Klaus Florian Vogt ist der Lohengrin unserer Zeit

Begeisternder Wagner-Abend mit Starbesetzung

Richard Wagner, Lohengrin
Deutsche Oper Berlin, 17. Dezember 2017
Musikalische Leitung, Axel Kober
Inszenierung, Kasper Holten
Bühne, Kostüm, Steffen Aarfing
Heinrich der Vogler, Ain Anger
Lohengrin, Klaus Florian Vogt
Elsa von Brabant, Anja Harteros
Friedrich von Telramund, Simon Neal
Ortrud, Petra Lang
Der Heerrufer des Königs, Thomas Lehman
Chor der Deutschen Oper Berlin
Orchester der Deutschen Oper Berlin

von Sebastian Koik

Klaus Florian Vogt ist DER Lohengrin unserer Zeit. Das beweist er immer und immer wieder. So auch an diesem Abend mit Starbesetzung in der Deutschen Oper Berlin.

Wenn er im ersten Akt zur Errettung der unschuldigen Elsa als geflügelte Lichtgestalt erscheint, dann sieht er nicht nur so aus, sondern singt auch wie ein Engel! Die ätherische Reinheit, Zartheit und Schönheit in seiner Stimme sind nicht von dieser Welt.

Es soll ja tatsächlich Leute geben, die Klaus Florian Vogts Gesang eben wegen dieser engels- oder knabenartigen Unschuld ablehnen. Für die meisten anderen ist das der schönste Gesang, den sie je auf Erden gehört haben.

Klaus Florian Vogt, Anja Harteros, Petra Lang, Ain Anger: Dieser Berliner Lohengrin bietet wahrlich eine Spitzenbesetzung! Und die renommierten Namen liefern. Jeder von ihnen gibt eine sehr starke Vorstellung. Einziges Manko ist der Mann am Pult: Axel Kober, ein eigentlich erfahrener Wagner-Dirigent, der diverse Wagner-Opern an renommierten Häusern dirigiert hat, seit 2013 auch in Bayreuth.

An diesem Abend enttäuscht Kober. Während die Ouvertüre noch sehr stark gelingt, so gilt das für den Rest des Abends nicht mehr. Das Dirigat ist etwas zu unruhig und vermag nicht so sehr mitzureißen wie in den anderen Aufführungen dieser Inszenierung unter Donald Runnicles, dem Chefdirigenten des Hauses. Auch ist seine musikalische Leitung weniger sängerfreundlich als unter dem in dieser Aufführung schwer vermissten Runnicles. An einigen Stellen ist das Orchester zu laut und bereitet den hervorragenden Gesangs-Solisten und Chören Probleme, die sie in den Aufführungen unter anderer Führung nicht hatten.

Lohengrin, Donald Runnicles, Marko Mimica, Brandon Jovanovich, Rachel Willis-Sørensen, Thomas Johannes Mayer, Anna Smirnova, Deutsche Oper Berlin

Anja Harteros ist eine der am meisten gefeierten Sängerinnen der Gegenwart. Und sie macht ihre Sache als Elsa auch sehr, sehr gut. Sie zeigt sich auch dem Publikum in Berlin in allen Tonlagen gesangstechnisch perfekt. Nichts wirkt bei ihr angestrengt oder kompromisshaft, ihr Gesang ist außerordentlich variantenreich. Sie wird zu Recht vom Publikum gefeiert. Doch für den ein oder anderen wirkt ihr Gesang zwar extrem kunstvoll und an sich stark, allerdings mit leicht zu wenig Authentizität in der Rolle. Es fehlt ein wenig an glaubhaftem Gefühl und Elsa-Verkörperung in Gesang und Spiel.

Die Star-Sopranistin gab die Elsa von Brabant bereits in der Spielzeit 2014/2015 an der Deutschen Oper Berlin. Anja Harteros übernimmt im kommenden Jahr die Partie der Elsa bei den Bayreuther Festspielen.

Rachel Willis-Sørensen, die in den anderen Aufführungen der aktuellen Saison an der Deutschen Oper Berlin die Elsa spielte, gefiel dem Autoren letztendlich besser. Frau Willis-Sørensen verkörperte darstellerisch und gesanglich ganz exzellent eine reine, unschuldige, romantische, liebessehnsüchtige Elsa von Brabant. Ich habe bei Frau Harteros vor allem ein glaubhaftes Aufbegehren gegen die verordneten Spielregeln ihres Gatten Lohengrin vermisst. Das gelang Rachel Willis-Sørensen sehr schön und glaubwürdig. Besser als Harteros konnte sie auch Hartnäckigkeit, Durchsetzungsstärke und vor allem Aufklärungswunsch auf der Bühne verkörpern. Auch ihr Unglück in der Beziehung zu Lohengrin und ihren Wunsch nach Vertrauen drückte Willis-Sørensen nicht nur auf der Bühne, sondern auch in ihrer Stimme emotionaler und glaubwürdiger aus.

