Die begnadeten Geschichtenerzähler Konstantin Krimmel und Doriana Tchakarova im Hauskonzert

Konstantin Krimmel und Doriana Tchakarova im Hauskonzert

Foto: Maren Ulrich

von Lorenz Kerscher

Viele Gesangsstudenten melden sich nach dem Bachelorabschluss zu Wettbewerben an und sind glücklich, wenn sie durch eine Finalteilnahme oder gar einen Preis auf sich aufmerksam machen können. Wenn jedoch ein Nachwuchskünstler binnen Jahresfrist gleich neun Preise und diverse Sonderpreise von bedeutenden, überwiegend internationalen Wettbewerben nach Hause bringt, übersteigt das bei weitem die Erwartungen. Doch bei dem 1993 in Ulm geborenen Bariton Konstantin Krimmel ist genau das eingetreten. Dass seine versierte Korrepetitorin und Dozentin in Liedgestaltung, die Bulgarin Doriana Tchakarova, ihm nicht nur einen guten Weg wies, sondern darüberhinaus eine künstlerische Partnerschaft aufbaute, kann als zusätzlicher Erfolgsfaktor verbucht werden.

Noch kann man dieses einzigartige Liedduo zu einem Hauskonzert einladen, jedenfalls ist dies den rührigen Veranstaltern von Hauskonzert Feldberg in Hessen gelungen. Und weil man derzeit keine Gäste empfangen kann, wurde stattdessen ein Videostream übertragen. Der Bitte, einen selbstgewählten freiwilligen Eintrittspreis zu zahlen, bin ich selbstverständlich gerne nachgekommen. Erfreulicherweise kann man diese Aufzeichnung weiterhin in allerbester Qualität erleben:

„Darf ich Ihnen eine Geschichte erzählen?“ So lautet das Motto der Liederabende von Krimmel und Tchakarova. Gemeinsam haben sie sich die Welt der romantischen Balladen erschlossen, für die vor allem der Name Carl Loewe steht, doch auch aus der Feder von Franz Schubert, Robert Schumann, Hugo Wolf und vielen anderen gibt es Meisterwerke dieser Gattung.

Hier wirkt Krimmel wie ein begnadeter Schauspieler, der mit größter Verständlichkeit und spannungsgeladen den Text vorträgt und noch die Vielfalt außergewöhnlicher Klangfarben seiner Stimme hinzufügt (das Mitlesen der Texte im online verfügbaren Programmheft erübrigt sich). Und seine Partnerin am Klavier spiegelt den Facettenreichtum dieser gleichermaßen epischen, lyrischen und dramatischen Tongedichte kongenial in die instrumentale Dimension.

Das Programm dieses Hauskonzerts, dessen Blöcke Krimmel jeweils mit einer kurzen Erklärung anmoderiert, beginnt mit Wanderliedern von Schubert, die dem romantischen Gefühl von Heimatlosigkeit Ausdruck geben. So etwa „Der Wanderer an den Mond“, dessen Stimmung zwischen trostlosem Dahintrotten und zärtlich schwebendem Traumbild wechselt. Von solchen Gegensätzen, die Krimmel sehr überzeugend auslotet, leben diese Lieder.

Der nächste Block enthält Balladen von Carl Loewe, zuerst „Tom der Reimer“, der sich glücklich in den Dienst der Elfenkönigin begibt. Unheilschwanger folgt der dramatische Erlkönig, dem Loewe noch differenziertere musikalische Charaktere verleiht als Schubert in seiner bekannteren Vertonung. Hier lässt die packende Gestaltung den Gegensatz von beruhigendem Vater, panischem Kind und arglistigem Erlkönig keine Wünsche offen.

Anschließend lebt der ruhige Fortgang der Lebensuhr von Krimmels schöner Stimme, während unter Tchakarovas feinfühligen Händen das Uhrwerk läuft und der Stundenschlag ertönt. „Odins Meeresritt“ erzählt dann sehr anschaulich die Geschichte von einem Schmied, bei dem sich Odin sein Pferd beschlagen lässt und dann zu Tchakarovas rauschenden Klavierklängen durch die Luft in die Ferne reitet.

Nach kurzer Pause führen drei ernste Gesänge eines der Traurigkeit verfallenen Harfenspielers aus Goethes „Wilhelm Meister“, vertont von Hugo Wolf, in dunkle Seelenlandschaften, die ebenfalls überzeugend mit Leben gefüllt werden. Drei Lieder von Maurice Ravel, „Don Quichotte a Dulcinée“, besingen die Illusion, das Gebet und die Trunkenheit dieses Phantasten so eindringlich, dass man verwundert ist, dass Krimmel das Konzert danach wieder ganz nüchtern fortsetzt: mit zwei kabarettistischen Liedern von Wolseley Charles (1898 -1962).

Jetzt in englischer Sprache stellt ein Wheel-Tapper (der Eisenbahnräder auf Risse abklopft) heitere Vergleiche an, anschließend geht es um einen grünäugigen Drachen mit 13 Schwänzen, der als Kinderschreckgespenst so lange sein Unwesen treibt, bis er sich am selbstgebackenen Kuchen einer Prinzessin den Magen verdirbt und verendet. Hier erweist sich ein durchaus hintergründiger Humor als eine weitere Stärke dieses Liedduos mit so vielseitigem Stilgefühl. Als Zugabe erklingt das idyllische, im Volkston gehaltene „Linden Lea“ von Ralph Vaughan Williams, das als letzten Eindruck nochmals die Schönheit dieser Stimme ins Bewusstsein ruft.

Mit der Meinung, dass Konstantin Krimmel innerhalb von gerade zwei Jahren öffentlichen Wirkens in die Spitzengruppe der Liedinterpreten aufgerückt ist, bin ich längst nicht mehr alleine: vielbeachtete Rezensenten und Musikerkollegen haben das inzwischen anerkannt. Sowohl die Internetmedien (siehe z.B. die von mir angelegte Playlist mit 40 Aufnahmen in Youtube) als auch seine hochinteressante Debüt-CD „Saga“ geben die Möglichkeit, ihn mit einer großen Vielfalt von interessantem Repertoire zu erleben. Meist dabei an seiner Seite ist Doriana Tchakarova als erfahrene Mentorin und kongeniale Mitgestalterin. Dass er mit Orchesterbegleitung ebenso überzeugend wirkt, etwa im „Lied an den Abendstern“ aus Wagners Tannhäuser, lässt auch eine erfolgreiche Entwicklung auf der Opernbühne erwarten. Darauf möchte ich gerne eine hohe Summe wetten, doch werde ich gewiss niemanden finden, der dagegen setzt!

Lorenz Kerscher, 26. Mai 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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