Foto: Jakub Gibowski
Meine Konzertreise mit Brahms’ Requiem nach Stettin 2016
von Jolanta Łada-Zielke
„Ein deutsches Requiem“ von Johannes Brahms hörte ich zum ersten Mal in meiner Musikoberschule in Krakau. Seit ich in Deutschland lebe, habe ich dieses Werk schon sieben Mal mit zwei tollen Chören aufgeführt. Vor einer Woche habe ich meine Eindrücke von dem Konzert mit Brahms’ Requiem im Jahr 2010 beschrieben, das dem tragischerweise verstorbenen Dominik Brunner gewidmet war. Ich sang es damals mit dem Münchener Bachchor. Aber nicht alle meine Auftritte mit diesem Werk hinterließen gute Erinnerungen.
2016 nahm ich an einem Projekt des Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Chors Hamburg und des Sinfonieorchesters der Philharmonie Stettin teil, das in diesen beiden Städten realisiert wurde. Es sollte eine künstlerische Ergänzung zur Feier des 25. Jahrestages der Unterzeichnung des Nachbarschaftsvertrags durch Polen und Deutschland sein.
Das Programm umfasste Brahms’ Requiem und das „Agnus Dei“ aus dem „Requiem Polskie“ (Polnisches Requiem) von Krzysztof Penderecki. Das zweite Stück war ein besonderes Geschenk des Chores für das polnische Publikum. Der Komponist widmete nämlich sein Requiem dem polnischen Kardinal Stefan Wyszyński, dem Helden im Kampf gegen das kommunistische Regime in Polen. Das gemeinsame Konzert von Gästen und Gastgebern in dem symphonischen Raum der Philharmonie „Mieczysław Karłowicz“ in Stettin unter der Leitung von Hansjörg Albrecht war ein großer Erfolg. Als Solisten traten die deutsche Sopranistin Christiane Oelze und der polnische Bassbariton Marcin Bronikowski auf.
Am nächsten Tag trat der Chor in der Kathedrale von St. Jakob in Stettin mit einem A-cappella-Programm auf. Im Rahmen des Konzerts spielte Hansjörg Albrecht auch zwei Stücke von Johann Sebastian Bach auf der dortigen Orgel. Die Stettiner Philharmonie war auch für die Werbung für diesen Auftritt verantwortlich, machte das aber nicht. Es hingen keine Plakate und es gab keine Programmzettel für das Publikum. Erst im letzten Moment hing man ein Banner über der Kirchentür auf. Obwohl der CPE-Bach-Chor zuvor die Vorbereitung geeigneter Materialien vorgeschlagen hatte, versicherten uns die Gastgeber, dass sie sich selbst darum kümmern würden. Zwar sang der Chor hervorragend, allerdings vor einem sehr kleinen Publikum. Nicht mal fünfzehn Personen saßen in der Kirche.
Die Aufführung von Bachs Motette „Jesu meine Freude“ gefiel den Zuschauern am besten. Nach dem Konzert sprachen uns einige Gäste an und gestanden, wie sie sich für die Gastgeber schämen. „Es ist so viel los in dieser Philharmonie und sie konnten so ein großartiges Konzert nicht fördern?“, fragte sich eine ältere Dame. Die Sache war umso trauriger, weil Kardinal Stefan Wyszyński der Patron der Kathedrale St. Jakob ist. Das Repertoire passte perfekt zum Veranstaltungsort, aber aufgrund der fehlenden Werbung bekam das niemand mit. Die Mitglieder des CPE-Bach-Chors verließen Stettin etwas enttäuscht, insbesondere diejenigen, für die es der erste Besuch in Polen war. Umso mehr tat es mir leid, dass meine Landsleute uns auf solche Art und Weise vernachlässigt hatten.
Nur die attraktive polnische Küche hat unbestreitbar gute Erinnerungen hinterlassen.
Der zweite Teil des Projekts wurde eine Woche später in der Hamburger Laeiszhalle durchgeführt. Der CPE-Bach-Chor und die Stettiner Philharmoniker wiederholten das Konzert mit den beiden oben genannten Stücken, und die Gäste aus Stettin führten auch die 4. Brahms-Symphonie auf. Diesmal sangen die Solopartien Hanna Zumsande und Michał Partyka, der das Publikum mit seiner tiefen und starken Bassstimme begeisterte. Die Hamburger Musikliebhaber belohnten alle Künstler mit herzlichem Applaus.
Der ehemalige Generalkonsul der Republik Polen in Hamburg, Andrzej Osiak, sagte, dass die Polen und Deutschen geistig nahe beieinander seien, was am besten in der Musik zu sehen sei. Aber um diese spirituelle und künstlerische Bindung zwischen unseren Nationen zu pflegen, müssten beide Seiten guten Willen und Engagement zeigen. Hoffentlich kommt es dieses Jahr dazu, weil wir gerade den 30. Jahrestag der Unterzeichnung des Vertrags über die gute Nachbarschaft zwischen Polen und Deutschland feiern. Eine der Veranstaltungen zur Feier dieses Ereignisses ist die erste Ausgabe des Baltischen Opernfestivals in Sopot, dessen Gründer Tomasz Konieczny ist. Ob dieses Ereignis stattfinden wird, hängt natürlich von mehreren Faktoren ab, einschließlich der weiteren Entwicklung der Pandemie.
Ich träume davon, mit meinem Chor wieder in der vollen Besetzung auf einer Bühne zu stehen und Brahms’ „Deutsches Requiem“ aufzuführen …
Jolanta Łada-Zielke, 14. März 2021, für
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Jolanta Łada-Zielke, 49, kam in Krakau zur Welt, hat an der Jagiellonen-Universität Polnische Sprache und Literatur studiert und danach das Journalistik-Studium an der Päpstlichen Universität Krakau abgeschlossen. Gleichzeitig absolvierte sie ein Gesangsdiplom in der Musikoberschule Władysław Żeleński in Krakau. Als Journalistin war Jolanta zehn Jahre beim Akademischen Radiorundfunksender Krakau angestellt, arbeitete auch mit Radio RMF Classic, und Radio ART anlässlich der Bayreuther Festspiele zusammen. 2003 bekam sie ein Stipendium vom Goethe-Institut Krakau. Für ihre journalistische Arbeit wurde sie 2007 mit der Jubiläumsmedaille von 25 Jahren der Päpstlichen Universität ausgezeichnet. 2009 ist sie der Liebe wegen nach Deutschland gezogen, zunächst nach München, seit 2013 lebt sie in Hamburg, wo sie als freiberufliche Journalistin tätig ist. Ihre Artikel erscheinen in der polnischen Musikfachzeitschrift „Ruch Muzyczny“, in der Theaterzeitung „Didaskalia“, in der kulturellen Zeitschrift für Polen in Bayern und Baden-Württemberg „Moje Miasto“ sowie auf dem Online-Portal „Culture Avenue“ in den USA. Jolanta ist eine leidenschaftliche Chor-und Solo-Sängerin. Zu ihrem Repertoire gehören vor allem geistliche und künstlerische Lieder sowie Schlager aus den zwanziger und dreißiger Jahren. Sie ist seit 2019 Autorin für klassik-beigeistert.de.
Es gibt auch noch andere Dirigenten, die das Brahms Requiem auswendig dirigieren: So beim diesjährigen Mitsingkonzert im Mai in der Berliner Philharmonie. Der beste Chordirigent der Welt, Simon Helsay, dirigierte einen Chor mit über 1000 Mitwirkenden! AUSWENDIG!!!
Michael Stein