Musikfest Berlin: Aufwühlende letzte Werke unter Gergiev

Valery Gergiev, Münchner Philharmoniker, Georg Nigl,  Philharmonie Berlin

Foto: Kai Bienert (c)
Philharmonie Berlin,
7.September 2018
Gastspiel Münchner Philharmoniker
Valery Gergiev  Dirigent
Georg Nigl  Bariton
Michael Rotschopf  1. Sprecher
Josef Bierbichler  2. Sprecher
Bernd Alois Zimmermann, Ich wandte mich und sah an alles Unrecht, das geschah unter der Sonne
Anton Bruckner, Symphonie Nr.9 d-Moll

von Peter Sommeregger

Die Koppelung der beiden jeweils letzten Werke der in verschiedenen Jahrhunderten lebenden Komponisten Bernd Alois Zimmermann und Anton Bruckner im Konzert der Münchner Philharmoniker unter Valery Gergiev ist eine kühne Idee, hat aber auch eine innere Logik. Beide Komponisten waren gläubige Katholiken und schrieben diese ihre letzten Werke im Wissen um die Nähe ihres Todes. Beide erlebten die Uraufführungen nicht mehr, Bruckners „dem lieben Gott“ gewidmete Symphonie blieb sogar unvollendet.

Zimmermanns Opus, als Auftragswerk des damaligen Kieler Generalmusikdirektors Hans Zender entstanden, greift auf Texte Dostojewskis und des 4. Kapitels des biblischen Buches Der Prediger Salomon zurück. Zwei Sprecher lesen diese unterschiedlichen Texte ineinander verwoben, eine Baritonstimme setzt sie gesanglich um. Neben einer großen , teilweise ungewöhnlichen Orchesterbesetzung verlangt der Komponist auch den Einsatz von drei frei hängenden Holbalken, Schüttelrohr, Zeitungspapier und Pappe. Liegt im ersten Teil der Komposition der Focus noch mehr auf dem gesprochenen und gesungenen Wort, so beginnen die Solisten im weiteren Verlauf, die Texte auch durch Bewegungen und Gesten zu unterstreichen. Im letzten Teil ziehen sich die Sprecher zurück und überlassen einzig dem Gesangssolisten das Feld. Das Werk endet mit einem Blechbläser-Zitat des Bach-Chorales „Es ist genug“.

Die Besetzung der Sprecher mit Michael Rotschopf und Josef Bierbichler ist schon durch die Verschiedenartigkeit der beiden Stimmen als geglückt anzusehen, sprechtechnisch wie im Ausdruck erscheinen sie als optimale Vertreter ihrer Kunst. Letzteres gilt in noch höherem Maße für den Gesangssolisten, den Bariton Georg Nigl. Der einstige Wiener Sängerknabe verfügt mit seiner Stimme über unglaubliche Fähigkeiten der Nuancierung und Klangfärbung. In seinem Gesang deckt er das gesamte Spektrum dieser vielschichtigen Komposition ab und erfüllt es mit Leben. Ein tief beeindrucktes und ergriffenes Publikum feiert die Protagonisten mit langem Applaus.

Nach der Pause steht Bruckners nachgelassene, unvollendete 9. Symphonie auf dem Programm. Die Münchner haben durch ihren langjährigen Chefdirigenten Sergiu Celibidache eine hohe Kompetenz, wenn es um Bruckner geht. Gegenwärtig erarbeitet das Orchester mit Gergiev sogar einen kompletten Zyklus der Symphonien, die jeweils an authentischem Ort, in der Stiftskirche St. Florian, der Grablege Bruckners aufgezeichnet werden.

Breit und gemessen legt Gergiev sein Dirigat an, das Orchester kann seine Stärken-manchmal etwas zu laut- voll ausspielen. Und doch, aus schwer zu benennenden Gründen geht dieses hoch emotionale Stück diesmal nicht wirklich zu Herzen und unter die Haut. Vielleicht ist die Kombination zweier so anspruchsvoller Werke an einem Abend mehr, als der Zuhörer und vielleicht auch die Musiker emotional und intellektuell verarbeiten können. Trotzdem starker, herzlicher Applaus für die Münchner und Gergiev.

Peter Sommeregger, Berlin, 8. September 2018 für
klassik-begeistert.de

 

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