen wahrlich alles ab:
Mit George Enescus (1881-1955) Impressions d’enfance und der Sonate Nr. 3 in a-moll standen unter anderem zwei Werke eines rumänischen Komponisten auf dem Spielplan, der zwar in Paris (u.a. bei Gabriel Fauré) studierte, die musikalischen Einflüsse seiner Heimat aber nie aus seinen Kompositionen verbannte.
Kopatchinskaja und Leschenko gelingt an diesem Abend das großartige Kunststück, beide Aspekte durch einzigartige Interpretation dieser so großartigen und oft zu Unrecht im Schatten der anderen großen Komponisten des letzten Jahrhunderts stehenden Werke zu vereinen: Feinfühlig dargebotene Pianissimopassagen, die in sanften Legati wie verschiedenfarbige Luftschlangen durch die Salzburger Nacht zu wirbeln scheinen, wechseln sich da mit feurig scharfen Staccati ab, die synkopisch Muster durch die runden Farblinien zu ziehen wissen: Hier ein impulsiver Akzent, dort eine bedrohlich anmutende triolische Betonung – das, was Kopatchinskaja und Leschenko an diesem Abend abliefern, hat wahrlich Hand und Fuß! Wieder und wieder schwingen sich herrlich verschnörkelte Achtelbewegungen in immer höhere Sphären auf, Leschenkos feinfühlig dahingleitende rechte Hand fügt sich wunderbar in Kopatchinskajas anmutiges Geigenspiel – als Höhepunkt darf da sicherlich der dritte Satz von Enescus a-Moll-Sonate genannt werden: Virtuos kämpfen sich die beiden durch einen musikalischen Dschungel aus komplexen osteuropäischen Volksmusikklängen. Immer wieder brechen Achtelbewegungen temperamentvoll in neue akzentuierte Schlingen, die rhythmisch aber keineswegs instabil wirken. Fabelhaft!
Dass Enescus oft unterschätzte Musik an diesem Abend mit zwei Werken seines Mitschülers Maurice Ravel (Sonate für Violine und Klavier Nr. 2 in G-Dur & Tzigane) kombiniert wurde, mag auf den ersten Blick in diesem Zusammenhang ein wenig verwundern – im Schatten des französischen Großmeisters der Avantgardeepoche standen sie diesmal allerdings zu keinem Zeitpunkt. Nicht zuletzt deshalb, weil dessen Tzigane eine wunderbare Symbiose aus Enescus musikalischem Vermächtnis und Faurés spätromantischer Kompositionsästhetik darstellt.
Den Interpretationsansatz, den Kopatchinskaja und Leschenko an diesem Abend dem so hoch verwöhnten Salzburger Festspielpublikum präsentierten, erscheint da in ganz besonderem Licht: Wie feingesponnene rote Fäden zogen sich puristische Volksmusikelemente durch das Konzertprogramm des Abends: Wer Ravel nicht wie einen weiteren Komponisten der Pariser Musikhochkultur, sondern wie einen Forscher auf Entdeckungsreise interpretiert, macht da aus weniger mehr. Mit dynamischen Extremen spielend und Klangbilder entwickelnd, die wie ein riesiger Feuerball durch die Luft zu wirbeln scheinen, gelingt allen voran Kopatchinskaja die Symbiose von Hochkultur mit Populärem. Und das ist in dieser Reinheit nur dann möglich, wenn KünstlerInnen von absolutem Weltformat auf ein Komponistenduo treffen, das in seiner musikalischen Wechselwirkung ein Niveau erzielt, das nur in dieser Kombination zum Vorschein kommt. Chapeau, die Damen, das war ganz, ganz große Klasse!
Raphael Eckardt, 19. August 2018, für
klassik-begeistert.de