Foto: klassik-begeistert-Autor Patrik Klein
Klein beleuchtet kurz 5: Der fliegende Holländer in HH
Der Klassik-begeistert-Autor Patrik Klein ist ein leidenschaftlicher Konzert- und Opernfreak, der bereits über 300 Konzerte (Eröffnungskonzert inklusive) in der Elbphilharmonie Hamburg verbrachte, hunderte Male in Opern- und Konzerthäusern in Europa verweilte und ein großes Kommunikationsnetz zu vielen Künstlern pflegt.
Nicht immer nimmt er sich Pressekarten im offiziellen Modus, sondern lauscht oder schaut privat, zwanglos und mit offenen Augen und Ohren. Die daraus entstehenden meist emotional noch hoch aufgeladenen Posts in den Sozialen Medien folgen hier nun auch regelmäßig bei Klassik-begeistert – voller Leidenschaft – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – aber immer mit großem Herzen!
Gestern Abend in der Staatsoper Hamburg:
Der Fliegende Holländer – Oper von Richard Wagner
Staatsoper Hamburg, 10. Dezember 2023
So eine Eventpause von 10 Tagen ist ja kaum auszuhalten – nun ist sie zu Ende – eigentlich wollte ich ja nie wieder in diese selten karge, einfallslose und nervige Inszenierung von Michael Thalheimer gehen, in der ich noch bei der Premiere im Herbst 2022 mir die Seele aus dem Leib buhte (nicht nur wegen der Regie, sondern auch wegen des damals unterirdischen Dirigats Kent Naganos), aber die angekündigte Sängerschar und der neue Dirigent lockten mich frohlockend – nun hatte Herr Spyres leider abgesagt, wegen dem ich mir besonders ein Ticket schoss – für mich ist er derzeit der beste Tenor auf diesem Globus mit einer unglaublichen Flexibilität und Tessitur – hier wäre er als Erikdebutant erstmals in Hamburgs Oper aufgetreten – als Pollione in der Elphi hatte ich ihn ja bereits gehört und war begeistert – so what – da waren ja auch noch andere Darsteller, denen man mit Genuss zuhören konnte –
– und dann das: Als der letzte Akkord erklingt und der Vorhang fällt, gehen mit mir altem Sack die Emotionen durch – Was war denn das? Seit Dekaden gab es nicht mehr eine solch geschlossen großartige musikalische Leistung an diesem Haus!
Auf der Fahrt mit der U-Bahn nach Hause diskutierte ich heiser mit meiner lieben Göttergattin, der die Inszenierung auch noch gefallen hatte – alle hängen an Seilen und die Schicksale sind verwoben und nicht mehr änderbar – ich hingegen hätte gerne eine Rosenschere dabei gehabt – musikalisch waren wir uns einig: das war bis auf ganz wenige Unaufmerksamkeiten mit das Beste, was man an diesem Haus seit sehr sehr Langem hören konnte und komplett 3 bis 4 Ligen über der unsäglichen Premiere vor einem Jahr:
Beginnen wir mal mit FJ Selig, der einen Daland gab, der so ziemlich an der obersten Levelkante sang: tiefschwarzer, kräftig wuchtiger Prachtbass mit einer Phrasierung und Textverständlichkeit, wie ich sie von Topkollegen, die Bayreuth abonniert haben noch nicht vernahm – sensationell – Riesenapplaus für ihn!
Der Erik des Eric Cutlers, eingesprungen für Michael Spyres, bayreutherfahrener Erikdarsteller machte seine Sache gut – seine Phrasierung mag nicht jedem gefallen, aber er gibt den Erik nicht als Schwächling, wie er oft angelegt wird.
Der Steuermann Daniel Kluges und die Mary der Katja Pieweck haben einen soliden Tag erwischt – das hörte man sich gerne an.
Riesenjubel gabs zu Recht für den indisponiert angekündigten Titelhelden des Michael Volle – man hörte von der Erkältung rein gar nichts – man mag an seiner Phrasierung die geringe „Schwärze“ seines Holländers anführen oder sogar bemerken, dass es an manchen Stellen eher wie „Hans Sachs“ klingt, aber was da an Gestaltung und raffiniertesten Tempovariationen, Stimmmodulationen und überraschenden Feinheiten kommt, überkompensiert Alles – unglaublich stark war das.
Die eigentliche Sensation jedoch für mich an diesem Abend ist die Senta seiner Gattin Gabriela Scherer, die ihr Debut in Hamburg gab (ich hörte sie auch heute zum ersten Mal). Zwischen lyrischem und leicht dramatischen Sopran changierend klingt ihre Stimme so federleicht und dennoch dramatisch fokussiert wie ein Laserstrahl, dass die schwierige Akustik des Hauses in Reihe 12 Mitte schlichtweg ausgeschaltet wird – ganz klar bekommt sie für dieses Squillo von mir die Krone des Gesangs an diesem Abend – das war atemberaubend!
Der Chor und Extrachor hatte ordentlich geprobt, besonders der Damenchor hatte eine ungewohnt exzellente Präzision.
Ádám Fischer, dem Routinier am Pult, gelang eine spannende Interpretation des Holländers mit gemäßigten Tempi, aber eine formvollendeten Spannungsgebung, die berührte – tosender Applaus in dem gut zu zwei Dritteln gefüllten Haus.
Der Fliegende Holländer – Oper von Richard Wagner
Staatsoper Hamburg, 10. Dezember 2023
Regie: Michael Thalheimer
Musikalische Leitung: Ádám Fischer
Chor, Extrachor und Orchester der Staatsoper Hamburg
Daland: Franz-Josef Selig
Senta: Gabriela Scherer
Erik: Eric Cutler
Mary: Katia Pieweck
Steuermann: Daniel Kluge
Holländer: Michael Volle
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