Sehr stark und glaubwürdig ist Simon Neal als Friedrich von Telramund. Vor allem in der Anklage Elsas drückt er gnadenlos gut seine tiefe Überzeugung aus im Recht zu sein. Er hat ja keine Ahnung, nur Marionette der ihn täuschenden und manipulierenden Gattin Ortrud zu sein.

Petra Lang ist eine starke Ortrud in Gesang und vor allem in der Darstellung. Wie schon Anna Smirnova in früheren Aufführungen im aktuellen Berliner Lohengrin spielt sie überaus glaubhaft verschlagen und diabolisch die Schlange, Hexe, Manipulatorin, Machtpolitikerin. Insgesamt gefiel Anna Smirnova gesanglich etwas mehr. Petra Lang ist ganz großartig in den Höhen und höchsten Höhen. In mittleren und tieferen Tonlagen klingt ihre Stimme dünner, schwächer und weniger klangschön.

Ain Anger ist ein herrlicher König Heinrich, großartig in Gesang und Darstellung. Sein Bass klingt heller als bei vielen anderen Kollegen seines Stimmfachs. Er ist vieldimensional, beweglich, klingt schön leicht und elegant, ohne dass es in der Tiefe an Pracht, Wärme und Sonorität fehlt. Einzig diejenigen, die im November Günther Groissböck in der Rolle erlebten, konnten etwas vermissen. Der wunderbare Ain Anger begeistert und beweist in den verschiedensten Wagner-Partien immer wieder, dass er zu den besten Wagner-Bässen der Welt gehört. Nur wer Günther Groissböck am 12. Novemer auf der selben Bühne in dieser Rolle erlebte, konnte überhaupt auf die Idee kommen etwas zu vermissen. Da war der Österreicher so unfassbar und strahlend gut und bewies sich als wahrlich unübertreffbare König Heinrich-Referenz.

Das Publikum ist zu Recht begeistert von den Gesangsleistungen aller Akteure. Der Dirigent bekommt für seine Leistung an dem Abend ein paar Buh-Rufe zu hören.

Sebastian Koik, 19. Dezember 2017, für
klassik-begeistert.de

2 Gedanken zu „Richard Wagner, Lohengrin,
Deutsche Oper Berlin“

  1. Frau Harteros hat in München eine sensationelle Elsa 2009 und an der Maländer Scala 2012 an der Seite des anderen „besten Lohengrin“, Jonas Kaufmann, gesungen. Da fehlte es auch keineswega an Empathie und engagiertem Spiel. Auch kenne ich sie als sehr ausdrucksstark in Gesang und Darstellung in allen Partien, in denen ich sie bisher erlebt habe.
    Waltraud Becker

    1. Gesangstechnisch war Frau Harteros auch an diesem Abend ganz, ganz großartig. Mit klangschönster und nuanciertester Sangeskunst. Die ersten Minuten war ich schwer beeindruckt von ihrer Leistung und versuchte auszuloten, ob sie für mich die beste oder zweitbeste aktuelle Wagner-Sopranistin sei!

      Doch dann merkte ich, dass da etwas fehlt.

      Natürlich ist das Kritik auf allerhöchstem Niveau. Doch in ihrem emotionalen Ausdruck und der Verkörperung der Figur war Frau Harteros AN DIESEM ABEND meiner Meinung nach nicht ganz so stark. Ich kaufte ihr die Elsa nicht wirklich ab. Eine Meinung, mit der ich nicht allein bin.

      Zu bedenken ist: Sie hatte ja auch nur diesen einen einzigen „Lohengrin“-Auftritt in Berlin in dieser Spielzeit. Da ist es ja nachvollziehbar und menschlich, dass sie das nicht ganz so gut macht, wie wenn sie stärker drin ist in der Partie und der Inszenierung, dass sich auf der Bühne vielleicht nicht ganz so wohl fühlt wie sonst.

      Sehr wohl glaube ich, dass Frau Harteros in der Rolle brillieren kann und das schon gezeigt hat, doch an dem Abend war das zwar rein sängerisch betrachtet glänzend, aber darstellerisch und von der Verkörperung der Rolle eben weniger stark.

      Und ich bin auch sehr, sehr zuversichtlich, dass Anja Harteros nächsten Sommer in Bayreuth ganzheitlicher überzeugen wird als in dieser Einzelvorstellung!

      Herzliche Grüße
      Sebastian Koik (Autor klassik-begeistert.de)

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