Subjektive Gläubigkeit bei den Salzburger Festspielen

Wiener Philharmoniker · Riccardo Muti , Salzburger Festspiele, Großes Festspielhaus, 15. August 2018

Foto: ©Salzburger Festspiele / Marco Borrelli
Wiener Philharmoniker · Riccardo Muti
Robert Schumann Symphonie Nr. 2 C-Dur op. 61
Franz Schubert Messe Es-Dur D 950

Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor
Ernst Raffelsberger, Choreinstudierung
Krassimira Stoyanova,
Sopran
Alisa Kolosova, Alt
Michael Spyres, Tenor
Maciej Kwaśnikowski, Tenor
Gianluca Buratto, Bass

von Antonia Tremmel-Scheinost

Das alljährliche Gedenken an Mariä Aufnahme in den Himmel beschert Salzburg nicht nur ein paar arbeitsfreie Stunden, sondern auch ein traditionelles Festspielspektakel mit Riccardo Muti. Mutis musikalische Zelebrierung des Ferragosto, wie man den 15. August in des Maestros italienischer Heimat nennt, jährte sich -Zahlenmystiker habt acht- bereits zum 15. Mal. Mag man Kritikern und Publikum Glauben schenken, erwies sich die einige Tage zuvor stattfindende Generalprobe zum Hochfest als über weite Strecken enttäuschend. Doch Riccardo Muti und die Wiener Philharmoniker gelten nicht umsonst als Orion am Orchesterhimmel. Gleich dem Phönix aus der Asche bereicherte das kongeniale Gespann das diesjährige Marienfest um einen durchaus fesselnden Vormittag.

Wiener Philharmoniker Riccardo Muti © Salzburger Festspiele / Marco Borrelli

Den Auftakt machte Robert Schumanns 2. Symphonie in C-Dur op. 61. Skizziert in tiefster Depression polarisiert das Werk bis heute. „Mir ist’s, als müsste man ihr das anhören“ ließ der Komponist einst verlautbaren… Die inhomogene Instrumentierung samt Morbidezza formten Dirigent und Orchester dennoch zu geschlossenem Wohlklang aus. Obgleich im Scherzo noch einzelne tempodramaturgische Manierismen reizten, leuchtete Muti im Adagio espressivo die Schumann’schen Seelenabgründe feinnervig aus. Vor allem die Holzbläser, als Hauptakteure neben dem Schubert intonierenden Staatsopernchor, zeichneten sich durch exzellentes Spiel aus. Tiefe und Weite des langsamen Satzes, sowie Schumanns meisterhafte Kontrapunktik kamen gebührend zur Geltung.

Abschließend erklang Franz Schuberts Es-Dur-Messe D 950 in unverkennbar Muti’scher Lesart. Schuberts letzte, von christlicher Aufklärung geprägte Messe, ist von Klangpracht und tiefer Gläubigkeit bestimmt. Schuberts Ausdruck der Beseeltheit und Innigkeit wird in diesem Werk nahezu vollends vom Chor getragen. Das homophone, mehrteilig angelegte Kyrie ließ der von Ernst Raffelsberger einstudierte Wiener Staatsopernchor in voller Pracht erstrahlen, und die große Cum Sancto Spiritu Chorfuge im Gloria bestach durch feinste Dynamiknuancierung.

Erst im Credo kamen die Solisten, in ungewöhnlichem Quintett (Soprano, Alt, zwei Tenöre, Bass) angelegt, zum Zuge, wenngleich die alles überstrahlende Krassimira Stoyanova solch Kühnheit glatt in Vergessenheit geraten ließ. Schuberts extravagante Chromatik gipfelte in einem prachtvoll intonierten Agnus Dei, das gar Brucknersche Kontrapunktik antizipiert. Eingebettet in grandiosem philharmonischen Klang flutete die finale Friedensbitte Dona nobis pacem der Achtzig Vokalisten eindringlich und bar jeglicher Larmoyanz den Raum. Letzten Endes entließ Riccardo Muti, durch reges Zutun von Schuberts sakralem Schwanengesang, ein hinlänglich ergriffenes Publikum in den verbleibenden Tag der Assumptio Mariae.

Antonia Tremmel-Scheinost, 17. August 2018
für klassik-begeistert.de

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