Ernő Dohnányi © wikipedia.org
Fällt heute der Name der Familie Dohnányi, denkt fast jeder Mensch zuerst an den Politiker Klaus von Dohnányi, oder den Dirigenten Christoph von Dohnányi. Geschichtsbewussten Zeitgenossen wird auch noch der Name des Vaters der beiden, Hans von Dohnányi, vielleicht ein Begriff sein, der mit seinem Leben für den Widerstand gegen die Nationalsozialisten bezahlte.
Fast in Vergessenheit geraten ist dagegen der Vater von Hans, und Großvater von Klaus und Christoph, Ernst (Ernö) von Dohnányi. Geboren noch zur Zeit der Donaumonarchie, am 27. Juli 1877 in Preßburg, wuchs er in einem musikalischen Elternhaus auf, der Vater war Professor für Mathematik, spielte aber privat das Cello.
Bereits mit sieben Jahren erhielt Ernö professionellen Musikunterricht, in seinem 17. Lebensjahr zog er nach Budapest, wo er an der Königlichen Musik-Akademie Klavier und Komposition studierte. Bereits nach zwei Jahren schloss der noch nicht Zwanzigjährige seine Studien mit blendenden Noten ab. Noch im selben Jahr konzertierte er erfolgreich in Berlin, Wien und London.
1898 bereiste er bereits die USA, erste Kompositionen entstanden, seine 1. Symphonie ließ noch stark den Einfluss von Johannes Brahms erkennen, der sich über erste Kammermusik-Kompositionen Dohnányis positiv geäußert hatte. Auf Einladung von Joseph Joachim lehrte Dohnányi von 1905 bis 1915 an der Königlichen Musikhochschule in Berlin, deren Direktor Joachim war.
In den Berliner Jahren entstanden weitere Kompositionen, darunter seine erste Oper „Der Schleier der Pierrette“, nach einer Novelle von Arthur Schnitzler. Zurück in Budapest heiratete er die Pianistin Elsa Kunwald, mit der er den Sohn Hans und eine Tochter, Grete, bekam. Etwa um die Zeit des Ausbruches des Ersten Weltkrieges verliebte sich Dohnányi in die deutsche Schauspielerin Elsa Galafrés, die allerdings noch mit dem Geiger Bronislav Hubermann verheiratet war. Da sich beider Ehepartner anfangs einer Scheidung widersetzten, konnte das Paar erst im Jahr 1919 heiraten.
In der politisch unruhigen Zeit nach dem Ersten Weltkrieg übernahm Dohnányi die Leitung der Budapester Musikakademie und des Philharmonischen Orchesters der Stadt. Später sah er sich Vorwürfen ausgesetzt, sich den rechten Regimes, die in der Folge Ungarn regierten, angedient zu haben. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde offenbar, dass er sich in seinen Funktionen vehement für jüdische und andere verfolgte Musiker eingesetzt hatte. Unter seinen Schülern befanden sich später weltberühmte Pianisten wie Géza Anda und Annie Fischer.
Bereits 1937 verliebte sich Dohnányi in Ilona Zachár, eine verheiratete Frau mit zwei Kindern. Geheiratet hat das Paar erst nachdem es seinen Wohnsitz in den USA genommen hatte, wo Dohnányi ab 1949 zehn Jahre an der Florida State University lehrte.
Er verstarb am 9. Februar 1960 in New York City, nur zehn Tage nachdem er sein letztes Konzert gegeben hatte.
Sein reichhaltiges musikalisches Erbe, darunter vier Opern, zwei Symphonien, Chorwerke, Werke für Klavier und Kammermusik, ist in den letzten Jahren wieder häufiger zu hören, aber an seine Erfolge zu Lebzeiten kommen seine Aufführungszahlen nicht mehr heran. Dohnányis Musik ist noch stark von spätromantischen Vorbildern wie Brahms geprägt, hat aber ihren eigenen Reiz.
Peter Sommeregger, 6. Februar 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen.‘ Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.
Christoph von Dohnányi, NDR Elbphilharmonie Orchester, Elbphilharmonie, 17. Januar 2020
Küchl-Quartett, Haydn, Dohnányi, Beethoven, Musikverein Wien, Brahms-Saal