Konstantin Krimmel zelebriert die Kunst des Liedes und bringt die Berliner Schubert-Woche zu einem umjubelten Abschluss

Konstantin Krimmel, Bariton, Ammiel Bushakevitz, Klavier  Pierre Boulez Saal, Berlin, 28. Januar 2024    

Foto © konstantinkrimmel.com     

Ausgewählte Lieder von Robert Schumann, Carl Loewe, Hugo Wolf und Franz Schubert    

Konstantin Krimmel, Bariton 
Ammiel Bushakevitz, Klavier      

Pierre Boulez Saal, Berlin, 28. Januar 2024  

von Lukas Baake

Für Liebhaber des Kunstlieds bietet die ansonsten bunte und differenzierte Berliner Konzertszene nur seltene Momente des musikalischen Glücks. Während sich in anderen Hauptstädten die führenden Liedinterpreten die Klinke in die Hand geben – man denke beispielsweise an die Londoner Wigmore Hall – und Festivals andernorts regemäßig das Liedrepertoire erkunden, sind hochkarätige Liederabende in den Berliner Spielplänen eher eine unverhoffte Ausnahme.

Vor diesem Hintergrund ist die jährliche Schubert-Woche im Pierre Boulez Saal ein unbestrittener Saisonhöhepunkt, bei dem Größen des Fachs, etablierte Künstler der jüngeren Generationen und aufstrebende Sänger in einen fesselnden musikalischen Dialog treten. In diesem Jahr stand die Schubert-Woche im Zeichen der programmatischen Gegenüberstellung von Franz Schubert und Hugo Wolf, die die Entwicklung des Kunstlieds maßgeblich prägten und neben dem biographischen Wirkungskreis unter anderem auch den literarischen Rückbezug auf Goethe teilen.

Kuratiert von Thomas Hampson, und in Kooperation mit dessen Hamsong Foundation und dem Heidelberger Frühling veranstaltet, durchschritt das Programm des Pierre Boulez Saal sieben Tage lang die Weiten der vielschichtigen Melange aus Stimme, Klavier und Dichtung. Thomas Hampson selbst eröffnete die Woche mit einem Konzert, das allein dem Schaffen Hugo Wolfs gewidmet war. Im Zentrum des Programms stand jedoch eine internationale Gruppe junger, aufstrebender Sänger der Liedakademie des Heidelberger Frühling Liedzentrums. In zwei öffentlichen Meisterkursen, deren Mitschnitte öffentlich einsehbar sind, wurde dem interessierten Publikum die Möglichkeit geboten, die genaue Arbeit am Text und Hampsons pädagogisches Können verfolgen. Präsentiert wurde diese Arbeit in einem umfangreichen Abschlusskonzert.

An verschiedenen Abend bestritten ausgewählte Sänger der Gruppe in Begleitung angesehener Liedbegleiter einen Konzertabend. Malcolm Martineau beispielsweise trug Gerrit Illenberger und Zhuohan Sun durch ein anspruchsvolles Programm, das Illenbergers warmer, glühender Bariton und die strahlende Klarheit von Suns Tenor zu einem vorläufigen Höhepunkt machten.

Als krönender Abschluss war ursprünglich ein Konzertabend mit Samuel Hasselhorn in Begleitung von Ammiel Bushakevitz angekündigt. Da Hasselhorn krankheitsbedingt absagen musste, sah man sich als Konzertbesucher mit einem unverhofften Glück konfrontiert. Mit Konstantin Krimmel konnte eine der interessantesten Sänger der jüngeren Liedinterpreten gewonnen werden, der als Ensemblemitglied der Bayerischen Opern und mehreren veröffentlichten Aufnahmen im vergangenen Jahren unzweifelhaft zu den führenden Baritonstimmen seiner Generation gezählt werden kann.

Così fan tutte 2022, K. Krimmel, A. Amerau © W. Hoesl

Durch den kurzfristigen Einsatz von Krimmel wurde das bis dato prägende Wechselspiel zwischen Schubert und Wolf zunächst aufgebrochen. Schumanns Fünf Lieder op. 40 eröffneten den denkwürdigen Abend und gewährten einen ersten Einblick in Krimmels feinfühlige und intelligente Interpretationsansätze, die Bushakevitz umsichtig am Flügel arrondierte.

Eine der unvergleichlichen Stärken Krimmels ist die temperamentvolle und vielschichtige Erzählweise umfangreicher Balladen, die er schon 2019 in den Mittelpunkt seines Debutalbums gestellt hatte. Im Konzertsaal wird Krimmels musikalische Erzählkunst durch seine fesselnde räumliche Präsenz untermalt. So gerieten die anschließenden Lieder Carl Loewes, etwa „Herr Oluf“ oder „Archibald Douglas“, zu einer meisterhaften Demonstration von Krimmels feinen stimmlichen Schattierungen, die von weichen und zarten Höhen zu kräftig-brachialen Tiefen reichen.

Auch wenn das Konzert bereits mit dem Pausenapplaus das Prädikat „denkwürdig“ von dem Publikum erhielt, konnte Krimmel seine Leistung in der zweiten Konzerthälfte steigern.

Die abschließenden Heine-Lieder aus Schuberts „Schwanengesang“ entlockten die zahlreichen Facetten und  unerwarteten Wendungen seiner Liedkunst. Während „Das Fischermädchen“ und „Am Meer“ Krimmels anmutige und feine Melismen forderten, legten die fein ausbalancierten stimmlichen Steigerungen („Der Doppelgänger“) und eruptiven Ausbrüche („Der Atlas“) die existentiellen Bedeutungsschichten von Schuberts Spätwerk frei. Auch wenn die Begleitung von Bushakevitz, insbesondere im Vergleich mit Malcom Martineau, bisweilen feinere dynamische und farbliche Ausdifferenzierungen vermissen ließ, badeten die Musiker in einem langanhaltenden Schlussapplaus.

Mit der Zugabe wurde das Publikum gleich dreifach beschenkt. Nach einer zarten, an der Grenze zum Parodistischen operierenden Interpretation von Loewes „Die Uhr“, zelebrierte Krimmel die Kunst des Liedes mit Schumanns schaurig-schönen „Belsatzar“ und Schuberts stürmischer Vertonung von Goethes „Willkommen und Abschied“. Welch ein Glück!

Lukas Baake, 1. Februar 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Rising Stars 16: Konstantin Krimmel, Bariton

Konstantin Krimmel und Doriana Tchakarova im Hauskonzert

Richard Wagner, Tristan und Isolde Anhaltisches Theater Dessau, 27. Januar 2024 PREMIERE

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert