CD Rezension: Paul Hindemiths schwergewichtige Oper

CD-Besprechung: Paul Hindemith, Mathis der Maler, Wiener Symphoniker,  Klassik-begeistert.de

 

Paul Hindemith
Mathis der Maler
Wiener Symphoniker
Bertrand de Billy

Naxos NBDO 130V

von Peter Sommeregger

Paul Hindemith unternimmt mit diesem Werk den Versuch, anhand von Motiven aus dem Leben des mittelalterlichen Malers Matthias Grünewald die grundsätzliche moralische Verantwortung des Künstlers für sein Schaffen auszuloten. Es liegt nahe, dass der Komponist seiner Titelfigur eigene Züge verliehen hat, und in der Oper autobiographische Anspielungen auszumachen sind.

Hindemith schrieb nach der vergeblichen Suche nach einem geeigneten Librettisten das Textbuch zu der Oper selbst. Sie entstand Mitte der 1930er Jahre, konnte aber durch das Aufführungsverbot für seine Werke nicht wie vorgesehen in Berlin uraufgeführt werden, sondern erst 1938 in Zürich.

Die nun veröffentlichte DVD ist der Mitschnitt einer Wiener Produktion im Theater an der Wien von 2012. Für die Inszenierung zeichnet Keith Warner verantwortlich, der für alle sieben Szenen eine einheitliche Konstruktion auf der Bühne einsetzt, nämlich eine überdimensionale Skulptur des gekreuzigten Christus, die einmal komplett, dann wieder als Torso gezeigt wird. Der Rest der Szenerie ist nur sparsam angedeutet und stilisiert.

Die Problematik dieser Oper liegt in ihrer Textlastigkeit. Speziell der Titelheld Mathis ergeht sich in langen Reflexionen und Zustandsbeschreibungen. Dies erfordert einen wortdeutlichen  und markanten Interpreten, der hier mit Wolfgang Koch zur Verfügung steht. Ihm gelingt es ausgezeichnet, die Zerrissenheit und von Skrupeln geplagte Persönlichkeit des Titelhelden glaubhaft darzustellen. Auch stimmlich ist Koch der anstrengenden Partie mit seinem vollen, runden Bassbariton nicht nur gewachsen, er verkörpert sie souverän.

Sein Gegenspieler, Albrecht von Brandenburg, wird von Kurt Streit mit schneidender Schärfe und Intensität verkörpert. Das Zusammenspiel der beiden Künstler trägt den gesamten, mit gut drei Stunden doch zeitweilig zähen Abend. Auch Nebenrollen sind vorzüglich besetzt, so begegnen wir dem unverwüstlichen Franz Grundheber als Riedinger.

Die drei Frauenrollen sind im Vergleich zu den Hauptfiguren musikalisch etwas stiefmütterlich bedacht. In der Episodenrolle der Gräfin von Helfenstein macht Magdalena Anna Hofmann eine gute Figur, die Regina von Katerina Tretyakova fällt angenehm durch ihren klaren Sopran auf. Als Grünewalds unerfüllte Liebe Ursula bemüht sich Manuela Uhl um Ausdruck und eine klare Gesangslinie, was ihr aber über weite Strecken nicht glückt. Ihre Intonation ist unsauber, die Höhe eng und der Gesamteindruck enttäuschend.

Bertrand de Billy steht am Pult der Wiener Symphoniker und holt aus dem, den Wiener Philharmonikern kaum unterlegenen Orchester ein Optimum an Exaktheit und Stilsicherheit heraus. In einer so professionellen Interpretation könnte das Werk vielleicht doch den problematischen Ruf der Sprödigkeit verlieren.

 

Peter Sommeregger, 17. September 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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