Sommereggers Klassikwelt 118: Stille Nacht mit Ernestine Schumann-Heink

Sommereggers Klassikwelt 118: Stille Nacht mit Ernestine Schumann-Heink,  klassik-begeistert.de

Es ist auch noch heute möglich, Bekanntschaft mit dieser großen, am 17. November 1936 in Hollywood verstorbenen Sängerin zu schließen. Lohnend ist es allemal!

von Peter Sommeregger

Diese Ausgabe meiner Klassikwelt hat einen durchaus weihnachtlichen Bezug. Nachdem ich mit spitzen Fingern den auf CD gebannten Weihnachtslieder-Overkill Jonas Kaufmanns ganz tief in mein CD-Regal versenkt hatte, kehrte ich reumütig zu meiner Lieblingsaufnahme der „Stillen Nacht“ zurück.

Die österreichische Sopranistin Ernestine Schumann-Heink hat 1908 für eine Schellackplatte dieses unsterbliche Weihnachtslied aufgenommen, bis heute halte ich diese Einspielung für die Gelungenste. Die Sängerin phrasiert mit ihrem weichen, klangschönen Mezzosopran so zart, innig und dabei inbrünstig, dass man tief gerührt ist. In späteren Jahren hat sie das Lied noch verschiedentlich aufgenommen, ihre frühe Aufnahme bleibt aber unübertroffen.

Naturgemäß sagt der Name der Künstlerin dem heutigen Publikum nichts mehr. Da in dieses Jahr ihr 160. (!) Geburtstag und ihr 85. Todestag fällt, nutze ich die Gelegenheit, um an diese bemerkenswerte Künstlerin zu erinnern.

Die in der Nähe von Prag am 15. Juni 1861 geborene Tochter eines K.u.K.-Offiziers erhielt schon früh eine Gesangsausbildung und sang bereits mit 16 Jahren das Altsolo in Beethovens 9. Symphonie. Ihr erstes Opernengagement begann sie an der Dresdner Hofoper, wo sie mit 17 Jahren unter ihrem Mädchennamen Tini Rössler bereits die Azucena in Verdis Troubadour sang. Es folgten Engagements an die Berliner Kroll-Oper, später an die Hamburgische Oper. Dort blieb sie für 14 Jahre im Engagement und eignete sich ein reiches Repertoire von dramatischen Mezzo-Partien an, was zu immer häufigeren Gastauftritten an ausländischen Opernhäusern führte.

In Hamburg heiratete sie in zweiter Ehe den Leiter des Thalia-Theaters Paul Schumann. Eine erste, in Dresden geschlossene Ehe mit dem Sekretär der dortigen Oper, Ernst Heink war 1893 geschieden worden. Da die Sängerin aus beiden Ehen Söhne hatte, führte sie den Doppelnamen Schumann-Heink, der bald zu ihrem internationalen Markenzeichen wurde.

Ab 1898 trat die Sängerin in den USA auf, von 1899 bis 1932 sang sie an der Metropolitan Opera in New York. Davon unberührt blieben ihre Auftritte in Europa, wo sie von 1909 bis 1914 bei den Bayreuther Festspielen auftrat, und 1909 in der Uraufführung von Richard Strauss´ Elektra in Dresden die Rolle der Klytemnästra kreierte.

Beim Börsenkrach 1929 verlor sie fast ihr gesamtes Vermögen und war dadurch gezwungen, weiter in Konzerten aufzutreten. Schon frühzeitig hatte sie zahlreiche Schallplatten aufgenommen. Ihre vibratoreiche Altstimme eignete sich hervorragend für dieses neue Medium. Als das Radio seinen internationalen Siegeszug antrat, wurde auch häufig auf die ungemein populäre Sängerin zurückgegriffen. Tonaufnahmen von Ernestine Schumann-Heink sind in erfreulich großer Zahl verfügbar, ihre originalen Schellackplatten sind begehrte Sammlerobjekte. Es ist also auch noch heute möglich, Bekanntschaft mit dieser großen, am 17. November 1936 in Hollywood verstorbenen Sängerin zu schließen. Lohnend ist es allemal!

Peter Sommeregger, 24. Dezember 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus auf. Schon vor der Einschulung verzauberten ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 1994 lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen‘. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de. Jeden Mittwoch: „Sommereggers Klassikwelt“.

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